Eckpunktepapier durchgewinkt - 20 bis 30 Gramm Cannabis sollen straffrei bleiben

Die Ampel-Regierung geht den nächsten Schritt in Richtung Cannabis-Legalisierung in Deutschland und beschließt Eckpunkte für das Vorhaben. Ob die Pläne umgesetzt werden können, ist aber noch offen.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Legalisierung von Cannabis gebilligt. Mit der Vorlage setzt Lauterbach ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung um. Nach dem Kabinettsbeschluss soll nun das Gesetzgebungsverfahren beginnen.
Die von Lauterbach eingebrachten Eckpunkte zum geplanten Gesetz sehen folgendes vor:
- Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
- Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm sollen straffrei bleiben.
- Der private Eigenanbau soll erlaubt werden: "drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person", heißt es in dem Papier. Die Pflanzen müssen aber vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt werden.
Verkauf in Fachgeschäften, keine Werbung, kein Versandhandel, "Cannabissteuer" kommt
- Der Verkauf an Erwachsene soll in "lizenzierten Fachgeschäften" mit einem Zutritt erst ab 18 Jahren und möglicherweise auch Apotheken ermöglicht werden.
- Die Menge, die pro Kunde verkauft werden kann, wird begrenzt.
- Einen Versandhandel für Cannabisprodukte soll es nicht geben.
- Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt.
- Eine "Cannabissteuer" richtet sich nach dem THC-Gehalt. Ziel sei ein Endverbraucherpreis, "welcher dem Schwarzmarktpreis nahekommt".
- Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.
Keine THC-Obergrenze, mehr Aufklärung - Bestandsaufnahme nach vier Jahren
- Für Menschen ab 21 Jahren soll es keine Obergrenze für den THC-Gehalt geben. Dies wäre ein zu großer Aufwand bei der Strafverfolgung, heißt es.
- Für jüngere Erwachsene wird hingegen eine Höchstgrenze beim THC-Gehalt geprüft.
- Auch Cannabis-Produkte zum Rauchen und Inhalieren oder zur Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zum Verkauf zugelassen werden.
- Dies gilt aber nicht für sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis.
- Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden. Es sei insbesondere notwendig, niedrigschwellige und flächendeckende Frühinterventionsprogramme zur Konsumreflexion für konsumierende Jugendliche einzuführen, heißt es in den Eckpunkten.
- Begleitend sollen Daten erhoben werden zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabis-Freigabe. Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden, vor allem mit Blick auf den Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz sowie mit Blick auf die Straßenverkehrssicherheit.
Kritik aus der CDU
CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat die Pläne der Regierung zur Cannabis-Freigabe scharf kritisiert. Gesundheitsminister Lauterbach spiele mit der Gesundheit der Kinder, sagte Czaja der DPA. "Mit dieser Debatte wird vor allem jungen Menschen der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine harmlose Droge. Das Gegenteil ist der Fall." Der frühe Konsum habe erheblich negativen Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns.
"Wir appellieren an die Ampel-Koalition, das Vorhaben fallen zu lassen", sagte Czaja. Statt sich mit Drogenfreigabe zu beschäftigen, solle der Gesundheitsminister den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in einer ihrer schwersten Krisen helfen.
Der Jugendrichter am Amtsgericht Bernau (Landkreis Barnim), Andreas Müller, bezeichnete die Freigabe als einen überfälligen Schritt. In rbb24 Brandenburg aktuell verwies er auf die Krankenkassen, die durch einen solchen Schritt entlastet würden. Patienten könnten sich ihren Bedarf günstig selbst beschaffen.
Nach Ansicht der Berliner Gewerkschaft der Polizei ist die geplante Legalisierung ein Risiko für die innere Sicherheit. GdP-Sprecher Benjamin Jendro sagte der rbb24 Abendschau, der Schwarzmarkt werde damit nicht austrocknen. Die etwa 250 Drogendealer im Görlitzer Park würden nicht verschwinden, wenn Cannnabis legal erworben werden könne. Sie würden dann mit anderen Substanzen handeln. Zudem werde der Preis bei der legalen Abgabe immer über dem Preis auf dem Schwarzmarkt liegen.
Warten auf die EU: Rechtliche Umsetzung wird noch dauern
Ob es wirklich zu einer Freigabe von Cannabis kommt, ist aber noch offen. Die Eckpunkte sind nur ein Zwischenschritt. Im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens, wenn es denn dazu kommt, können sich viele Details noch ändern.
Auch Internationale und europarechtliche Regeln zum Umgang mit Cannabis könnten der Legalisierung in Deutschland entgegenstehen. Der rechtliche Rahmen biete "begrenzte Optionen, das Koalitionsvorhaben umzusetzen", heißt es in Lauterbachs Eckpunktepapier.
Genannt wird in dem Zusammenhang unter anderem das sogenannte Schengener Durchführungsübereinkommen. Ein konkreter Gesetzentwurf soll deshalb erst vorgelegt werden, wenn sich abzeichnet, dass es von der EU gegen die geplante Cannabis-Freigabe keine rechtlichen Einwände gibt.
Sendung: Tagesschau, 26.10.22, 20:00 Uhr