BerlinTrend | Analyse - Voll im Bundestrend

Mi 21.09.22 | 18:01 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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v.l. Franziska Giffey SPD, Bettina Jarasch B90/Die Grünen, Katina Schubert Die Linke (Bild: imago images/Reuhl)
Audio: rbb24 | 21.09.22 | Christoph Reinhardt | Bild: www.imago-images.de

Die Grünen bleiben die stärkste Partei in Berlin, ganz knapp vor der CDU. Die SPD mit ihrer Regierenden Bürgermeisterin rutscht in der Wählergunst weiter ab. Auch wenn das dem Bundestrend entspricht, muss Rot-grün-rot vor allem sich selbst fürchten. Von Christoph Reinhardt

Für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sind die aktuellen Zahlen sicher höchst unangenehm. Mit viel Sendungsbewusstsein und maximaler Präsenz hat sie seit ihrem Amtsantritt für ein positives Bild der Senatsarbeit gekämpft. Aber auch ein Jahr nach den Wahlen ist die Botschaft nicht angekommen. Im Gegenteil.

Waren im März noch 40 Prozent mit ihrer persönlichen Arbeit zufrieden, sind es jetzt nur noch 31 Prozent. Genauso niedrig liegt die Zufriedenheit der Wahlberechtigten mit dem Senat als Ganzem - und es spricht alles dafür, dass vor allem Giffeys SPD die Koalition nach unten zieht.

Der BerlinTrend in Grafiken

Verblüffend resistente Linke

Würde am kommenden Sonntag das Abgeordnetenhaus gewählt, kämen die Berliner Sozialdemokraten nur noch auf 17 Prozent (-3). Während die Berliner Linken sich verblüffend resistent gegen die Querelen ihrer Bundespartei zeigen und ihre 12 Prozent vom März verteidigen, bauen die Grünen die Führung im linken Lager weiter aus: 22 Prozent (+1) sind nicht nur koalitionsintern eine Ansage an den Führungsanspruch der SPD, sondern reichen auch aus, um die CDU mit 21 Prozent (+1) ganz knapp auf Abstand zu halten.

Allerdings: Was aus der kurzfristigen Perspektive wie ein brutaler Absturz der SPD wirken könnte, sieht aus etwas größerem Abstand betrachtet eher aus wie der Berliner Normalzustand. 15, 16 oder 17 Prozent waren für die Berliner SPD unter rot-rot-grün ganz normale Umfragewerte, und für die Grünen waren 22 Prozent kein Grund zum Jubeln. Bis sich im Sommer 2021 die Großwetterlage plötzlich drehte und der Bundestrend auch die Berliner Umfrageergebnisse durcheinanderrüttelte.

Berliner Werte steigen und fallen mit dem Bundestrend

Ein Jahr nach dem plötzlichen Höhenflug des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wirkt der späte Triumph Franziska Giffeys am Wahlabend ähnlich unwirklich wie zuvor der Absturz der Grünen Annalena Baerbock im Wahlkampf und dem Einbruch der Berliner Grünen. Und jetzt? Hat sich der Bundestrend wieder komplett gedreht, und die Berliner Umfragewerte drehen sich mit.

Seit dem letzten BerlinTrend im März sind die Grünen im Bund um vier Prozentpunkte nach oben geklettert. Die Bundes-SPD hat acht Punkte verloren. Daran gemessen sind Giffeys Verluste noch milde, und für die Berliner Grünen ist der erste Platz kein Grund zu Selbstzufriedenheit.

Denn so bitter es für die Berliner Akteure auch sein mag: Dem Bundestrend ist es egal, ob die Giffey-SPD das 29-Euro-Ticket durchsetzt oder die Jarasch-Grünen die Verkehrswende vorantreiben. Solange die Außenministerin eine gute Figur macht und sich der Kanzler bei Waffenlieferungen nicht festlegen will, steigen und fallen auch die Berliner Umfrageergebnisse.

