Nachfolge für Neun-Euro-Ticket - Berliner Verkehrssenatorin Jarasch will "sozial gestaffeltes" Ticket ab 2023

Do 22.09.22 | 14:12 Uhr
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Symbolbild: Reisende stehen am 10.12.2015 auf dem Flughafen Schönefeld vor einem Fahrkartenautomaten der bvg. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Audio: rbb 88.8 | 22.09.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/Paul Zinken

Die Berliner Verkehrssenatorin hat das 29-Euro-Ticket gegen Kritik verteidigt. Gleichzeitig konkretisierte sie die Aussicht auf ein Anschlussticket. CDU-Fraktionschef Wegner sprach sich derweil für ein Jahresticket für einen Euro pro Tag aus.

In der Debatte um Entlastungen und günstige ÖPNV-Tickets hat Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (B'90/Die Grünen) das von der Koalition vorangetriebene 29-Euro-Ticket verteidigt.

Der rot-grün-rote Senat sei damit bundesweit vorangegangen und habe ein klares Signal für bezahlbare Mobilität gesetzt, sagte sie in der Debatte im Abgeordnetenhaus. Die Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket sei eine konkrete Hilfe für die Berlinerinnen und Berliner, so Jarasch.

"Wir entlasten die Menschen spürbar in ihrem Alltag, unkompliziert und schnell", sagte die Senatorin. "Man braucht dafür nicht mal ins Kundencenter." Das 29-Euro-Ticket lasse sich online bestellen und ausdrucken.

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) spricht im April im Berliner Abgeordnetenhaus (Quelle: dpa/Annette Riedl).
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) im Abgeordnetenhaus | Bild: dpa/Annette Riedl

Jarasch will "sozial gestaffeltes" Ticket ab 2023

Nötig sei aber ein dauerhaftes bezahlbares Ticket, erklärte die Senatorin mit Blick auf die zeitliche Begrenzung der 29-Euro-Lösung. Sie betonte: "Wenn das Nachfolgeticket im Januar nicht kommt, dann werden wir die Berlinerinnen und Berliner nicht mit Tariferhöhungen allein lassen."

Ohne sich auf ein Modell festzulegen, machte die Verkehrssenatorin deutlich, dass der Senat ein Anschlussticket ab dem 1. Januar weiter forcieren will. Dafür brauche es aber einen "Systemwechsel" und das Engagement des Bundes. "Wir wollen, dass dieses Ticket ein sozial gestaffeltes Ticket wird", sagte Jarasch im Abgeordnetenhaus. Darin sei sie sich mit der Regierenden Bürgermeisterin Giffey und den anderen Senatsmitgliedern einig.

Die Verhandlungen mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) über das 29-Euro-Ticket seien schwer gewesen, räumte Jarasch ein - "ein echter Parforceritt". Sie hätten sich aber gelohnt. Brandenburg und der VBB seien Berlin schließlich einen großen Schritt entgegengekommen. Mit dem Nachbarland sollen Verhandlungen über eine Tarifreform fortgesetzt werden, kündigte Jarasch an.

Wegner spricht sich für 365-Euro-Jahresticket aus

CDU-Fraktionschef Kai Wegner kritisierte den Senat derweil deutlich für die Einführung des Berliner 29-Euro-Tickets kritisiert. Das könne "doch nicht ernsthaft die Lösung für die Metropolregion sein", sagte Wegner in der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus am Donnerstag. Pendler aus dem Umland, Radfahrer und Autofahrer hätten nichts von dem Angebot, begründete er seine Kritik.

Archivbild: Kai Wegner, CDU-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, spricht am 23.06.2022 in der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Der Berliner CDU-Fraktionschef Kai Wegner im Abgeordnetenhaus. | Bild: dpa/Annette Riedl

Wegner bemängelte auch, dass es für das neue Jahr noch keine Anschlusslösung gebe. Das sei Politik nach dem "Prinzip Hoffnung". Wichtig seien langfristige Lösungen und solche für die gesamte Hauptstadtregion, kritisierte Wegner das Berliner Übergangsticket, das von Oktober bis Dezember nur im Bereich AB innerhalb Berlins genutzt werden kann.

