Bürgergeld-Poker - Wenn Bund und Brandenburg nicht zusammenpassen

Mi 23.11.22 | 17:46 Uhr | Von Hanno Christ
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Symbolbild: Drei Pappefiguren mit den Farben einer Kenia-Koalition: Rot-Schwarz-Grün (Quelle: IMAGO/Future Image)
Audio: Antenne Brandenburg | 24.11.2022 | Roland Schleif | Bild: IMAGO/Future Image

Der Streit ums Bürgergeld offenbart ein Dilemma für die CDU in Brandenburg: Regierung im Land, Opposition im Bund. Das führte zum Zwist mit SPD und Grünen. Ein Vorbote für noch rauere Zeiten in der Kenia-Koalition? Von Hanno Christ

Unter den Köpfen aus Bund und Ländern, die sich am Mittwochabend im Koalitionsausschuss über das Bürgergeld beugen, wird aus Brandenburg kein Verfechter der großen Sozialreform dabei sein. Niemand von der SPD, die so sehr dafür geworben hatte. Niemand von den Grünen, die das Projekt nicht weniger gutheißen. Stattdessen aber Innenminister Michael Stübgen. Dabei waren er und seine CDU in den vergangenen Wochen die ersten, wenn es darum ging, Front gegen die große Sozialreform im Bund zu machen.

Stübgen nimmt als Stellvertreter den Platz von Kathrin Schneider (SPD) ein, der Chefin der Staatskanzlei. Sie ist derzeit erkrankt. Dass er aber vom Kompromiss abweichen wird, der bereits am Dienstag von den Ampel-Koalitionären und seinem eigenen Parteivorsitzenden verkündet worden war, dürfte unwahrscheinlich sein. Stübgen sitzt zwar als Vize-Ministerpräsident Brandenburgs und Mitglied der größten Oppositionspartei im Bund zwischen allen Stühlen, die sind allerdings so nahe zusammengerückt worden, dass er da nicht mehr durchrutschen dürfte.

Auch in Brandenburgs Koalition gehen sie nach bewegten Wochen nicht mehr davon aus, dass der CDU-Landeschef zum Abweichler wird und Brandenburg erneut in die Abstimmungs-Blockade im Bundesrat zwingt.

Regierungs-Farben in Bund und Land harmonieren nicht

CDU-Fraktionschef Jan Redmann spricht sogar von einem "mustergültigen Verlauf" der Verhandlungen. Die Union hat ihren Teil bekommen, indem etwa die sanktionsfreie Zeit ("Vertrauenszeit") und das Schonvermögen von Arbeitssuchenden reduziert wurden. Die SPD - und mit ihnen Grüne wie auch FDP - ziehen einen Strich unter die Jahre von Hartz-IV, auch wenn die einst große Reform am Ende wohl mehr die Züge einer Novelle hat. Bleibt nun aber ein Kratzer in der Kenia-Koalition zurück?

Seit der Bundestagswahl und dem Ende der Großen Koalition im Bund ist das Betriebsklima zwischen SPD, Grünen und CDU in der märkischen Koalition abgekühlt. Das Zusammenspiel ist hakeliger geworden. Die Regierungs-Farben in Bund und Land harmonieren nicht.

Die CDU ist nicht nur Regierungspartei, sondern spielt zugleich auch die Karte der Opposition im Bund. Das ist keine ungewöhnliche Konstellation, auch nicht in Brandenburg, wo in den zurückliegenden Jahren die Linke einerseits in Regierungsverantwortung mit der SPD stand, im Bund aber gegen die Regierung unter SPD-Führung lederte. Eine solche Konstellation macht geschlossene Regierungsarbeit schwieriger. Für SPD-Generalsekretär David Kolesnyk ist das keine Überraschung. "Spätestens seit der letzten Bundestagswahl ist spürbar, dass sich kommunikativ etwas verändert hat", sagt er.

Länder pochen auf Einigung

Es gibt aber auch einen anderen Effekt. Die Regierungsbeteiligung der CDU in den Ländern verpflichtet sie zu Kompromissen und konstruktiven Lösungen. Eine Totalblockade, wie sie sich etwa auch CDU-Chef Friedrich Merz hatte vorstellen können, war mit den Ländern nicht zu machen. Sie pochten darauf, den Fuß von der Bremse zu nehmen und einer Zustimmung im Bundesrat den Weg frei zu machen, so dass das Bürgergeld noch im Januar an den Start gehen kann. Mit jeder Verzögerung hätte sich die CDU ein Eigentor geschossen: Gerade im Osten Deutschlands - mit immer noch vergleichsweise höheren Arbeitslosenzahlen - hätte sich die CDU wohl in Erklärungsnöte gebracht. Auch in Brandenburg.

