Würdigungen für seine Verdienste - Berlin und Brandenburg trauern um Michail Gorbatschow

Mi 31.08.22 | 14:05 Uhr
  28
Archivbild: Der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow steht am 08.11.2014 am Pariser Platz in Berlin, im Hintergrund das Brandenburger Tor. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Video: rbb24 13 Uhr | 31.08.2022 | Bild: dpa/Jens Kalaene

Der Tod des Berliner Ehrenbürgers Michail Gorbatschow hat tiefe Trauer ausgelöst. Die Berliner und Brandenburger Landespolitik würdigt den Friedensnobelpreisträger als historischen Staatsmann, dem man viel zu verdanken habe.

Berlin und Brandenburg trauern um den ehemaligen Staatschef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow. Er starb am Dienstagabend in Moskau im Alter von 91 Jahren.

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hob in ihrer Reaktion Gorbatschows Verdienste für die Wiedervereinigung Deutschlands hervor. Gorbatschow sei ein bemerkenswert mutiger Staatsmann gewesen, twitterte Giffey am Mittwoch.

"Seine kluge Politik war maßgeblich für die Beendigung des Kalten Krieges und den Fall des Eisernen Vorhangs. Damit hat Gorbatschow den Weg zur Deutschen Einheit ermöglicht." Besonders die Menschen in Ostdeutschland, aber auch in ganz Deutschland und Europa hätten ihm viel zu verdanken.

Friedensnobelpreisträger und letzter Präsident der Sowjetunion

Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Dennis Buchner (SPD), teilte mit: "Berlin wie es heute ist – das wäre ohne Gorbatschow nicht denkbar. Wir verdanken ihm viel." Inzwischen habe man die Gewissheit, dass der außenpolitische Kurs von Gorbatschow gescheitert sei. "Er bleibt für uns trotzdem ein großer Europäer und ein großer Berliner. Ich bin mir sicher: Heute verneigen sich alle Berlinerinnen und Berliner vor diesem herausragenden Staatsmann unseres Kontinents."

Woidke: "Gorbatschow hat Menschen Mut gemacht"

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hob in seiner Mitteilung hervor, gerade die Ostdeutschen hätten Gorbatschow "unendlich viel zu verdanken". Er habe den Menschen in der DDR im historischen Herbst 1989 Mut gemacht, ihr Land neu zu denken und zu gestalten. "Und er bewies mit seiner Zustimmung zur Deutschen Einheit, dass für ihn die Vision vom 'Gemeinsamen Haus Europa' keine leere Floskel war, sondern Maxime seiner Politik", so Woidke.

Der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, würdigte Gorbatschow auf Twitter als "großen Staatsmann, Ehrenbürger Berlins, der gemeinsam mit Helmut Kohl den Weg zur Deutschen Einheit erst ermöglichte. Eine Ära des Friedens, der Entspannung und des Wohlstands. Berlin und Deutschland werden ihm ewig dankbar sein."

Trauer und Würdigung von allen Fraktionen

Für die Berliner FDP teilte deren Fraktionschef Sebastian Czaja mit, ohne Gorbatschow wären "die Deutsche Einheit und die Wiedervereinigung unserer Stadt so nicht möglich gewesen. Gorbatschow war immer wieder gern in Berlin zu Gast und die Bevölkerung liebte ihren "Gorbi" - gerade im Ostteil der Stadt. Was Wladimir Putin jetzt mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine macht, ist das Gegenteil dessen, wofür Michail Gorbatschow stand."

Die Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker betonte, Gorbatschows "Plädoyer für eine ehrliche und transparente Politik war Voraussetzung für eine friedliche Wende und die wiedergewonnene Einheit unserer Stadt und unseres Landes. Glasnost ist das politische Vermächtnis Gorbatschows, das auch heutigen Entscheidungsträgern als Vorbild dienen sollte."

