Ampel und Union finden Kompromisse - Der Weg für das Bürgergeld ist frei

Di 22.11.22 | 17:55 Uhr
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Symbolbild: Besucher der Agentur für Arbeit in Leipzig warten am 30.06.2010 an einem Schalter. (Quelle: dpa/Hendrik Schmidt)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 22.11.2022 | Stephanie Teistler | Bild: dpa/Hendrik Schmidt

In tagelangen Verhandlungen um das Bürgergeld haben sich die Ampel-Koalition und die Union auf Kompromisse geeinigt. Damit kann das Bürgergeld für Millionen Beziehende am 1. Januar die derzeitigen Hartz-IV-Leistungen ablösen.

Nach tagelangem Ringen haben die Ampel und die Union den Weg für das geplante Bürgergeld freigemacht. Beide Seiten erzielten in den Streitfragen zu der geplanten Sozialreform Kompromisse. Die Einführung zum soll noch zum Jahreswechsel möglich werden.

Medienberichten zufolge sollen Bezieher des Bürgergeldes bereits ab dem ersten Tag sanktioniert werden können - etwa wenn sie ein Jobangebot ablehnen. Der bisherige Entwurf hatte Sanktionen im Regelfall erst nach sechs Monaten vorgesehen - somit hat sich die Union mit ihrem Widerstand gegen geplante Erleichterungen durchgesetzt.

Union hatte auf mehr Sanktionen bestanden

Die Union hatte darauf gepocht, dass es mehr Sanktionen für Empfängerinnen und Empfänger gibt als ursprünglich geplant. Solche Leistungsminderungen sollen greifen, wenn Arbeitslose sich zum Beispiel nicht für einen Job bewerben, obwohl dies mit dem Jobcenter vereinbart war. Die Ampel hatte eine "Vertrauenszeit" von sechs Monaten vorgesehen, in denen es diese Sanktionen nicht geben sollte.

Zudem forderten CDU und CSU, dass Betroffene weniger eigenes Vermögen behalten dürfen, wenn sie die staatliche Leistung erhalten. Die Ampel hatte ein Schonvermögen von 60.000 Euro vorgesehen. Laut Reuters sieht der Beschlussvorschlag nun ein Schonvermögen von 40.000 Euro vor und 15.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt.

Die FDP hatte Grüne und SPD zuvor zu Kompromissen aufgefordert. Auch "noch attraktivere Hinzuverdienstregeln" sollten dabei in den Blick kommen. Laut bisherigem Entwurf soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können, wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient.

Bereits geplant war, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss an diesem Mittwoch festzurrt. Bis Freitag sollen Parlament und Länderkammer das Bürgergeldgesetz beschließen. Zum 1. Januar sollen dann die Bezüge etwa von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen.

Linkenchefin Wissler spricht von "Wettbewerb der Schäbigkeiten"

Sozialverbände und die Linke reagierten enttäuscht. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, es bleibe beim tiefen Misstrauen gegen Arbeitslose. Linkenchefin Janine Wissler warf der Union einen "Wettbewerb der Schäbigkeiten" vor.

Die SPD in Brandenburg zeigte sich hingegen mit dem Kompromiss zum geplanten Bürgergeld zufrieden. Es gebe jetzt die nötigen Möglichkeiten, Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das sagte der Generalsekretär der Brandenburger SPD, Kolesnyk, in rbb24 Brandenburg aktuell.

Auch die Arbeitgeberverbände begrüßten den Kompromiss. Das bewährte Prinzip des Forderns und Förderns bleibe erhalten.

Knapp fünf Millionen Menschen betroffen

Das Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung Hartz-IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Änderungen betreffen knapp fünf Millionen Leistungsbezieherinnen und -bezieher sowie 405 Jobcenter mit fast 75.000 Beschäftigten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 22.11.2022, 12:00 Uhr

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109 Kommentare

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  1. 109.

