Selbsternannter "Volkslehrer" - Bewährungsstrafe für rechtsextremen Videoblogger Nerling

Fr 26.08.22 | 16:42 Uhr
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Der Videoblogger sowie selbsternannter "Volkslehrer" Nikolai N. mit einem nachgebildeten Thors Hammer aus Holz. (Quelle: Vladimir Menck/SULUPRESS.DE/dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.08.2022 | Juliane Kowollik | Bild: Vladimir Menck/dpa

Der ehemalige Grundschullehrer und Rechtsextremist Nikolai Nerling hat sich am Freitag in Berlin vor Gericht verantworten müssen. Unter anderem ging es um Beleidigung und Volksverhetzung. Das Urteil: neun Monate auf Bewährung.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat den rechtsextremen Videoblogger Nikolai Nerling zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Außerdem muss der 42-Jährige, der sich selbst "Volkslehrer" nennt, 3.000 Euro Geldbuße als Auflage an die Amadeu Antonio Stiftung zahlen. Diese engagiert sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Nerling sei "geschichtsrevisionistisch unterwegs", sagte Richter Stephan Markmiller. Er spiele mit Provokationen und national-völkischer Gesinnung "auf der Rasierklinge der Strafbarkeit" und teste Grenzen aus. Diese habe er in den vorliegenden Fällen überschritten. Außerdem musste er sich unter anderem wegen Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung verantworten.

Rechtsextremismus und Antisemitismus

Die Anklage warf Nerling, der sich selbst "Volkslehrer" nennt, unter anderem das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor. So soll er in einem Fall auf einem von ihm betriebenen Youtube-Kanal ein Interview veröffentlicht haben, in dem die rechtskräftig verurteilte Volksverhetzerin Ursula Haverbeck den Holocaust leugnete.

In einem anderen Fall habe er in einem Video einen Mann bewusst in seiner jüdischen Identität angreifen wollen, so die Anklage. Zudem habe er im Internet Bilder einer Person verbreitet, die den Hitlergruß zeige.

Ganze Liste von Vorwürfen

Eine Veranstaltung soll er durch laute Zwischenrufe gestört und eine Person verletzt haben. In diesem Zusammenhang wird dem 42-Jährigen Hausfriedensbruch und Körperverletzung vorgeworfen. Außerdem geht es um Beleidigung, Sachbeschädigung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.

Das Land Berlin hatte den Mann vor mehreren Jahren aus dem Dienst als Grundschullehrer entlassen, weil er auf seinem Youtube-Kanal rechtsextreme Positionen vertreten hatte.

Nerling hatte umfassend zu den Vorwürfen ausgesagt und sich zur "rechten Szene" bekannt. Sein Verteidiger hatte nur wenige Vorwürfe der Anklage bestätigt gesehen und auf eine Geldstrafe von 4.000 Euro (100 Tagessätze zu je 40 Euro) plädiert.

Mehr als ein Dutzend Anhänger waren zu der Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten gekommen, wo der Prozess unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen begonnen hatte. Der Richter wies sie vorsorglich darauf hin, dass er Meinungsäußerungen wie Klatschen nicht akzeptiere und dies Konsequenzen habe.

Sendung: Fritz, 26.08.2022, 07:00 Uhr

Korrekturhinweis: In einer vorherigung Fassung hieß es, dass Nerling zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Das Urteil ist jedoch neun Monate auf Bewährung. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

36 Kommentare

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  1. 36.

    Ich habe mir die Bilanz 2020 der Stiftung angesehen, und ich habe über Opferhilfe bei den Ausgaben nichts gefunden, aber ca. 3.800 000 für Personalkosten.

  2. 35.

    Zusammenfassung der Diskussion:
    Ich habe nicht im Ansatz etwas gegen die Verurteilung und auch nicht die im Urteil ausgesprochene Geldstrafe gegen einen Rechtsradikalen gesagt. Ich habe die für den Erhalt der Geldstrafe benannte Organisation hinterfragt. Das führt im Jahr 2022 dazu, von mehreren Diskutanten in die rechtsradikale oder Naziecke geschrieben zu werden.
    Die von anderen Diskutanten erwähnte Problematik u.a. der IM-Tätigkeit der langjährigen Leiterin dieser Organisation wurde als unproblematisch beurteilt. Das wiederum tut einem in der DDR Aufgewachsenen weh, aber ich bin schon groß und werde es überleben.
    Ich danke für die Diskussion, sie lief leider wie erwartet. Ein schönes Restwochenende noch.

  3. 34.

    Die alte Leier, wenn man keine Gegenargumente hat. Sie haben nämlich keine. Ich nenne immer Quellen wenn ich zitiere. Und da stehen Argumente und Fakten drin.

