Gründe für Verschuldung - 66 Milliarden Euro Schulden in Berlin - und der Berg wächst

Sa 29.10.22 | 08:10 Uhr | Von Leonie Schwarzer
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Das Rote Rahthaus in Berlin-Mitte (Quelle: dpa/imageBROKER)
Video: rbb24 Abendschau | 28.10.2022 | Tobias Schmutzler | Bild: dpa/imageBROKER

Als "arm, aber sexy" gilt Berlin - und das zurecht. Im bundesweiten Schulden-Ranking schafft es Berlin unter die Top 3, nur Bremen und Hamburg sind noch stärker pro Kopf verschuldet. Die Gründe dafür sind vielfältig. Von Leonie Schwarzer

An dem Gebäude des Bundes der Steuerzahler hängt eine große Schuldenuhr. Die Zahlen schnellen in die Höhe, pro Sekunde um 34,52 Euro. "Wir haben eine sehr hohe Verschuldung in Berlin", sagt Alexander Kraus, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin, "sollten wir in Zukunft steigende Zinsen haben, dann wird das künftige Haushalte enorm belasten." In Zahlen ausgedrückt: Auf eine Berlinerin oder einen Berliner entfallen laut Statistischem Bundesamt rein rechnerisch Schulden in Höhe eines Kleinwagens, knapp 16.900 Euro pro Kopf. Bundesweit liegt diese Zahl nur bei knapp 7.700 Euro. Doch woran liegt es, dass Berlin so viele Schulden hat?

Höchste Verschuldung in Stadtstaaten

Gründe dafür lassen sich viele finden. Natürlich belasten die vielen Krisen bundesweit und auch in Berlin die Landeskassen: Erst die Corona-Krise, darauf folgte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Energie-Krise. All das kostet zusätzlich Geld, zusätzliche Kredite. "Der aktuelle Schuldenstand von Berlin ist alles andere als erfreulich", sagt Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne), "wir liegen bei rund 66 Milliarden Schulden im sogenannten Kernhaushalt". Neben den aktuellen Krisen gibt es auch ein paar spezielle Gründe für die Berliner Finanzlage.

Zum einen hat Berlin als Stadtstaat einen höheren Finanzbedarf als ein Flächenstaat. "Es gibt aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung nochmal deutlich andere Belastungen als in dem ein oder anderen Flächenland", erklärt Wesener, "die industrielle Wertschöpfung und die entsprechenden Steuereinnahmen sind in der Regel nicht gegeben." Bundesweit liegt die Pro-Kopf-Verschuldung in den Stadtstaaten auch am höchsten: Platz eins belegt Bremen, darauf folgt Hamburg und dann Berlin.

Kosten der Wiedervereinigung

Zum anderen spielt aber auch die Historie Berlins eine wichtige Rolle: "Durch die Wiedervereinigung, die Tatsache, dass zwei Städte zusammenwuchsen, führte das natürlich zu Ausgaben, die mehr waren als in anderen Bundesländern", sagt Tobias Bauschke von der FDP.

In den Jahren nach der Wiedervereinigung bis Mitte der Nullerjahre kletterten die Schulden immer weiter nach oben. Katina Schubert von den Linken begründet diesen Anstieg mit einer verfehlten Planung: "Berlin hat vor allem in den 90er Jahren in Erwartung eines sehr hohen Bevölkerungswachstums in eine riesige Infrastruktur investiert", sagt sie, "das hat sich aber alles nicht erfüllt und dadurch wurden immense Schulden aufgebaut."

Mit diesen Altlasten aus den Neunziger- und Nullerjahren hat Berlin bis heute zu kämpfen. Zumindest ab 2011 bis Ende 2019 konnte das Land aber auch Schulden abbauen: In diesem Zeitraum gab es mehr Einnahmen als Ausgaben, die Schuldenuhr lief rückwärts. "Das ist einerseits erfreulich, aber es wurde damals auch damit erkauft, dass man nicht in die Infrastruktur oder Liegenschaften des Landes investiert hat", kritisiert Alexander Kraus vom Bund der Steuerzahler. Auch das sei eine Belastung für nachfolgende Generationen. Seit 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie, wächst der Schuldenberg wieder. Im Jahr 2020 lag die öffentliche Verschuldung in Berlin bei 63,7 Milliarden Euro und 2021 bei 65,9 Milliarden Euro.