Landtagswahlen werfen Schatten voraus

Die Koalitionspolitiker des Landes betonen stets die Trennung zwischen Landes- und Bundesebene, zwischen Partei- und Regierungsamt. Ob dies im politischen Alltag tatsächlich so sauber praktiziert wird oder ob Zugeständnisse nicht doch erst aufgrund von Drohkulissen bei Abstimmungen zustande kommen, ist schwer nachvollziehbar.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Grenzen dort eher fließend sind, dürfte nicht geringer werden. Die Koalitionäre müssen zusehen, dass sie die wichtigsten Vorhaben dieser Legislaturperiode bis Ende 2023 abgeräumt haben. Im Herbst 2024 stehen die nächsten Landtagswahlen an, da werden viele Mittel recht sein, um an der Profilierung zu arbeiten - und an Erfolgen, die dann im Wahlkampf einzahlen. Für die Klientel der CDU dürfte schon jetzt der erfolgreiche, zeitweilige Widerstand gegen das Bürgergeld dazugehören. Weitere könnten folgen, fürchtet wohl auch die Bündnisgrünen-Landesvorsitzende Julia Schmidt. "Ich erwarte von der CDU, dass die Oppositionsagenda der Union im Bund nicht zur Leitlinie der CDU in der Brandenburger Landesregierung wird." Sie hoffe weiterhin auf konstruktive Zusammenarbeit.

Abstimmung für das Bürgergeld ist wahrscheinlich

Einen dramatischen Showdown im Bundesrat, wie ihn einst die Brandenburger Koalition von Jörg Schönbohm (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) bei der Abstimmung zum Zuwanderungsgesetz lieferte, wird es am Freitag wohl nicht geben. Damals stand die märkische Koalition vor dem Bruch. Heute hat sie sich einmal mehr zusammengerauft. Um morgen vielleicht schon wieder erneut in den Ring zu steigen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 23.11.2022, 17 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

43 Kommentare

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  1. 43.

    "Ich kommentiere auf RBB 24 schon länger und das meist sachlich. " Meist heißt nicht immer!

    "Nochmal: unbelegte Behauptungen sind keine Wahrheiten " Dumme Kalendersprüche sind keine sachliche Diskussion, welche Behauptung soll denn unbelegt sein? Auch das dient nicht für eine sachliche Diskussion.

  2. 42.

    Selten so gelacht...
    Ich kommentiere auf RBB 24 schon länger und das meist sachlich.

    "Diskussion immer, auch gerne kontrovers..."
    "Lippenbekundungen" - Nochmal: unbelegte Behauptungen sind keine Wahrheiten

    Mehr ist zu dem was Sie schreiben nun wirklich nicht zu sagen. Wer "trollt" hier also? #Thema_verfehlt

  3. 39.

    Sie haben sich hier mit einem typischen Trollbeitrag von der Seite eingemischt. Noch Fragen?

    Diskussion immer, auch gerne kontrovers aber keine dumme Anmache von der Seite!

  4. 38.

    Das Bürgergeld ist eine weitere Spirale in die Armut - aber sehr gut geeignet zur Spaltung der unteren Gesellschaftsgruppen und zur Radikalisierung der deutschen Bi...Zeitungs Bevölkerung. Deutschland benötigt wieder mal seine Feindbilder, um weiterhin nach Oben buckeln zu können. Kann nicht mehr lange dauern, bei solchem Hass auf die untersten ärmsten wehrlosen Bevölkerungsschichten und damit auch auf Flüchtlinge und Ausländer wegen 50 Euro. Jedenfalls ein sehr guter Kommentar von Ihnen, Viele Grüße.

  5. 37.

    Persönlich diskreditieren weil man keine Argumente hat? Oje...

    Wie ich zum Thema kommentierte können Sie unter Nr.1 nachlesen.

  6. 36.

    Wenn man keine Argumente hat wird man also persönlich beleidigend?

    Wie ich mich zum Thema geäußert habe können Sie bei Nr.1 nachlesen.

  7. 35.