Für die Brandenburger Grünen teilte deren Landeschefin Alexandra Pichl mit, viele ehemalige DDR-Bürgerrechtler in ihrer Partei erinnerten sich an die bedeutende Rolle, die Gorbatschow für die friedliche Revolution gespielt habe. "Das Leben und Wirken Michail Gorbatschows zeigt aber auch: Putin ist nicht Russland. Bis zuletzt hat sich Michail Gorbatschow gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen. Im Gedenken an Michail Gorbatschow lebt die Hoffnung auf ein partnerschaftliches, demokratisches Russland weiter, auch nach seinem Tode."

Noch keine Entscheidung über Staatsbegräbnis

Michail Gorbatschow starb nach schwerer und langer Krankheit am Dienstagabend im Alter von 91 Jahren in Moskau. Der Friedensnobelpreisträger musste in den vergangenen Jahren immer wieder im Krankenhaus behandelt werden. Zuletzt in Berlin zu Gast war Gorbatschow bei den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls im Jahr 2014.

Unter seiner Führung hatte die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen. In seiner Heimat hatte Gorbatschow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess eingeleitet. Das brachte den Menschen in dem totalitären System bis dahin nie da gewesene Freiheiten. Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums.

Beerdigt wird Gorbatschow in Moskau auf dem Neujungfrauenfriedhof für Prominente - neben seiner Frau Raissa. Das hatte der Staatsmann schon lange vor seinem Tod geregelt. Welche internationalen Gäste zur Beerdigung kommen werden, ist jedoch ungewiss. So sind nicht nur viele ranghohe Politiker der EU von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt worden. Gesperrt ist auch der Luftraum in Russland für "unfreundliche EU-Staaten". Ob es für Gorbatschow ein Staatsbegräbnis geben wird, ließ Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau offen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.08.2022, 10:40 Uhr

28 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 28.

    Für uns Deutsche ist niemals zu vergessen, dass die friedliche Revolution der sehr sehr Mutigen friedlich geblieben ist. Gorbi hat seine Truppen in den Kasernen gelassen...

  2. 27.

    Wenn es um Trauer 2022 geht, kann von einem Ost-Berlin nicht die Rede sein. Berlin als ausgerufene Hauptstadt der DDR ist ebenso Vergangenheit wie die westlich gesehene Frontstadt Berlin, mithin die bezeichneten West-Berlin und Ost-Berlin.
    Überdies gab es zu DDR-Zeiten kein Land Brandenburg, sondern die Bezirke Potsdam und Frankfurt (ohne Oder). Seither hat sich viel gemischt.

    Die Trauer um Michail Gorbatschow aber einte Beide, wenn auch empfindungsmäßig auf anfänglich etwas andere Weise. Die Käfigtür geöffnet zu bekommen und Flugversuche zu unternehmen, gezeigt zu bekommen, dass die Zeit der Halsstarrigen offenbar vorbei ist. Peter Grohmann, Stegreiftheatermensch: "Ein verschlossenes Völkchen, ferner als Sibirien, dessen politische Führer irgendwelche Entlosformeln dahinmurmelten."

  3. 26.

    Ruhe in Frieden Gorbi, wir haben Dir viel zu verdanken.

  4. 25.

    Lieber Michail Sergejewitsch Gorbatschow.

    Mit tiefer Bestürzung habe ich die Nachricht von ihrem Tod aufgenommen.
    Ich verneige mich mit großem Respekt und Hochachtung vor ihnen und ihrem Lebenswerk, ohne Sie und ihre Frau wäre die Geschichte sicher anders verlaufen !!!

    Sie sind jetzt wieder bei ihrer geliebten Raissa, ruhen Sie in Frieden !!!

  5. 24.

    Können Sie Ihre dummdreiste Propaganda nicht mal im Moment des Gedenkens an einen verstorbenen Staatsmann, der besonders den Ostdeutschen Mut und Hoffnung für einen gesellschaftlichen Wandel gegeben hat, für sich behalten.

  6. 23.