CDU kommt nicht an den Grünen vorbei

Mit ein paar regionalen Besonderheiten, die vor allem die drei parlamentarischen Oppositionsparteien treffen. Wer nach dem schwachen Abschneiden der Berliner AfD bei den letzten Wahlen auf den weiteren Niedergang gehofft hatte, sieht sich getäuscht. Für die AfD bleibt die Metropole Berlin ein hartes Pflaster.

Sie kann den Rückenwind des Bundestrends nicht voll mitnehmen, wird sich aber mit zehn Prozent (plus zwei) trotzdem als Gewinner fühlen. Auch die FDP ist in Berlin traditionell schwächer als im Bund - der Verlust von zwei Prozentpunkten seit März führt in Berlin schnell auf den Weg unter die Fünf-Prozent-Hürde, trotz guter Performance im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Berliner CDU kommt trotz des Bundes-Hochs nicht an den Grünen vorbei. Dafür bleibt die CDU im Osten zu schwach, während die Grünen den Abstand zwischen Ost- und West zuletzt Stück für Stück verkleinern konnten.

Die Linke hat dagegen ihren Bonus im Ostteil aufgebraucht und liegt in der einstigen Hochburg im Parteienranking nur noch auf Platz vier. Weniger als den Bundestrend muss die Berliner Linke die Entfremdung von ihren eigenen Anhängern fürchten. Zwar regiert die Linke im Senat, aber ihre Parteianhänger gehen nicht mehr mit: Zwei Drittel von ihnen sind unzufrieden mit dem Senat, gerade mal ein Drittel ist zufrieden - so fühlt sich eigentlich Opposition an.

Frontfrau wird wohl in Frage gestellt werden müssen

So lange das rot-grün-rote Bündnis das aushält, hat es nicht viel zu befürchten. Zwar stehen nur magere 51 Prozent der Wahlberechtigten hinter der Landesregierung. Aber die Opposition ist mit 37 Prozent noch weiter abgeschlagen. Die größte Gefahr für den rot-grün-roten Senat kommt von innen: Wenn die Grünen ihren Führungsanspruch festigen wollen, müssen sie früher oder später die Dominanz der Regierenden Bürgermeisterin angreifen – das ist riskant, denn die Grünen-Führungsriege ist in der "Abteilung Attacke" schwach aufgestellt.

Auch die Linken müssen sich dringend profilieren, wenn sie nicht ihre Anhänger verlieren wollen - oder dürfen zumindest nicht den richtigen Moment zum Absprung verpassen. Für die Berliner SPD ist die Schonzeit nach einem vergleichsweise harmonischen Jahr nun vorbei. Wie lange der Burgfrieden in der Partei noch hält, wird man sehen - 17 Prozent sind jedenfalls ein mehr als ausreichender Grund, um auch die Frontfrau wieder in Frage zu stellen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 21. September 2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

24 Kommentare

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  1. 24.

    Giffey wird abgestraft, Jarrasch nicht?

  2. 23.

    man kann es nicht wegmaulen, GRÜN macht trotz alledem die beste Politik - kenne übrigens sehr viele Grünwähler/innen, zähle mich dazu.

  3. 22.

    Genauso ist es bei mir auch , ich kenne nicht einen Menschen der die Grünen wählt und das ist auch gut so .

  4. 21.

    ich komme aus einer klassischer Arbeiterfamilie und bei uns wird seit 100 Jahren über alle Systeme hinweg straight die Linkspartei gewählt. Aber bzgl. SPD und Grünen stimme ich Ihnen zu. Zwei Parteien von Geisteswissenschaftlern für Geisteswissenschaftler, damit Geisteswissenschaftler wenigstens auf Kosten der Steuerzahler sowas wie Karriere machen können. Aber mit den schönen Künsten ist eben kein ordentlicher Staat zu machen, wie wir ja an "Unternehmen ohne Produktionsbetrieb gehen nicht insolvent"-Habeck sehen.