Der Senat habe die Pendler dabei vollkommen vergessen. "Haben Sie sich mal Gedanken darüber gemacht, wie viele von denen jetzt ihr ABC-Abo kündigen, mit dem Auto in die Wohngebiete an den Stadtrand fahren, dort die Straßen zuparken und dann mit dem 29-Euro-Ticket zur Arbeit in die City fahren?" Auch den 200.000 Berlinerinnen und Berlinern, die in Brandenburg arbeiteten, mache der Senat mit dem Ticket kein Angebot.

Wegner sprach sich stattdessen für ein 365-Euro-Jahresticket aus. Ein ÖPNV-Angebot für einen Euro am Tag stehe im Wahlprogramm der CDU und sei auch eine Forderung der SPD. "Warum machen wir das nicht?", wandte sich Wegner an die größte Regierungsfraktion.

FDP attackiert rot-grün-rote Koalition

Der FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider erneuerte die Forderung, den Preis für das Sozialticket auf fünf Euro abzusenken. Das 29-Euro-Ticket sei ein "Lockangebot", das in die falsche Richtung gehe. "Die Berlinerinnen und Berliner, die sich große Sorgen um ihren Arbeitsplatz und ihre Energierechnung machen, schließen sicher kein ÖPNV-Jahresabo ab", sagte Reifschneider. Er sprach von einem teuren und wenig zielgenauen Berliner Alleingang, der zusätzlich den Verkehrsverbund schwäche.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Alexander Kaas Elias hob hervor, dass im Sommer mit dem Neun-Euro-Ticket ein neues Kapitel in der Verkehrspolitik aufgeschlagen worden sei. Kaas Elias sprach von einem "leuchtenden Beispiel für ökosoziale Politik". Ärmere Menschen hätten in der Regel kein Auto. Für sie sei das Ticket eine finanzielle Entlastung. Der Grünen-Politiker forderte für 2023 einen Tarif für alle. Dieser neue Fahrschein müsse ähnlich wie das 9-Euro-Ticket ein "Deutschlandtarif" sein.

29-Euro-Ticket-Nachfolge in Berlin (Quelle: rbb)

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.09.2022, 12:25 Uhr

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51 Kommentare

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  1. 51.

    Endlich mal was praktisches....... Zum Kauf eines Tickets bitte den beglaubigten Einkommensnachweis mitbringen!
    Warum geht das nicht wie in Wie, seit Jahren praktiziert, 1 € je Tag. Macht 365 € im Jahr und kommt dem 29 € Ticket am nächsten.

  2. 49.

    Wie soll das eigentlich mit dem sozial gestaffelten Ticket gehen, wenn man das mit dem Zwangsabo machen will.

    Es gibt Menschen die im Jahr ca. 8 Monate arbeiten und 4 Monate arbeitslos sind. Und das im Wechsel und nicht durchgehend.

    Macht wohl wieder deutlich. Weg vom ABO, was sowieso im Prinzip eine miese Nummer ist. Was damit gemeint ist, weiß jeder wenn man Schuldenfalle sagt.

  3. 48.

    Dieses hin und her ,geht einen langsam auf die Nerven. Was sind wir nur für ein Land ? Für alle Länder gibt es Geld , nur für uns deutsche nicht! In Österreich gibt es schon lange das 325 € Ticket, die Renten sind gut angepasst und es gibt ein 13 Rente zu Weihnachten . Deutschland ! Wie armselig.

  4. 47.

    Weil die Mittelschicht schon immer gemolken wurde und weiter gemolken wird.
    Leider sieht die Politik das nicht. Schade für diese Schicht. Arbeiten um die Kosten decken zu können und nichts mehr übrig bleibt.

  5. 46.

    Frau Jarasch und was ist mit der Unterstützung der Autofahrer/in bei den hohen Benzinpreisen.

  6. 45.

    Welche "mickrige Steuer" meinen sie denn? Neben der reinen Kfz-Steuer bezahlt jeder Autofahrer auch noch beim Sprit Steuern! Aktuell - Stand 19.09.2022 - entfällt bei einem Preis von rund 1,74 Euro pro Liter Super E10 circa 37 Prozent auf Steuern und Abgaben. Absolut summieren sich Mehrwertsteuer, Energie- oder Mineralöl- (Ökosteuer) und der Beitrag an den Erdölbevorratungsverband (EBV) auf insgesamt rund 63,9 Cent je Liter Ottokraftstoff. Radfahrer hingegen möchten die Straßen umsonst und sind noch nicht einmal bereit, ihr Fahrrad Haftpflicht zu versichern ...

  7. 43.