Opposition bemängelt Transparenz

Die Opposition befürchtet, dass der Haushalt gar nicht das komplette Ausmaß der Schulden zeigt – vor allem die Verschuldung der Landesunternehmen steht im Fokus der Kritik. Aus einer Antwort der Finanzverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Abgeordneten Kristin Brinker geht hervor, dass die Berliner Landesunternehmen Schulden in Höhe von 23 Milliarden Euro haben. "Das sind Schattenschulden am regulären Haushalt vorbei", sagt Brinker, "es gibt Kernaufgaben des Staates, die hat er zu erfüllen, dazu gehören Wohnungsbau oder Schulbau." Es dürfe nicht sein, dass solche Aufgaben am eigentlichen Kernhaushalt vorbei finanziert werden.

Auch der FDP-Politiker Tobias Bauschke spricht von "Schattenhaushalten": "Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht Risiken eingehen, die das Land früher oder später abfedern muss, wenn es schief geht." Finanzsenator Daniel Wesener widerspricht: Die Opposition zeichne ein falsches Bild, die landeseigenen Unternehmen ständen wirtschaftlich gut da.

Umgang mit Schulden

Doch ungeachtet dessen bleibt die Frage, wie Berlin mit seinem Schuldenberg umgehen will. Denn die aktuellen Krisen verlangen auch weiterhin nach vielen Investitionen. Berlin müsse nicht schnellstmöglich Schulden abbauen, sagt Katina Schubert von den Linken, sondern investieren in die soziale und kulturelle Infrastruktur. Als Beispiele nennt sie Schulen, aber auch die Transformation der Energieversorgung: "Das hat eine viel größere Auswirkung auf die Entlastung der zukünftigen Generationen als die Frage des Schuldenabbaus."

Sollten die Zinsen weiter steigen, dann bekommt Berlin allerdings ein Problem - das zeigt auch die Vergangenheit: Anfang der 2000er Jahre flossen nach Angaben der Finanzverwaltung mehr als ein Fünftel der Steuereinnahmen des Landes in Zinszahlungen. Dieses Geld fehlt dann an anderer Stelle, um Schulen zu sanieren oder Straßen zu reparieren.

Finanzsenator: weiter in die Stadt investieren

Die Opposition ruft deshalb zum Sparen auf: "Die Schulden, die wir heute machen, sind die verminderten Handlungsspielräume für die Zukunft", sagt FDP-Politiker Tobias Bauschke. Das Argument dahinter: Kommenden Generationen wird ein Schuldenberg hinterlassen, viele Kredite müssen abbezahlt werden. Der weitere Abbau von Altschulden sei wichtig, sagt Finanzsenator Wesener.

Trotzdem wolle er auch weiter in die Stadt investieren: "Wir wollen diese Stadt über die Krise bringen. Und das bedeutet nicht in die Krise hineinzusparen, sondern antizyklische Finanzpolitik zu machen. Das heißt, wir werden – obwohl sich die finanziellen Spielräume deutlich verringert haben – Geld in die Hand nehmen."

Am kommenden Dienstag möchte der Senat den Entwurf für einen Nachtragshaushalt beschließen. Der ist nötig, um die Maßnahmen aus dem Berliner Entlastungspaket zu finanzieren. Möglicherweise muss der Bund der Steuerzahler dann noch einmal an seiner Schuldenuhr drehen.

Sendung: rbb24, 28.10.2022, 21:45 Uhr

 

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Beitrag von Leonie Schwarzer

116 Kommentare

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  1. 116.

    Ach Gerd/Rene ihrer min. rechtspopulistischen Hetze fehlt jede Grundlage denn:

    "Wo rot/grün/linke regieren werden Schulden über Schulden gemacht und auf Kosten unserer Nachkommen gelebt."

    Wer hat den Bankenskandal mit Milliarden Schulden bis zum heutigen Tage verursacht? Die cDU.

    "Wen wundert es bei RGR und einer Verkehrssenatorin die diktatorisch und ohne Sinn und Verstand das Geld der Steuerzahler für ihr Büllerbü zum Fenster rausschmeist !!! "

    Das ist ja noch dümmer! Diktatorisch? Sie sollten sich mal mit unserem GG auseinandersetzen, Jarrasch regiert sogar sehr demokratisch mit.