    >"Gänsehautmoment als er mit Ronald Reagan auf dem Roten Platz rumlief.
    Oder wo er mit Helmut Kohl im Kaukasus die Deutsche Einheit klarmachte."
    Vielen Dank, dass Sie diese zwei konträren Momente der Geschichte noch mal in Erinnung rufen.
    Ronald Reagan in seiner Anfangs-Amtszeit Verfechter der atomaren Aufrüstung und des Ost-West Konflikts beschwichtigt durch Gorbatschow. Auch aus beiderseitigem Interessen, dass Aufrüstung Unmengen an Geld aus den Staatshaushalten kostet.
    Helmut Kohl da bei Gorbi im Kaukasus fast schon unbeholfen, was dieser Mann (Gorbi) ob seiner damals noch Befehlsgewalt über die Sowjettruppen in der ex DDR denn wohl so mit der DDR vorhat... Bei diesem Treffen haben beide Frauen - Hannelore und Raissa - ja wohl im Hintergrund auch einiges gerissen, um die beiden Staatsmänner lockerer zu machen im Sinne der außerprotokollarischen Gespräche.

    >"Ruhe in Frieden!"
    Aber wirklich! In meiner Lebenserinnerung der meines Lebens hat er einen positiv besetzten Platz.

  7. 22.

    „ Interessant was man so aus einem Text herauslesen kann.“
    Nun die deutsche Sprache ist ziemlich präzise und was sie Don kommentieren, sollte ihnen ja am besten geläufig sein.
    Was die Rüstungsausgaben mit dem Alkoholverbot zutun bleibt ihr Geheimnis und auch ein legaler Wodka-Konsum hätte sicher nichts an den wirtschaftlichen Verwerfungen in Russland geändert. Der eigentliche Wiedervereinigungsprozess Deutschlands war Dank Gorbatschows ein rein innerdeutscher Vorgang über Einigungs- und Staatsvertrag.
    Kritik über deutsche Schieflagen müssen sie also bei der letzten DDR-Regierung, insbesondere bei Günther Krause, der die Beitrittsverhandlungen mit Wolfgang Schäuble geführt hatte, anmelden.
    Bezüglich der NATO-Osterweiterung lag das nicht in Gorbatschows Hand, da der Zerfall des restlichen Warschauer Pakts nebst NATO-Beitritt später erfolgte, dazu müssten sie sich dann mit der Ära Jelzin befassen. Gorbatschow überließ dem souveränen Deutschland folgerichtig die freie Bündniswahl.

  8. 21.

    Bevor sie solchen Mist schreiben, setzen sie sich doch bitte mit dem INF-Vertrag, der sog. Sinatra-Doktrin u.v.m. auseinander. Nennt sich auch Zeitgeschichte. Man kann Gorbatschow nur danken, egal aus welcher Himmelsrichtung man kommt.

  9. 20.

    Gänsehautmoment als er mit Ronald Reagan auf dem Roten Platz rumlief.
    Oder wo er mit Helmut Kohl im Kaukasus die Deutsche Einheit klarmachte.
    Ruhe in Frieden!

  10. 19.

    Besser. Dann hätte Russland nicht die Ukraine angegriffen und wir würde nicht unsere Wirtschaft ruinieren

  11. 18.

    Interessant was man so aus einem Text herauslesen kann.
    Neben dem ganzen Geschwurbel mal ein einfacher Fakt.
    Herr Gorbatschow hat es versäumt die NATO Osterweiterung mittels völkerrechtlicher Vereinbarungen zu verhindern.
    Die Folgen sind allen bekannt.
    Wer in einem Land mit offiziell 25 Prozent Rüstungsausgaben ( inoffiziell waren es wohl 40 Prozent)- die Rede ist von der SU- ein Alkoholverbot einführt , was zu einem Rückgang der Staatseinnahmen um exakt 25 Prozent führte , kann von Wirtschaft nur wenig verstehen.
    Verlierer waren die russische Bevölkerung und im Zuge der "Wiedervereinigung" natürlich die meisten DDR - Bürger.
    Stichwort Deindustrialisierung.

  12. 17.

    [Alexander] vom 31.08.2022 um 16:15 hat schon Recht. Dadurch dass Gorbi bei den Demos für mehr Rechte und Demokratie überall in der SU keinen Befehl zum Eingreifen gab, waren sich andere Staatslenker des sozialistischen Systems nicht mehr sicher, ob die in ihren Ländern stationierte Sowjetarmee einreifen würde. Von da aus blieb ihnen nix anderes übrig, als die Kalaschnikows niedrig zu halten. Dass Gorbi bei den Senioren des ZK der SED seinerzeit eher als Verräter und inkompetent für die Weiterführung des "Diktatursozialismus" gesehen wurde, ist wohl allen klar.
    PS: Modrow war für mich damals der wirklich kompetente Mann. Nur eben in der Entscheidungs-Hierarchie der SED nicht so dichte am ZK dran wie Krenz.