    Ja, die Hartzi / Bürger sind wahrscheinlich an steigenden Mieten schuld, an steigende Energiepreise, an steigende Lebensmittelpreise, am Mangel an Wohnraum, usw. schuld ?

  8. 34.

    Ah, noch eine Sockenpuppe oder ein neuer Troll?

    "Was das hier zudem alles mit dem Thema zu tun hat frage ich mich auch." Ich mich bei ihrem "Kommentar" auch!

  9. 33.

    Steigende Löhne und Gehälter sind wahrscheinlich das größere Problem für unsere Gesellschaft - als 50 Euro mehr Hartz-IV/Bürgergeld. Steigende Löhne/Gehälter verursachen steigende Preise, Inflation und wiederum steigende Löhne/Gehälter. Preisspirale ohne Ende bis zum Systemzusammenbruch.

  10. 32.

    Steffen:
    "Antwort auf [Helmut Krüger] vom 24.11.2022 um 06:21
    Sie bedienen sich in Ihrer Behauptung ungefiltert der Propaganda der SPD und Grünen."

    Tja, für Steffen ist alles, was nicht seiner Meinung entspricht "Propaganda", und er glaubt, dass der Begriff "Propaganda" ein überzeugendes Argument sei. Dabei ist es nur ein Armutszeugnis des eigenen Schwarz-Weiß-Denkens: Wenn man keine Argumente hat, dann schreit man eben am Stammstisch von Steffen "Propaganda" ohne Sinn und Verstand!

  11. 31.

    Was Beleidigung und Üble Nachrede sind wissen Sie schon oder?
    Dass sowas überhaupt durchgeht ist wieder mal typisch.

    Und wenn hier einer "Argumente" vermissen lässt, dann Sie.
    Merke: unbelegte Behauptungen sind keine "Wahrheiten"

    Was das hier zudem alles mit dem Thema zu tun hat frage ich mich auch.

  12. 30.

    "Wer mehr möchte und arbeitsfähig ist, möge sich bitte wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen statt immer nur verlautbaren zu lassen, dass er den Hals nicht voll bekommt. "

    Eine durchsichtige Verleumdung ala Black Rock Merz. HartzIV Bezüge wurden noch nie an Inflationsraten und Teuerungen bei Lebensmitteln oder Lebenshaltungskosten angepasst und sind seit Jahren bewußt verfassungswidrig zu niedrig angesetzt.

  13. 29.

    Nanu? Angst vor einer Debatte, die sie wie alle anderen vorher nicht gewinnen können weil sie einfach keine Argumente haben?

  14. 28.

    Nanu? Angst vor einer Debatte, die sie wie alle anderen vorher nicht gewinnen können weil sie einfach keine Argumente haben?

  15. 27.

    Bitte nicht missverstehen. Schauen Sie nochmal in Ruhe was geschrieben stand:
    „Man muss verhindern, zu lange „draußen“ zu sein. Sonst verlernt man so einiges.... “

  16. 26.

    @rbb24: Ich werbe darum, sofort die Kommentarfunktion zu sperren. Ganz schnell.

  17. 25.

    Dummheit wäre es in der Tat, das direkt zu behaupten. Alle Bestrebungen vorwiegend von Friedrich Merz setzen aber genau dieses Weltbild voraus. Das beißt die Maus keinen Faden ab.

    Der Mann ist "Monde" von der irdischen Wirklichkeit entfernt, wieviel Nichtachtung, Demotivierung und angestoßene negative Kreisläufe darin stecken, Menschen unverzüglich in etwas hineinzupressen. Das war der Boden von Hartz IV; jetzt gibt es Hartz IV light, mit dem Begriff Bürgergeld als bloßes Etikett.

    Die beiden Weltbilder können nur als sich gegenseitig ausschließend stehengelassen werden, übrigens systemübergreifend.

  18. 24.

    Da liegen schon die unterschiedlichen Weltbilder:
    Eines, dass weiß, dass Menschen erstmal zur Ruhe kommen müssen, nachdem sie in den allermeisten Fällen anderweitig rausgeschleudert wurden und sich nach der Phase einer persönlichen Stabilisierung in Ruhe umorientieren können, DAGEGEN das andere Weltbild, das offenbar in jedem Monat Nichtbewerbung ein Faul-Werden behauptet. Wer sich nicht im Getriebe weiß und es nicht mithilft, anzutreiben, muss als faul gelten.

    Mein Menschenbild und mein Weltbild ist definitiv ein anderes.

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