    Für ein Auto muss man auch Steuer und Versicherung für einen Zeitraum zahlen und nicht pro Tag.
    Ein Monats- oder sogar Jahrespreis deckt dann eben die Bereitstellung des Angebots ab. Busse und Bahnen fahren ja täglich nicht nur wenn ein Gelegenheitsnutzer sie braucht. Ausserdem sollen die hier wohnenden was von dem Angebot haben, nicht Touristen.

  8. 42.

    Momo, warum bleiben wir nicht gleich alle zuhause und verweigern die Arbeit? Aber wer zahlt das dann wenn immer weniger arbeiten?
    Ach ich vergaß, der rotgrünrote Senat mit seiner Gießkanne.

  9. 41.

    Die einzige soziale Staffelung die wir aktuell haben ist Grundsicherung oder keine Grundsicherung. Jetzt nochmal die Frage: wie soll das (weiter) gestaffelt werden? Außerdem muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wie Grundsicherungsempfänger ihr Sozialticket erhalten (muss der Bescheid vorgezeigt?). Ist mir gerade auch egal....
    Du hast Grundsicherungsempfänger, Leute die mit 5€ drüber liegen, die gute Mitte und Reiche (ne ganz simple Aufteilung). Wie willst du das umsetzen? Bekommen Leute mit Kindern mehr? Ich find's absolut nicht klar, aber gut wenn eine durchblickt ;)

  10. 40.

    NEIN … Hier NICHT sozial gestaffelt … Warum soll die (angeblich ja sooo ausreichend verdienende) Mittel- oder Oberschicht denn hier wieder ausgeklammert werden ?! … Warum soll man denen nicht auch die Möglichkeit geben bei der Mobilität etwas zu sparen ? … Wer soll denn sonst noch konsumieren ?! … Und wer zahlt denn das hier gewünschte Sozial-Ticket ?! … Ja, auch DER will dann vielleicht mal etwas davon abhaben, von dem was er mitbezahlt … Denn, den (ungeschriebenen) sozialen Gesellschaftsvertrag haben bei uns alle unterschrieben ... ALLE !

  11. 39.

    Ich will das 1-Euro-24-Stunden-VBB-Ticket … Im Ernst … Wer es jeden Tag kauft, hat dann ein 365-Euro-Ticket … Extrem niederschwellig … Keine Stigmatisierung … Keine Offenbarung der finanziellen Verhältnisse beim Vorzeigen … Fair und einfach … Brauchbar für jeden Bürger, jederzeit verfügbar ... Echte Entlastung … Echte (Sponatn-)Alternative zum Auto.

  12. 38.

    Egoist nicht jeder wohnt fast um die Ecke von seinem Arbeitsplatz

  13. 37.

    Fr. J. will, fordert, möchte...... *gääähn* Die soll mal mit wirklichen und durchdachten Dingen aufwarten und nicht ständig diese Traumwolkenschlösser eines zugezogenen Weltverschlimmbesserers ablassen. Es langweilt.

  14. 36.

    Sozial gestaffelt heißt dann hoffentlich, dass alle mit weniger als 50k brutto im Jahr kostenlos fahren. Alles andere ist ein schlechter Witz!

  15. 35.

    Also über die Ästhetik hässlicher Lastenradelterntaxis lässt sich auch vortrefflich streiten. An denen komme ich mit meinem Rad nicht so einfach vorbei, während deren Lenker/innen/Sternchen sich anmaßen, die ganze Breite vorhandener Wege zu nutzen. Und ein durchschnittliches Auto verbraucht 6qm, also mal fein bei der Wahrheit bleiben. Als Radler fordere ich auch eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder und für die Radler/innen/* einen verkehrsrechtlichen Prüfungsnachweis, wie etwa auch für Mofas gefordert.

  16. 34.

    Ich will das 1-Euro-24-Stunden-VBB-Ticket … Im Ernst … Wer es jeden Tag kauft, hat dann ein 365-Euro-Ticket … Extrem niederschwellig … Keine Stigmatisierung … Fair und einfach … Brauchbar für jeden Bürger, jederzeit ... Echte Entlastung … Echte (Sponatn-)Alternative … Echter Klimaschutz.

  17. 32.

    Yepp, aber nur einen extrem kleinen Bruchteil der unmittelbaren und mittelbaren Kosten. Von der Einschränkung der Lebensqualität für alle anderen Beeinträchtigten mal ganz abzusehen...

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