SEZ in Berlin-Friedrichshain - Vom Spaßbad zum ewigen Streitobjekt

Di 29.11.22 | 00:38 Uhr | Von Franziska Hoppen
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Archivbild: Das SEZ-Gebäude an der Landsberger Allee in Berlin-Friedrichshain
Audio: rbb24 Inforadio | 28.11.2022 | Franziska Hoppen | Bild: dpa/Andreas Gora

Um kaum ein anderes Berliner Gebäude wird so ausdauernd gestritten wie um das Sport-und Erholungszentrum in Friedrichshain. Nun unterlag der Investor erneut vor Gericht. Dass das Gelände jetzt schnell zurück ans Land geht, steht aber noch nicht fest. Von Franziska Hoppen

Es ist ein Streit, der selbst für Berliner Verhältnisse lange dauert, erstaunlich viele Gerichtsinstanzen durchläuft und immer weitere Wirrungen produziert. "Ungewöhnlich" nennt ihn der Stadtentwicklungspolitik-Experte der Berliner FDP, Stefan Förster. Dabei sollte der Prachtbau, als Erich Honecker ihn 1981 eröffnete, DDR-Bürgern einfach nur Spaß bringen. Das Sport-und Erholungszentrum an der Landsberger Allee war ein Prestigeprojekt mit Wellenbad, Rollschuhlaufbahn und Bowlinganlage.

Heute lässt sich an ihm ablesen, wie sehr das wachsende Land und hungrige Investoren um jeden freien Millimeter ringen.

Verkauft für einen Euro

Hätte Finanzsenator Thilo Sarrazin, damals SPD, 2003 schon gewusst, dass Berlin ein rasanter Zuwachs und ein Immobilienboom bevorstünde, hätte er das SEZ-Gelände vielleicht nicht an einen sächsischen Investor verkauft – erst recht nicht für den Symbolwert von einem Euro. Aber das SEZ war dem Senat nun mal ein Klotz am Bein: geschlossen, verfallen und sanierungsbedürftig. Und immerhin verpflichtete der Kaufvertrag den Investor, in der Landsberger Allee 77 wieder ein Hallenbad zu eröffnen. Käme der Investor dem nicht nach, sollte Berlin das 5,6 Hektar große Gelände zurückkaufen können. Nur ließ der Kaufvertrag anscheinend Interpretationsspielraum zu, wie genau das Hallenbad auszusehen hatte. Und das führte Jahre später zu Streit.

Denn 2016 zog das Land Berlin vors Landgericht. Und verlor. Die Richter befanden, dass der Investor seinen vertraglichen Verpflichtungen durchaus entsprochen hatte. Auf sein Wiederkaufsrecht sollte Berlin außerdem verzichten. Das ließ das Land nicht auf sich sitzen und zog erneut vor Gericht. In einer 180-Grad-Wende gab ihm das Kammergericht im Sommer 2022 Recht. Demnach musste der Investor das SEZ-Gelände zurückgeben. Eigentlich. Er wandte sich an den Bundesgerichtshof.

Bebauungsplan könnte Prozess verlängern

"Wann eine Entscheidung des BGH vorliegt, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Vermutlich nicht vor Sommer 2023", schreibt die Senatsverwaltung für Finanzen auf Nachfrage. Heißt also: So schnell werden keine Schlüssel übergeben. Wenn der BGH im Sommer entscheidet, sich des Falles anzunehmen, oder den Fall zurück ans Kammergericht zu überweisen, wird noch mehr Zeit vergehen. Und selbst wenn Berlin erneut Recht bekommt: Es gibt noch ein weiteres Problem, warnt Stefan Förster von der FDP.

2018 beschloss das Abgeordnetenhaus einen Bebauungsplan für das Gelände. Der B-Plan legt fest, was auf dem Gelände gebaut werden darf und was nicht. Der Investor, der das Grundstück immerhin für einen Euro praktisch geschenkt bekommen hatte, plante damals, das SEZ-Gebäude abzureißen und dort unter anderem auch Wohnungen zu bauen - und damit Geld zu verdienen. Das sollte der B-Plan verhindern. Aus einer parlamentarischen Anfrage des Linke-Abgeordneten Damiano Valgolio geht hervor, dass der B-Plan stattdessen den Bau von 500 teils auch geförderten Wohnungen und einer Grundschule auf dem Gelände ermöglicht, auch von einer Sporthalle. Konkrete Pläne für eine Schwimmhalle gibt es nicht.