  2. 115.

    Sie müssen hier nicht den Moralisten raus hängen lassen. Trotz Arbeit müssen wir sehen wir meine Frau und ich über die Runden kommen. Die Deutschen müssen nicht für jeden Krieg sich verantwortlich fühlen. Da haben andere Schuld , Der Ukraine hilft es auch nicht wenn wir unsere Wirtschaft für andere ruinieren.

  3. 114.

    Da hier jemand unter meinem geklautem Nick eine Meinung gepostet hat, möchte ich Sie bitten diesen Post zu entfernen, da er nicht zu einem sauberen und sachlichen Diskurs beiträgt.
    An denjenigen, der hier unberechtigt meinen Nick verwendet hat:
    Entweder Sie posten hier mit einem eindeutigen Nick oder Sie unterlassen diese Art von Verunglimpfung von Foristen, die an einem vernünftigen Diskurs interessiert sind.

  4. 113.

    https://www.berlin.de/gutachterausschuss/_assets/amarktinformationen/amarktanalyse/04-03-010-9900.pdf

    Z. B. Seite 27

    Ab 230 Euro/qm ging es beim Kauf nachgewiesen los.

    Schlau, wer damals auf Scheibe war.

  5. 112.

    Ich darf daran erinnern, dass die Abstimmung knapp ausgegangen war. Zudem gibt es eine Institution in Berlin, Die Deutsche Rentenversicherung, die nach dem Bonn-Berlin-Vertrag noch nach Bonn umziehen muss. Soviel zur Vertragstreue der Berliner Institutionen. Von Ministerialen wird der Umzug verlangt, aber andere Dienststellen weigern sich bis heute. Sind die Berliner Angestellten etwas besseres als die Bonner Bediensteten, die dort Heim und Hof aufgeben mussten?

  6. 111.

    Die GSW-Geiten sind mit den heutigen Zeiten und Werten in keiner Weise zu vergleichen.

    Die Preissteigerungen sind bekanntlich auch kein alleiniges Berliner Problem.

    Anfang der 2000er verkauften Bahn & Co - tlw. ohne vergleichbaren Druck wie das Land Berlin - Riesenpakte ganzer Siedlungen (u. a. Eisenbahnersiedlungen) an Vonovia und Co..

    Die Standorte waren oftmals gut, z. B. Köln, Essen, Düsseldorf.

    https://www.welt.de/print-welt/article345266/Deutsche-Annington-verkauft-2300-Bahnwohnungen.html

    Teilweise verhinderte in Köln die CDU/FDP solche Verkäufe.

    Die Quadratmeterpreise erscheinen heute himmlisch billig, nicht selten beliefen sich diese auf 500 Euro/qm - damals völlig normal.

    Sie erinnern sich ggf. noch an Zeiten, in denen Städte Bestände wegen Leerstand zurück bauen mussten/wollten?

    Heute kaum denkbar, wirkte sich alles auf Preise aus.
    Vor 10 Jahren noch konnte man in Chemnitz etwa 1000 qm große Wohnhäuser (sanierungsbedürftig) für ca. 40k bei GGG kaufe

  7. 110.

    "Der Vorteil von Bonn war, dass es sich nicht wie Berlin über die anderen Landeshauptstädte gestellt hat und was auch sehr gut war,....."
    Na ja aber die Verantwortlichen riefen ja damals: " Berlin, Berlin, wir wollen nach Berlin!"
    Berlin hätte heute in der Innenstadt jede Menge Platz für Parkanlagen, Grünflächen und Wohnungsbau. Und in Bonn könnten die Ministerien blühen, wachsen und sich vergrößern. Auch das ewige hin/her fahren wäre den Verantwortlichen erspart geblieben und Berlin hätte bestimmt weniger Demos zu ertragen!
    Jetzt hat Berlin den Salat und muß mit leben.......

  8. 109.

    Vergleichen Sie einfach die „Paketpreise“ für Immobilien mit Schulden und Sanierungsstau mit damaligen Marktpreisen je Quadratmetern.

    Ca. 2 Mrd Euro kostete seinerzeit die Übernahme der sanierungsbedürftigen Bestände in Zeiten von Überangebot an Kaufgelegenheiten.

  9. 108.

    Noch erwähnenswert ist, dass bislang keine konkreten Zahlen bekannt gegeben wurden was der Umzug überhaupt gekostet hat. Das betrifft Baukosten, Personalkosten Betrieb der Infrastruktur und Zahlungen an Berlin!

  10. 107.

    Nun Sie sprechen von Hauptstadt als wäre unser Staat ein Zentralstaat, aber wir sind ein föderaler Staat. Der Vorteil von Bonn war, dass es sich nicht wie Berlin über die anderen Landeshauptstädte gestellt hat und was auch sehr gut war, dass dort die Regierung durch die vierte Gewalt (die Presse) unter Kontrolle der Bevölkerung stand, was hier in Berlin im Politikbetrieb nicht möglich ist. Bonn war wesentlich toleranter als Berlin!

  11. 106.

    Sie haben Recht, mein Nick wurde geklaut. Das was da von sich gegeben wurde dürfte wohl von jemanden kommen der wohl aus der linken oder rechten Szene kommt.

  12. 105.

    Schön und sachlich der Diskussion ... und Ihrem Ansehen ... dienlich wäre die Untermauerung Ihrer Aussage mit Quellen.

    Bisher sind Ihre Aussagen Allgemeinplätze und Anscheinsbeweise.

  13. 104.

    Falsch ist es nicht,aber so eine einzelne Grafik sagt natürlich nicht viel aus und ist somit tatsächlich irreführend.
    Wichtig wäre noch den Schuldenstand ins Verhältnis mit dem Bruttosozialprodukt der Stadt zu setzen,also die Schuldenquote zu bestimmen.

  14. 103.

    Das wäre für viele sicherlich ein interessanter Artikel.
    Nur mal kurz,Berlin gibt wie der Bund Anleihen raus,um an frisches Geld zu bekommen. Damit werden alte Anleihen zurückbezahlt. Beim Bund werden jedenfalls täglich welche fällig,bei Berlin vielleicht nicht ganz so häufig. Das nennt sich dann Umschuldung.
    Käufer sind alle,die ihr Geld sicher anlegen wollen.

    Wenn Bund und Länder keine neuen Anleihen verkaufen könnten,wären sie innerhalb weniger Tage zahlungsunfähig. Besonders ganze Länder sind dadurch extrem abhängig vom Finanzsektor,die indirekt somit die Politik bestimmen. Das kann man an Griechenland oder Argentinien sehen. Daher wird dieses Thema lieber nicht groß beachtet.

  15. 102.

    Zitat: "Berlin hat vor allem in den 90er Jahren in Erwartung eines sehr hohen Bevölkerungswachstums in eine riesige Infrastruktur investiert"

    - Außer die Berliner Kanalisation und die Stadtreinigung fällt mir nichts ein, was überdimensioniert wäre, so das es auch für 5-6 Millionen Berliner locker reichen würde -> Wohnraum, Schulen, Ämter, Öffentliche Personenquetschbeförderung, Schienennetz, Ärtze, Kindergärten, Schwimmbäder, Turnhallen, Heimplätze,, Notaufnahmen, Studentenwohnheime, usw. - Gab es da irgendwann in den letzten 25 Jahren ein überangebot, von dem ich nichts mitbekam?

  16. 100.

    „Berlin ist weder mit München, nocht mit anderen Städten vergleichbar,“

    Na ja, 30 Jahre nach Wiedervereinigung ist das kein wirkliches Argument mehr.

    Natürlich sind Städte vergleichbar, wo sollen sie denn nicht fundamental vergleichbar sein?

    Bekanntlich lieben Sie es, andere der Lüge zu bezichtigen und persönlich zu werden.

    Das sagt alles, danke dafür.

    You made my day.

  17. 99.

    Traditionsreich sind beide, versuchen Sie es also nochmal.

    Welchen Teil der Berliner Bevölkerung möchten Sie wirklich durch Schließung schädigen?

  18. 98.

    Vollkommen richtig, ich sagte ja, es wurde seinerzeit zum Marktwert verkauft.

    Nutzer Sven versteht es nicht und bestreitet dies mit Hinweis auf einen SPD-Mann (MdA) im Käseblatt.

  19. 97.

    Also positiv gesehen, ist Berlin der Stadtstaat mit den geringsten Schulden. Ist doch schon mal was.

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