    "Welchem Zweck soll es eigentlich dienen, wenn ein Rechtsradikaler einer linksradikalen Organisation Geld als Strafe zahlen soll? "

    Das rechtsextreme Narrativ die AAS wäre linksradikal wurde da auch widerlegt. Ich könnte mir nat. de Mühe machen alle Belege einzeln herauszusuchen aber die fallen bei ihrem Weltbild eh nicht auf fruchtbaren Boden, sie hätten sofort eine neue Ausrede.

  4. 33.

    Nennt man Sühne Herr Torsten,
    im deutschen Strafrecht gibts die drei wichtigen Koordinaten bei einer verhängten Strafe: Sühne, Wiedergutmachung, Resozialisierung.
    Wobei der Sühne-Gedanke nicht mehr im Vordergrund steht.
    Weshalb Herr Nerling also nicht die Bordklos der Sea Watch putzen muss.
    Er muss halt eine der demokratischen Organisationen aktiver Zivigesellschaft mitfinanzieren, die sowohl präventiv als auch nachbereitend unterstützend für die Menschen arbeitet, die Opfer seiner national-völkischen Hassreden werden. Das ist dann die Wiedergutmachung. Der Täter-Opferausgleich. Der wiederum für die Einschätzung seiner möglichen Resozialisierung nicht unwichtig ist.
    Man darf bezweifeln, dass Herr Nerling resozialisierbar ist. Aber Demokraten, der Rechtsstaat hat halt Geduld mit dem, was Nerling sonst Völksschädling, Berufskriminelle nennt.

    Verstehe Ihren Einwand also nicht: Die Amadeu Antonio Stiftung hilft doch KONKRET Opfern national-völkischer Gewalt.

  5. 32.

    Wow, ein Wikipedia-Artikel als Argument? Nicht Ihr Ernst.
    Wenn wir jetzt auf so einer Ebene diskutieren sollen, dann gute Nacht.

  6. 31.

    Die Antwort gab es doch bereits in # 24: "Die Amadeu Antonio Stiftung ist nicht "linksradikal", außer für Rechtsradikale!"

    Die Amadeu Antonio Stiftung ist immer wieder Angriffen von Rechten und Rechtsextremisten ausgesetzt, insofern ist ihr Kommentar eindeutig zuzuordnen.

    "Im Januar 2016 lud das Bundesjustizministerium die Stiftung in eine Arbeitsgruppe ein, die Facebooks Initiative für Zivilcourage online beratend unterstützte. Seitdem greifen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten die Stiftung und einige ihrer Mitarbeiter verstärkt mit Diffamierungen, Hassrede, Drohungen und Gewaltaufrufen an. Häufige Angriffspunkte sind die frühere Tätigkeit der Stiftungsgründerin Anetta Kahane als IM bei der Stasi, ihre jüdische Herkunft und eine Stiftungsbroschüre zur Bekämpfung von Hasspostings gegen Flüchtlinge vom Juni 2016."

    https://de.wikipedia.org/wiki/Amadeu_Antonio_Stiftung#Angriffe_und_Vorw%C3%BCrfe_gegen_die_Stiftung

  7. 30.

    Was ist daran ein rechtsextremes Narrativ - die Dame hat doch sogar den Prozess verloren, der ihre Klage gegen diese Aussagen verhandelt hat?

  8. 29.

    Netter Versuch die rechtsextremen Narrative doch noch irgendwie unterzukriegen. Verdammt viele "neue" Namen heute hier seitdem es um Rechtsextremisten geht. Und immer das gleiche Spiel, derailing und whataboutism.

    https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/164929/narrative-und-gegen-narrative-im-prozess-von-radikalisierung-und-deradikalisierung/

  9. 28.

    Nun ist inzwischen ja jeder Altlinke, der nicht auf drei seine Meinungen dem aktuellen Ding des Tages anpasst, ja inzwischen rechts oder Nazi. Insofern trifft mich das jetzt nicht.

    Aber eine Antwort auf meine Frage wäre schön gewesen - warum geht das Geld denn nun an eine politische und mit vielen Steuergeldern gepamperte Organisation und nicht an eine, die in kleinerem Maßstab, aber dafür konkret Betroffenen hilft?

  10. 27.

    Ist doch in Ordnung, wo jetzt die Gründerin der Stiftung und die von 1974 bis 1982 tätige Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der DDR-Staatssicherheit nicht mehr dabei ist.

  11. 26.

    Amadeu Antonio Stiftung = linksradikale Organisation = fragwürdig politisch? Entweder haben Sie gar keine Ahnung oder aber Sie stellen hier offen Ihre Rechte Gesinnung zur Schau. Einfach mal informieren und nicht irgendwelchen rechten Mist nachplappern.