    Eine richtige Reform wäre:
    Bürgergeld 1 für Kranke, Bürgergeld 2 für Renten Aufstocker, Bürgergeld für Härtefalle nach langer Arbeitszeit x und nach 12 Monaten ALG kein Bürgergeld. Warum reichen keine 12 Monate für eine Arbeitssuche? Wo ist mein Denkfehler? Wir haben das Geld irgendwann nicht mehr.

  2. 108.

    Nochmal, da offenbar übersehen: Sofern Sie neben Ihrem derzeitigen Job keine weiteren Haushaltseinkünfte durch Partner, Kindesvater, Staat (Kinderzuschlag, Wohngeld...?) (An-/Verrechnung Kindergeld weiß ich grad nicht) haben, mag das finanziell evtl. so hinkommen und dann ist das auch vollkommen ok und gut, wenn Sie sich mehr um Ihre Kinder kümmern wollen. Vorher sollten Sie sich aber noch einmal genau beraten lassen, auch wegen späteren Rentenansprüchen / Altersarmut bei diesem Lebensmodell.

  3. 107.

    Dank der Union wird aus dem Bürgergeld ein Würgergeld alias Alg ll 2.0.

    Die Unio war, ist und bleibt asozial .

  4. 106.

    Diese Geschrei um Sanktionen. Natürlich braucht es sie. Grundsätzlich sind die Leistungen gut und sinnvoll. Es kann jeden treffen. Aber es sind Steuergelder, die können nicht einfach jedem dauerhaft zur Verfügung stehen. Es muss Anreize geben, wieder zu arbeiten, für alle, die arbeiten können. Und da hilft nicht immer nur streicheln

  5. 105.

    Ihr kurz gedachter Neid bremst Sie leider dabei aus, sinnvoll und konstruktiv zu argumentieren. Wenn Sie das Sozialsystem bis heute nicht verstehen konnten, möchten Sie es sicher auch in Zukunft nicht verstehen. Das macht ja nichts, dafür ist die Solidargemeinschaft ja da, auch Sie mitzunehmen und zu tragen, wenn Sie auf die Hilfe der anderen angewiesen sind.

  6. 104.

    "Das macht schon der Arbeitgeber, wenn man betrunken zur Vorstellung erscheint!"
    So schafft man Verständnis. Dann bitte auch eine komplette Streichung des BG, auch die Miete.

    Sonst wird doch auch immer über Freiheit geschrien. Warum nimmt man sich nicht die Freiheit seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen, wenn auch nur Teilweise. Man darf doch wohl noch eine Gegenleistung erwarten. Sozialismus ist nun mal abgeschafft. Für mich ist das BG noch zu großzügig bemessen. Also nicht meckern sondern sich freuen dass es fürs Nichtstun mehr Kohle gibt.

  7. 103.

    Ganz ehrlich, jetzt denke ich mal an mich.

    Was haben sie eigentlich für ein Problem damit?

    Ich habe lange eingezahlt und gehe auch weiter arbeiten.

    Jetzt bietet sich mir die staatliche Gelegenheit mit weniger Sorgen meinen Alltag zu bestreiten.

    Vor wenigen Monaten gehörte ich noch zu den coronaheldinnen.

    Schon vergessen?

  8. 102.

    Mal abgesehen davon, dass es in D gute Tradition ist, dass sich Geringverdiener von konservativen Politikern in Neidtretdebatten gegenüber den Allerschwächsten schon immer gut einspannen ließen, stellen sich mir folgende Fragen:

    Was genau hatte denn am HARTZ IV System so wundervoll funktioniert, was beim SPD-Bürgergeld nun drohte aus dem Ruder zu laufen?
    Die vielen offenen schlecht bezahlten Jobs gabs doch vorher auch schon, oder etwa nicht?? Und was genau haben die Konservativen nun eigentlich substantiell erreicht, außer das deren Umfragewerte gestiegen sind?

  9. 101.

    "Die Arbeitgeberverbände: Prinzip des Forderns und Förderns bleibe erhalten." