Treffen von Senat und Kabinett - Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Di 11.10.22 | 05:59 Uhr | Von Torsten Sydow
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Franziska Giffey (SPD, l-r),und Dietmar Woidke (SPD) (Quelle: dpa/Gregor Fischer)
Audio: rbb 88.8 | 11.10.2022 | Michael Ernst | Bild: dpa/Gregor Fischer

Die Regierungen von Berlin und Brandenburg treffen sich am Dienstag zur gemeinsamen Sitzung. Verbindende Themen gibt es viele. Das Klima war zuletzt aber geprägt von Alleingängen. Gehen die Länder künftig mehr getrennte Wege? Von Torsten Sydow

Mit einem Lächeln in die Kameras und Scherzen beim Auftakt der gemeinsamen Sitzung von Berliner Senat und Brandenburger Kabinett am Dienstag werden die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) nicht überdecken können, dass es zwischen den Nachbarländern nicht gut läuft. "Das hat keinen Stil", schimpfte ein Minister der Brandenburger Landesregierung kürzlich über den Alleingang des Senats, das 29-Euro-Ticket nur für Berlin einzuführen. Gespräche mit Brandenburg über ein gemeinsames Neun-Euro-Nachfolge-Ticket habe es nicht gegeben. Die Nöte der Brandenburger, zunächst fernab von Berlin den Busverkehr zwischen Dörfern und Kreisstädten abzusichern und erst danach über ein Nahverkehrsticket für beide Länder zu verhandeln, das war für den Senat weit weg.

Man müsse lernen, sich "gegenseitig etwas zu gönnen", hatte die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zum Ticketstreit erklärt. Ein paar Wochen vorher schon hatte der Senat ein Koalitionsversprechen eingelöst und einen Staatsvertrag gekündigt - ausgerechnet bei der gemeinsamen Bildungspolitik, auf die die Länder bislang immer stolz schienen. Ab 2025 will Berlin seine Lehrkräfte nicht mehr am gemeinsamen Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) fortbilden, sondern sein eigenes Ding machen.

Euphorie verschwunden

Dabei hatten die politisch Verantwortlichen jahrelang betont, wie beispielhaft Brandenburg und Berlin durch Staatsverträge, eine gemeinsame Landesplanung und gemeinsame Obergerichte verbunden und damit Vorbilder für andere Bundesländer seien. Mit dem Antritt von Franziska Giffey im Roten Rathaus - einer gebürtigen Brandenburgerin - waren Hoffnungen auf einen neuen Schub in den Beziehungen zwischen Berlin und Brandenburg verbunden. Ministerpräsident Dietmar Woidke fuhr sogar zu ihrer Vereidigung nach Berlin.

Aber von der Euphorie des ersten Treffens mit Woidke im Januar ist wenig übriggeblieben. Der Eindruck verstärkt sich, dass konkrete und abrechenbare Verbesserungen für die mehr als sechs Millionen Menschen in Brandenburg und Berlin nicht vornan stehen auf der Agenda beider Landesregierungen. Mal abgesehen von einigen besseren Regionalexpress-Ageboten mit dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember.

Die Ursache dafür, dass beide Landesregierungen so unter ihren Möglichkeiten bleiben, könnte darin liegen, dass sich Rot-Grün-Rot in Berlin andere politische Prioritäten gesetzt hat als Rot-Schwarz-Grün in Brandenburg. Auch die Zuschnitte der Ressorts in Senat und Landesregierung sind teils unterschiedlich. Es wirkt so, als denke jeder zunächst nur an sein Bundesland.

Keine gemeinsamen Strategien bei Energie, Verkehr und Wasserversorgung

Dabei ist die Problemliste für Brandenburg und Berlin lang. Die steigenden Energiepreise sind ein täglich brisanter werdendes Thema für die Menschen in beiden Ländern und für tausende Unternehmer. Was fehlt, ist beispielsweise eine gemeinsame Energiestrategie. In Brandenburg stehen bereits rund 4.000 Windräder und noch leistungsfähigere Windkraftanlagen und Solarfelder sollen montiert werden. Vom Ökostrom würde auch Berlin profitieren, das spätestens ab 2030 keine Steinkohle mehr in Kraftwerken verfeuern will.

Die vergangenen Sommer haben deutlich gemacht, wie wichtig eine sichere Wasserversorgung in beiden Ländern ist. Für die Verbraucher, für die aus Brandenburg nach Berlin fließende Spree, für die Industrie, für neue Investitionen. Aber noch liegt kein gemeinsamer Wassermanagement-Plan vor. Auch in Sachen Mobilität haben beide Länder viele Aufgaben zu erledigen.

Noch immer drängen sich Zehntausende Arbeitspendler in Regionalbahnzügen oder stehen beim Weg zur und von der Arbeit im Stau. Abhilfe ist kaum in Sicht. Der Bau der Stammbahn nach Stahnsdorf ist bislang nicht mehr als eine Absichtsbekundung. Man warte noch auf Finanzmittel des Bundes.

Risikofaktor Neuwahl

Zur Top-Region in Europa könne Berlin-Brandenburg entwickelt werden, wenn beide Länder zusammenarbeiten, sagte Franziska Giffey nach der gemeinsamen Kabinettssitzung im März in Frankfurt (Oder). Selbst wenn es kleinere Erfolge auf diesem Weg geben soll, müssen Senat und Landesregierung schnell Eitelkeiten ablegen und nicht nur ankündigen, sondern liefern.

Möglicherweise kann dieser Senat aber nicht mehr liefern. Nicht weil er nicht will, sondern weil das Berliner Landesverfassungsgericht im November eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl verfügen könnte. Dann hätte Berlin im Februar erneut die Wahl. Die zuletzt holprige Zusammenarbeit der Länder würde das kaum einfacher machen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2022, 7:00 Uhr

Beitrag von Torsten Sydow

29 Kommentare

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  1. 29.

    Auch nicht schlecht, BRB und MVP müßten sich doch verstehen von den Problemen. Dann aber die Bundeshauptstadt nicht mehr als Bundesland sondern als extra Gebiet, nur dem Bund unterstellt.

  2. 28.

    Ja, da haben Sie LEIDER recht.
    Die Berliner RGR Koalition hat - außer unsere Steuergelder zu verschwenden - für Berlin nicht viel getan.
    HOFFENTLICH GIBT'S NEUWAHLEN

  3. 26.

    Da stimme ich Ihnen zu 100 Prozent zu.
    Brandenburg überfordert seine Steuerzahler nicht mit Ausgaben, die nicht unbedingt vonnöten sind.
    Aber darin ist ja der Berliner Senat SPITZE !!
    Nur für wichtige Dinge ist dann kein Geld mehr da und man schreit nach dem BUND z.B. die Renovierung der Schulen und vieles andere mehr.

  4. 25.

    Brandenburg sollte mit Mecklenburg-Vorpommern ein neues Nordostland bilden und Berlin bleibt als Hauptstadt-Metropole selbstständig. Beide Seiten hätten dann auch etwa gleich viele Einwohner. Aber die Strukturen und Probleme in Berlin unterscheiden sich doch sehr von den Flächenländern.

  5. 24.

    Es sollte eigentlich ein Gedankenanstoß sein, warum Berlin nicht wieder Brandenburg beitritt, wie es ja schon einmal war - ich denke, es wäre sinnvoller, würde aber Wert darauf legen, daß es ein Beitritt zu Brandenburg ist und kein Zusammenschluß (also alle Regierungsstellen von Berlin würden aufgelöst und nur die reine Verwaltungsebene in das Brandenburger Verwaltungssystem eingegliedert und Berlin wäre dann kreisfreie Stadt im Land Brandenburg - bis auf die komplett verschwindende politische Führungsebene Senat würde sich kaum was ändern in Berlin).

  6. 23.

    Ja, früher war ein Kaiser da, heute zwei Bundesländer - und das ist gut so - um mal bei der SPD zu bleiben.

  7. 22.

    Da haben Sie völlig recht, der Berliner Senat hat selbstherrlich auf Kosten der Steuerzahler ohne Bedenken z.B. das 29-Euro-Ticket eingeführt.
    Von Brandenburg fand ich es gut, dass deren Politiker die Steuerzahler verschont haben.

  8. 21.

    "NEIN! C-Bereich sind alle Gemeinden, die unmittelbar an Berlin grenzen - egal, ob mit oder ohne S-Bahnanschluss."
    Wo kann man mit einer C-Fahrkarte im Umland von Berlin losgelöst vom BVG(S-Bahn)-Kern-Verkehrs fahren?

    "Es gibt immer "Tarifbrüche" an Tarifgrenzen! Nach Ihrem Vorschlag sind die dann nur woanders - ebend dann an der Grenze C zu Restbrandenburg!"
    Richtig, es exitiert immer eine länderspezifische tarifliche Grenzbruchstelle . Aber es macht keinen Sinn die genau durch das BVG-Kern-Verkehrsnetz zu ziehen. Wer mit einem Nahverkehrsmittel fährt, welches ursprünglich dem Berliner Kernnetz angeschlossen ist, sollte entsprechend tariflich so behandelt werden, als führe er auch in Berlin.

  9. 20.

    Thomas:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 11.10.2022 um 13:21
    Der C-Teil ist die nicht mehr zu Berlin aber trotzdem mit der S-Bahn erreichbare brandenburgische Zone."

    NEIN! C-Bereich sind alle Gemeinden, die unmittelbar an Berlin grenzen - egal, ob mit oder ohne S-Bahnanschluss.

    Thomas:
    "Ich fordere, dass die Zone C in B formal integriert wird und Brandenburg notfalls den anteiligen Ausgleich für Berlin übernimmt."

    Tja, dann fordern Sie mal!
    Aber Ihenn ist hoffentlichn schon bewußt, dass Berlin und Brandenburg zwei unterschiedliche Bundesländer sind und beide sich im VBB nur einvernehmlich einigen können oder jedes Bundesland macht seines!

    Thomas:
    "Warum? Damit es keine sinnlosen und völlig abgehobenen Tarifbrüche im "grenzüberaschreitenden" Nahverkehr mehr gibt."

    Es gibt immer "Tarifbrüche" an Tarifgrenzen! Nach Ihrem Vorschlag sind die dann nur woanders - ebend dann an der Grenze C zu Restbrandenburg!

  10. 19.

    Ob nun vernünftig oder nicht ist ja Ansichtssache und Brandenburg kann ja autonom über seinen innerländlichen Nahverkehr entscheiden, wie es will. Aber der C-Bereich ist ja nicht der Nahverkehr in Brandenburg, sondern der vermaledeite Umgang aus der historischen Nahverkehrstopologie der S-Bahn-Linien.
    Die Randbewohner die ich kenne, würden sich jedenfalls sehr über eine Abschaffung der BC-Zonengrenze und Angliederung an den Berliner B-Tarif freuen und das wäre auch ohne weiteres möglich, denn die paar C-Stationen werden die BVG nicht ärmer machen, aber viele Randbewohner mit direktem Zugang zur BVG richtig entlasten.

  11. 18.

    Ich bin zwar Berliner aber ich kann Brandenburg auch verstehen, dass sie sich zurückhalten.
    Denn Berlin trifft Entscheidungen wie das 29-Euro-Ticket auf Kosten der Steuerzahler, welches OHNE ABSPRACHE mit Brandenburg einfach eingeführt wurde.
    Brandenburg hat diese enormen Kosten seinen Steuerzahlern nicht zugemutet, das finde ich sehr VERNÜNFTIG.

  12. 16.

    Der C-Teil ist die nicht mehr zu Berlin aber trotzdem mit der S-Bahn erreichbare brandenburgische Zone.
    Z.B. die Stadt Erkner hat einen S-Bahnanschluss außerhalb Berlins und liegt damit in der Zone C. Gleiches gilt für die Buslin ie 161, die erstreckt sich zwischen Erkner bis Schöneiche, beides Randberlin.
    Ich fordere, dass die Zone C in B formal integriert wird und Brandenburg notfalls den anteiligen Ausgleich für Berlin übernimmt.
    Warum? Damit es keine sinnlosen und völlig abgehobenen Tarifbrüche im "grenzüberaschreitenden" Nahverkehr mehr gibt. Berliner Maßnahmen im Zuge des ÖPNV allen Teilnehmern der ABC-Zonen gleichermaßen zu Gute kommen.
    Es ist doch verrückt, was sich gerade hier bei den Tarifen abspielt.

  13. 15.

    Ob der SPD-Zusammenhang nicht doch Zufall ist? Stecken bornierte Eitelkeiten vielleicht eher dahinter? Fakt ist, dass die Miniländer auf den letzten Plätzen nicht zwei Regierungen mit viel zu teurem Hofstaat brauchen... für die "parr Hansel".
    Was halten Sie von "Preußen" mit seinen besten Tugenden im Zusammenschluss von Bln.,Brb., Teile Sachsen Anhalts und MeckPomm? Sonst wird doch das teure Potsdamer Schloss nicht voll. (Wir erinnern uns an die Gründe für diese Maßlosigkeit)... oder doch?

  14. 14.

    Na das ist schon dolle weit her geholt in der Geschichte der Parteien als Mutmaßung, warum Brandenburg und Berlin in einigen Themen nicht so richtig auf einen Zweig kommen. Nach ihrer Deutung hätten wir Brandenburger, oder besser unsere geschichtlichen Vorfahren Preußen, selber Schuld, dass Preußen mit der Mark Brandenburg seinerzeit die betreffenden Orte in Großberlin eingebracht haben? Ne ne... solche alten Kamellen lassen wir bei den aktuellen Fragen mal beiseite. Das aktuelle Verhältnis prägten die letzten 40 Jahre.

  15. 13.

    toberg:
    "Antwort auf [Thomas] vom 11.10.2022 um 09:31
    >"seitens Brandenburgs den C-Teil in den AB-Teil integrieren können"
    AB und C gibts nur in Berlin!"

    ABC gibt es auch in Brandenburg, z.B. Potsdam!

  16. 12.

    Es hat schon was, wenn sich B und BRB streiten, obwohl doch beide SPD regiert sind. Dabei war es doch ein SPD-Projekt, B und BRB zu trennen - unter Wilhelm II war Berlin immer Teil von Brandenburg, erst mit SPD-Ebert als Präsident wurde Groß-Berlin von BRB getrennt.

  17. 11.

    Warum muss der Berliner Senat immer wieder einen Sonderweg gehen bei vielen Entscheidungen.
    Kann man nicht weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten?

  18. 10.

    "Es ist nicht einzusehen, dass man für eine S-Bahn-Station, die BVG-Brandenburg Bus-Linie, signifikant mehr zahlt."
    Moin moin, 100% Zustimmung. Das ist Geldschneiderei und ne Frechheit was diesen Punkt betrifft.

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