Treffen von Senat und Kabinett - Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
Die Regierungen von Berlin und Brandenburg treffen sich am Dienstag zur gemeinsamen Sitzung. Verbindende Themen gibt es viele. Das Klima war zuletzt aber geprägt von Alleingängen. Gehen die Länder künftig mehr getrennte Wege? Von Torsten Sydow
Mit einem Lächeln in die Kameras und Scherzen beim Auftakt der gemeinsamen Sitzung von Berliner Senat und Brandenburger Kabinett am Dienstag werden die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) nicht überdecken können, dass es zwischen den Nachbarländern nicht gut läuft. "Das hat keinen Stil", schimpfte ein Minister der Brandenburger Landesregierung kürzlich über den Alleingang des Senats, das 29-Euro-Ticket nur für Berlin einzuführen. Gespräche mit Brandenburg über ein gemeinsames Neun-Euro-Nachfolge-Ticket habe es nicht gegeben. Die Nöte der Brandenburger, zunächst fernab von Berlin den Busverkehr zwischen Dörfern und Kreisstädten abzusichern und erst danach über ein Nahverkehrsticket für beide Länder zu verhandeln, das war für den Senat weit weg.
Man müsse lernen, sich "gegenseitig etwas zu gönnen", hatte die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zum Ticketstreit erklärt. Ein paar Wochen vorher schon hatte der Senat ein Koalitionsversprechen eingelöst und einen Staatsvertrag gekündigt - ausgerechnet bei der gemeinsamen Bildungspolitik, auf die die Länder bislang immer stolz schienen. Ab 2025 will Berlin seine Lehrkräfte nicht mehr am gemeinsamen Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) fortbilden, sondern sein eigenes Ding machen.
Euphorie verschwunden
Dabei hatten die politisch Verantwortlichen jahrelang betont, wie beispielhaft Brandenburg und Berlin durch Staatsverträge, eine gemeinsame Landesplanung und gemeinsame Obergerichte verbunden und damit Vorbilder für andere Bundesländer seien. Mit dem Antritt von Franziska Giffey im Roten Rathaus - einer gebürtigen Brandenburgerin - waren Hoffnungen auf einen neuen Schub in den Beziehungen zwischen Berlin und Brandenburg verbunden. Ministerpräsident Dietmar Woidke fuhr sogar zu ihrer Vereidigung nach Berlin.
Aber von der Euphorie des ersten Treffens mit Woidke im Januar ist wenig übriggeblieben. Der Eindruck verstärkt sich, dass konkrete und abrechenbare Verbesserungen für die mehr als sechs Millionen Menschen in Brandenburg und Berlin nicht vornan stehen auf der Agenda beider Landesregierungen. Mal abgesehen von einigen besseren Regionalexpress-Ageboten mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember.
Die Ursache dafür, dass beide Landesregierungen so unter ihren Möglichkeiten bleiben, könnte darin liegen, dass sich Rot-Grün-Rot in Berlin andere politische Prioritäten gesetzt hat als Rot-Schwarz-Grün in Brandenburg. Auch die Zuschnitte der Ressorts in Senat und Landesregierung sind teils unterschiedlich. Es wirkt so, als denke jeder zunächst nur an sein Bundesland.
Keine gemeinsamen Strategien bei Energie, Verkehr und Wasserversorgung
Dabei ist die Problemliste für Brandenburg und Berlin lang. Die steigenden Energiepreise sind ein täglich brisanter werdendes Thema für die Menschen in beiden Ländern und für tausende Unternehmer. Was fehlt, ist beispielsweise eine gemeinsame Energiestrategie. In Brandenburg stehen bereits rund 4.000 Windräder und noch leistungsfähigere Windkraftanlagen und Solarfelder sollen montiert werden. Vom Ökostrom würde auch Berlin profitieren, das spätestens ab 2030 keine Steinkohle mehr in Kraftwerken verfeuern will.
Die vergangenen Sommer haben deutlich gemacht, wie wichtig eine sichere Wasserversorgung in beiden Ländern ist. Für die Verbraucher, für die aus Brandenburg nach Berlin fließende Spree, für die Industrie, für neue Investitionen. Aber noch liegt kein gemeinsamer Wassermanagement-Plan vor. Auch in Sachen Mobilität haben beide Länder viele Aufgaben zu erledigen.
Noch immer drängen sich Zehntausende Arbeitspendler in Regionalbahnzügen oder stehen beim Weg zur und von der Arbeit im Stau. Abhilfe ist kaum in Sicht. Der Bau der Stammbahn nach Stahnsdorf ist bislang nicht mehr als eine Absichtsbekundung. Man warte noch auf Finanzmittel des Bundes.
Risikofaktor Neuwahl
Zur Top-Region in Europa könne Berlin-Brandenburg entwickelt werden, wenn beide Länder zusammenarbeiten, sagte Franziska Giffey nach der gemeinsamen Kabinettssitzung im März in Frankfurt (Oder). Selbst wenn es kleinere Erfolge auf diesem Weg geben soll, müssen Senat und Landesregierung schnell Eitelkeiten ablegen und nicht nur ankündigen, sondern liefern.
Möglicherweise kann dieser Senat aber nicht mehr liefern. Nicht weil er nicht will, sondern weil das Berliner Landesverfassungsgericht im November eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl verfügen könnte. Dann hätte Berlin im Februar erneut die Wahl. Die zuletzt holprige Zusammenarbeit der Länder würde das kaum einfacher machen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2022, 7:00 Uhr