  5. 20.

    1170 Menschen wurden befragt,die meisten wohl in Friedrichshain/Kreuzberg.
    Dann haut das mit dem Ergebnis hin.Diese Art von Umfrage lehne ich ab,weil sie derzeit nicht das wiederspiegelt was die Menschen wirklich über die Grünen denken.Ich bin Taxifahrer,und habe ein anderes Bild.

  6. 19.

    Moin, Wählerschaft der gut situierten Gentrifizierer wählen solch einen Senat zusammen.

  7. 18.

    "Solange die Außenministerin eine gute Figur macht......"
    Na klar, und erst der Bundeswirtschaftsminister.......
    Warten wir mal ab wie der Bundestrend nach dem Winter aussieht, ich denke mal da werden einige Veränderungen eintreten.

  8. 17.

    Es wäre fürchterlich wenn sich das bewahrheiten würde.
    Ich kanns mir auch nicht vorstellen nach diesen ganzen Fehlentscheidungen.

  9. 16.

    Fast so als würde die Masse verstehen, dass nicht die Grünen an den Preissteigerungen schuld sind.

  10. 15.

    Was haben die Grünen damit zu tun? Erklären Sie!
    An alles und jedem ist immer die Politik schuld. Is klar und schön einfach.
    Wie sehr beteiligen Sie sich am politischen geschehen? Wo bringen Sie sich ein?

  11. 14.

    Sie kennen die gesamte Republik?
    Alle? Wirklich ALLE? Wenn hier einer lügt (um Ihre Ausdrucksweise zu benutzen), dann wohl Sie!
    Von seiner eigenen Filterblase auf die gesamte Republik zu schließen, ist schon sehr riskant, völlig daneben zu liegen.

  12. 13.

    Was für ein Bundestrend soll das sein ??? Im Bund liegt die CDU klar vor den Grünen, die in allen Umfragen permanent verlieren.

  13. 11.

    Voll im Bundestrend - Lüge! Alle hassen diese Clique. Ich kenne keinen der arbeitet, der auch nur im Ansatz diese Schmarotzer leiden kann!

  14. 10.

    Foto: Le trio infernal.
    Und GeRrit/ImManuel heißt jetzt Horst?

  15. 9.

    "Seit..März..Grünen im Bund um vier Prozentpunkte nach oben geklettert" - Macht Euch keine Sorgen, in etwa 4 Wochen sind sie wieder dort...

  16. 8.

    Mario, inwiefern verursaen die Grünen die Preissteigerungen? Die aktuellen sind wohl v. a. durch die russische Invasion und Regierung verursacht. Falls sie an die Gasumlage denken, diese Idee kam von der SPD, weil Lindner die grüne Idee, die Gaskonzerne aus dem Haushalt zu stützen, ablehnte. Ach, und Klimaachutz oder Artenschutz kostet zu viel? Schauen Sie mal ins Ahrtal, in die Oder oder nach Pakistan oder all die Länder, und Gegenden, wo es im Sommer brandte.

  17. 7.

    "Vielleicht sollte man mal versuchen im Sinne der Bürger zu denken und zu handeln, unabhängig von den Vorgaben des Parteiprogramms."

    Wozu dann noch Parteien, Politiker, Programme und Wählen?!

  18. 6.

    Wen wundert das Ergebnis. Jedes Mitglied der Regierung verbreitet die Parolen der eigenen Partei. Vielleicht sollte man mal versuchen im Sinne der Bürger zu denken und zu handeln, unabhängig von den Vorgaben des Parteiprogramms. Es ist unfassbar das man jede Antwort kennt, unabhängig von der Person, man muss nur wissen von welcher Partei der
    Politiker ist. Schade eigentlich.

  19. 5.

    Frau Giffey wird von der Politik der Grünen manipuliert. So ist das eben wenn man eine Koalition eingehen muss.

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