  13. 16.

    Aha, Krenz und Modrow also?! Dem ganzen SED-Haufen, der ohne Seegen des Kreml nicht mal aufs Klo gehen konnte, haben wir also den friedlichen Wandel des Ostblocks zu verdanken?!

    In welcher Realität sind sie denn groß geworden??

  14. 15.

    Wie würde die Welt heute wohl ohne Gorbi aussehen? Ich weiß nicht, ob ich mir das vorstellen möchte.
    @ 3: Vollste Zustimmung.

  15. 14.

    Das sind doch nur Vermutungen.
    Modrow und Krenz hielten ihn eher für inkompetent und überfordert. Krenz hat im übrigen dafür gesorgt, das es 89 auf Seiten der Sicherheitsorgane nicht zur Schusswaffenanwendung kam. Angesichts des Krieges in der Ukraine, auch eine Folge des Zerfalls der Sowjetunion,
    ist ein Gorbikult wohl inzwischen überflüssig.

  16. 13.

    Sie reimen sich da wirres Zeugs zusammen. Sie vergessen völlig, dass Jelzin und Putin nach Grobi kamen. Und Jelzin wars, der ihn fast im Staatsstreich ausgebootet hat und Bestechung samt Oligarchen durch den Ausverkauf des Volkseigentums etablierte in allen ehemaligen Teilstaaten der ex SU. Klar wollte er erstmal den Verbund SU erhalten, aber als förderales Staatssystem ähnlich wie Deutschland. Dass im Rückblick hätte einiges anders laufen können, darf man Staatsmännern wie Gorbi nicht vorwerfen. Hinterher ist man immer schlauer! Aber wie was kommen wird, wussten viele Staatslenker seinerzeit nicht. In der Summe seiner politischen Entscheidungen und Aktionen und auch manchmal Zurückhaltung war er für Europa ein einflussreicher und bedeutender Politiker mit positivem Ergebnis.

  17. 12.

    Einige unangenehme Aspekte werden bei der Huldigung Gorbatschows bewusst außen vor gelassen.
    So hat sich Gorbatschow immer wieder kritisch gegenüber der Politik der USA, der Nato und des Westens nach dem Ende des Kalten Krieges geäußert.
    Das Gorbatschow von Kohl und vom US-Außenminister James Baker in die Hand gegebene Versprechen, die Nato keinen Zentimeter weiter nach Osten zu verschieben, wurde schnell gebrochen, womit die Hoffnung auf eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur zerstob. Die Nato-Osterweiterung hat Gorbatschow in Interviews immer wieder als großen Fehler und Vertrauensbruch bezeichnet. Sie habe in Russland zu einer Desillusionierung gegenüber dem Westen geführt.

  18. 11.

    Ein armer Mann ist tot. Er hat mit soviel Mut Gutes gewollt. Kannte als einziger Kreml Herrscher die Not der Menschen aus der Nähe. Die Folgen jahrhundertelanger Unterdrückung auf die Reformunfähigkeit des eigenen Landes hat er ebenso falsch eingeschätzt wie den an Machterhalt interessierten Egoismus fremder Herrscher. Er starb missverstanden und missbraucht. Auch vom Nach-Nachfolger hat er sich täuschen lassen. Ruhe in Frieden, arme tragische Figur der Geschichte.

  19. 10.

    Er hat uns damals den Mut gegeben und gezeigt das wir keine Angst vor der Polizei und Stasi haben brauchen. Wäre Gorbi nicht da gewesen hätte die Polizei alle Hemmungen lallen lassen und dann hätte es ein neues Peking gegeben. Eine starke und ehrliche Persönlichkeit. R I P

  20. 9.

    Rest in Peace, and thank you Mr Gorbatschow for your trust in the future of berlin.

Nächster Artikel