  12. 25.

    Zitat: "Da steht praktisch nichts, was er konkret gemacht hat . . ."

    Ähem, dort steht alles, was er konkret gemacht hat, "MK".

    • "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen"
    • "Interview veröffentlicht haben, in dem . . . Ursula Haverbeck den Holocaust leugnete"
    • "einen Mann bewusst in seiner jüdischen Identität angreifen"
    • "Bilder einer Person verbreitet, die den Hitlergruß zeige"
    • "eine Person verletzt"
    • "Hausfriedensbruch"
    • "Beleidigung, Sachbeschädigung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes"

  13. 24.

    Torsten:
    "Welchem Zweck soll es eigentlich dienen, wenn ein Rechtsradikaler einer linksradikalen Organisation Geld als Strafe zahlen soll?"

    Die Amadeu Antonio Stiftung ist nicht "linksradikal", außer für Rechtsradikale!

  14. 23.

    Was soll an der Amadeu Antonio Stiftung "politisch fragwürdig" sein? Nur weil sie Menschen mit rechter Gesinnung nicht passt?

  15. 22.

    Da steht praktisch nichts, was er konkret gemacht hat, sondern nur, wie das Gericht das alles bewertet hat. Ich denke, das ist es, was einige Vorposter kritisieren, und ich sehe das auch so.

  16. 21.

    Der Typ ist tatsächlich ein Irrlicht. Eine fast schon klassische Neo-Nazi-Biografie: angefangen mit dem Pseudo-Religösen-Blödsinn, die Pyramiden wurden von Außerirdischen gebaut, Ebola eine Erfindung der Pharmaindustrie, bis hin zur jüdischen Weltverschwörung. Natürlich dürfen die Illuminaten nicht fehlen. Illuminatus von Shea und Wilson las ich mit 18 und amüsierte mich köstlich. Offensichtlich sind die Mythen über diese Gruppierung weiter verbreitet als das was der Grundgedanke dieser "Organisation" tatsächlich war: Das Ende der Herrschaft von Menschen über Menschen. Da hat natürlich so ein handelsüblicher-Rechter-Wichtigtuer ein "amtliches" Problem mit. Volkserweckung durch solche mittelmäßig gebildeten Zeitgenossen bereiten mir immer ein zynisches Grinsen. Da kann die "völkische Intelligenz" nichts taugen, wenn die Latte so niedrig liegt (oder durchhängt).
    Also, in dem Sinne.
    Gezeichnet: Hagbard Celine

  17. 20.

    Welchem Zweck soll es eigentlich dienen, wenn ein Rechtsradikaler einer linksradikalen Organisation Geld als Strafe zahlen soll? Erniedrigung des einen in Verbindung mit Förderung der anderen? Hätte man nicht eine wirklich opferbezogene Organisation finden können statt einer fragwürdig politischen?

  18. 19.

    Bewährungstrafen bedeuten für solche Cretins einen Ritterschlag. Da hat der Staat in den 60ern bis in die 80er bei Mitgliedschaft in der DKP mit lebenslangen Berufsverbot reagiert. Ok, die oben genannte Person wird wohl in absehbarer Zeit keine Anstellung als Le(e)hrer bekommen. Eine weitere Person die ihre Frustrationen und Minderwertigkeitkomplexe durch braunes Gedankengut kompensiert. (Kennste enen, kennste alle!) Wenn ich diesen Blödsinn lese, was an national-völkischer-Gesinnung so schlimm sei, würde ich mit den Schreiberlingen gerne mal eine Limo trinken.
    Da fasst man sich an den Kopf und greift dann doch ins Leere. Bildung und Moral ist offensichtlich Glückssache.

  19. 18.

    Strafbar ist das, was ihm vorgeworfen wird: Das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. So soll er in einem Fall auf einem von ihm betriebenen Youtube-Kanal ein Interview veröffentlicht haben, in dem die rechtskräftig verurteilte Volksverhetzerin Ursula Haverbeck den Holocaust leugnete.

    In einem anderen Fall habe er in einem Video einen Mann bewusst in seiner jüdischen Identität angreifen wollen, so die Anklage. Zudem habe er im Internet Bilder einer Person verbreitet, die den Hitlergruß zeige.

  20. 17.

    Nein, die Gesinnung ist nicht strafbar. Das weiß Jablonski auch.

    Es ist eine typische Verteidigungslinie der Rechten, auf die eigentlichen (und in diesem Fall gerichtlich bestätigten) Taten nicht einzugehen, und sich an irgendwelchen Formulierungen aufzuhängen.

    Noch mal: Das Gericht hat entschieden, die Straftaten wurden begangen. Punkt.

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