Gegen den B-Plan zog der Investor vor das Oberverwaltungsgericht. Das Verfahren läuft noch. Aber auch für das Land Berlin könnte weiterer Zeitverzug entstehen, wenn sich etwa viele für eine stärkere sportliche Nutzung aussprechen, oder überhaupt für eine andere Nutzung - wenn also etwas gebaut werden soll, das der B-Plan nicht vorsieht. Dann müsste er noch einmal angepasst werden. „Das wird Geld und Zeit kosten“, sagt Stefan Förster.

Erstmal alte Strukturen nutzen

Auch Damiano Valgolio von den Linken, Direktkandidat für den entsprechenden Friedrichshainer Wahlkreis, wünscht sich, dass auf dem SEZ-Gelände viel Sport getrieben wird. Denn gerade in Friedrichshain ist das Sportangebot mau. Geht es nach Valgolio, "sollten wir zuerst Rollschuh-, und Schlittschuh-Sport ermöglichen." Das wäre dann schnell möglich, wenn viele der alten Strukturen des SEZ erhalten wären und weitergenutzt werden könnten.

Doch zunächst bräuchte es eine Bestandsaufnahme, wie es um die alte Bausubstanz steht. Die kann das Land aber erst vornehmen, wenn das Grundstück ihm auch wirklich gehört – erst nach einer Entscheidung des BGH also. "Da kann das Land nix machen", so Valgolio. Der Abgeordnete, der selbst Jurist ist, geht seinen Worten zufolge jedoch nicht davon aus, dass der Bundesgerichtshof sich der Beschwerde des Investors annimmt. Der Streit um die Hallenbadgröße eines Berliner Sportzentrums sei eher kein Fall für ein Gericht, das sich sonst mit grundsätzlichen Rechtsfragen beschäftigt. Dann könnte Berlin schon nächsten Sommer das Bauwerk inspizieren.

SEZ zu teuer?

Stefan Förster, der auch sportpolitischer Sprecher der FDP ist, wünscht sich zwar auch mehr Sportangebote auf dem SEZ-Gelände, vor allem für den Vereinssport. Er gehe aber nicht davon aus, dass das mit der alten Bausubstanz möglich ist, sagt er. "Die Kosten des Aufwands der Erhaltung stünden in keinem Verhältnis zum Ertrag", so Förster. Auch die Energie-Effizienz gebe ihm zu denken. Also doch die Abrissbirne? Noch ist all das noch nicht geklärt.

Klar ist wohl nur, dass der sächsische Investor sich das damals, 2003, alles anders vorgestellt hatte. Auch deshalb war er vor Kurzem vor das Landgericht gezogen. Der Investor hatte gegen fünf Personen geklagt, darunter die Geschäftsführerin der landeseigenen Berliner Immobilien-Management-Gesellschaft, die das SEZ verkaufte. Außerdem die frühere Staatssekretärin für Finanzen sowie zwei Anwälte des Landes Berlin. Der Investor beklagte Mietausfallschäden, beziehungsweise Baukostensteigerungen im Zuge eines geplanten Umbaus auf dem Gelände – Stichwort B-Plan. Das Gericht schmetterte seine KIage heute ab. Eine weitere Niederlage in dem Streit, in dem nun das Land Berlin vorerst vorne zu liegen scheint.

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.11.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Franziska Hoppen

23 Kommentare

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  1. 23.

    Bin 1994 nach Berlin gekommen und war dort oft schwimmen.
    Da gab es auch ne Eishalle.
    Ich fands prima!
    Sehr schade, was daraus geworden ist!

  2. 22.

    Wohne um die Ecke. Fand das schon damals völlig unverantwortlich und kurzsichtig ( so ist er halt) von Herrn Sarrazin, das Ding an jmd zu verscherbeln , damals hätte man es noch sanieren können..
    heute ist es eine vergammelte Bruchbude, no chance.. abreißen und Schluss ist..

  3. 21.

    Stimmt! Ich kenne beides noch und kann mich noch gut daran erinnern, dass beide immer voll waren. Und jetzt zu denen, die immer (wie auch im Beitrag zu lesen) auf die Kosten gucken. "Wirft keinen Gewinn an..." das mag sehr gut sein, aber verpulvert Berlin nicht eh schon sinnlos Geld? Warum dann nicht auch ein Spaßbad? Da kann man wenigstens sagen, okay mein Steuergeld verschwendet, aber nen geiler Tag mit den Kids war's schon... Also baut auf... Baut auf!!!!

  4. 20.

    Genau so wie mit dem Palast der Republik um so ein komisches Schloß dort hin zu bauen.

  5. 19.

    Es ist eine Schande so ein Objekt so verkommen zu lassen. Hierfür sind die Länderregierungen der letzten Jahr Zehnte verantwortlich.

  6. 18.

    Das SEZ ist leider ähnlich ungünstig gebaut wie das ICC. Zu viel Energieverschwendung in vielen Bereichen. Hätte man allerdings konsequent umgebaut und sich auf Vereinssport und vielleicht sogar etwas Turniersport konzentriert würde der Laden heute wahrscheinlich brummen. Das Spaßbad zum Beispiel hatte auch ein paar Turnierbahnen und ein Sprungbecken mit guten Blick darauf. Stattdessen wurde ein Sportteil nach dem anderen zugemacht. Traurig diese Entwicklung zu sehen.
    Den Part mit der Schwimmhalle hatte mich ohnehin irritiert. Da werden die Becken verschlossen und darauf Badmintonfelder gestellt, die vorher mal in den Sporthallen aufgebaut waren. Es ging also nur um Vertragsbiegung. Waren die Sporthallen wirklich unbenutzbar oder nur unbenutzbar gemacht worden?
    So viele Fragen kommen auf.
    Naja. Ich konnte wenigstens das Teil noch in voller Benutzung sehen und hab dort auch viel Spaß gehabt. So long SEZ.

  7. 17.

    Vielleicht sollte man die Betreiber der Therme Erding bei München mit ins Boot holen. Wer Mal dort gewesen ist, kann sich sowas auch fürs SEZ vorstellen. Deren Wissen ist sicherlich wertvoll und für die Stadt dann auch ein nachhaltiger Gewinn. Sofern die Grünen im Senat nicht wieder die Umweltkeule schwingen und wegen Energieverbrauch die Entwicklung zu einer Therme verhindern.

  8. 16.

    Na, ja, man muss nicht ein ausgewiesener Fachmann(o.' Experte')sein, um nachzuvollziehen, was warme Dämpfe, angereichert mit chemischen Stoffen(Chemiecocktail) & das täglich, mit der Bausubstanz und der Dach-/Deckenkonstruktion incl. Fensterbereiche "veranstalten". Haben Sie keine Erfahrungen nur mit dem Duschen?Da das ein sehr auf Familie/m.Kindern orientierter Freizeitspaß ist, müssen Sie auch die Eintrittspreise und zahlreiche Sicherheits- & Brandschutzbestimmungen im Fokus haben. Jetzt noch der Ausfall billigen Gases.... Wer diesen Spaß sucht, sollte sich in den Ein-Stunden-Takt-Zug setzen und nach Brand/Halbe fahren. Ein riesiger Raum, der zwar im Detail auch mit Problemen kämpfen mag, aber nicht so komprimiert wie inmitten eines Gebäudes in der Stadt. Dazu noch Flachbau.

  9. 15.

    Dass Berlin damals pleite war und gerichtlich zu verpflichtet wurde, die Wohnungen zu verkaufen [rbb berichtete damals unter dem Titel Berlin muss Tafelsilber verkaufen], ist Ihnen offensichtlich nicht mehr in Erinnerung geblieben. Und da der Erhalt und die Verwaltung des Gebäudes jedes Jahr Löcher in die Kassen der Stadt rissen, war auch das Veräußern des SEZ damals keine verkehrte Idee. Ist heute anders, aber auch Zeiten ändern sich eben.

  10. 14.

    Das SEZ wäre heutzutage für einen privaten Betreiber ein immenses Verlustgeschäft und nicht tragbar. Bitte nicht durch die rosarote Ost-Berliner Brille betrachten, wo solche Objekte hoch subventioniert wurden.

  11. 13.

    So ein heruntergekommendes Ding. Wie im 3. Welt Land. Umgehend Sanieren oder abreißen!

  12. 12.

    Dass es in dieser Dreieinhalb-Millionen-Stadt nach Schließung des SEZ und Blub bis heute kein Spaß- bzw. Erlebnis-Hallenbad gibt und auch ein in Johannisthal vorgesehenes Geothermie-Bad nicht zustande kam legt die Vermutung nahe, dass Bau und Betrieb solcher Einrichtungen in Berlin verboten sind.

  13. 11.

    Ich glaube nicht, dass sich jemand Gedanken über DDR-Prestige gemacht hat. Es ging schlichtweg ums Geld. Der Senat hat zu dieser Zeit unter Sarrazin und Wowereit massig Immobilien verscherbelt, unter anderem rund 65.700 Wohnungen der landeseigene GSW-Gruppe, die heute der Deutschen Wohnen gehören. Wie es den Mietern damit geht, kann man regelmäßig in den Nachrichten verfolgen. Seit der Wende ging der Ausverkauf los und in die Infrastruktur wurde nur wenig investiert. Auch diese Folgen spüren wir heute u. a. bei Straßen, Schienen, Schulen und Schwimmbädern. Alles nicht, was man damals mit etwas Verstand nicht schon ahnen konnte. Wenn ich aus meiner Wohnung die meisten Möbel verkaufe und 30 Jahre nichts repariere und renoviere, wird es auch nicht anders aussehen.

  14. 10.

    Traurig, daß man diese Freizeiteinrichtung hat verloddern lassen. Wird wohl jetzr nicht mehr zu retten sein.

  15. 9.

    Nee, das muss weg , genau so wie der PdR, da architektonisch wertvolle Ahornblatt. Könnte ja sein, dass die doofen Ossis sich gerne an die Zeit erinnern, die sie an diesen Orten verbracht haben. Früher nannte man das Bilderstürmerei .

  16. 8.

    Das ist nur zu lösen, wenn man sich an einen Tisch setzt und alle bereit sind einander zu gönnen.

  17. 7.

    Das SEZ hat leider ein großes Problem. Es ist ein DDR Prestige- Bau. Darum wollte der Senat auch dieses Haus schnell weg haben.

  18. 6.

    Wie konnte Sarrazin 2003 nicht wissen, "dass Berlin ein rasanter Zuwachs" bevorsteht? Der war doch bereits seit kurz nach der Wende im Gange. Seit 1991 wuchs laut Statistik zwar nicht gleich die Anzahl der Bevölkerung, aber die Anzahl der Haushalte stieg bis 2011 steil an. Vermutlich, weil mehr junge Singles als Familien in die Stadt zogen. Zu überlegen, dass diese irgendwann Familien gründen und hier bleiben, war nicht ganz abwegig, oder? Problem mit der Politik ist, dass nur bis zur nächsten Wahl gedacht wird. Es ist auch nicht nur das SEZ, das verschwand, sondern auch das Blub in Britz ist lange Geschichte.

  19. 5.

    Es ist so traurig was aus dem SEZ geworden ist! Zu irgendeiner OSTPRO war ich da mal drin , das war ein Trauerspiel was aus diesem Objekt geworden ist! Aber es durfte einfach nicht überleben! Leider muss sich dafür keiner Politiker der Wende Verantworten sie werden alle nur gefeiert!

  20. 4.

    Mittlerweile ist es doch linker Kult.

    Lederer, bitte einsetzen.

  21. 3.

    Das SEZ wurde einfach abgewickelt, wie so vieles aus dem Osten. Ich war gern da gewesen!

  22. 2.

    Es war und ist nicht das erste Mal, dass der Berliner Senat Verträge abschließt, die gewieften Eigentümern Spielraum zur Auslegung lassen.

    WOZU BITTESCHÖN werden in der Verwaltung Juristen beschäftigt wenn solche angreifbaren Verträge dabei herauskommen.

    DAS IST BERLIN alles SCHNELL durchpeitschen ohne korrekte PRÜFUNGEN durchzuführen.

    DEN BAU ABREIßEN UND HÄUSER AUF DIESEM GRUNDSTÜCK BAUEN.

  23. 1.

    Wieder so ein Politikum, dieses tolle SEZ durfte „damals“ nicht überleben und wenn ein intelligenter Investor die Beliebtheit und den Menschenandrang von ehemals ins heute kalkulieren würde, wäre er ein erfolreicher Investor!

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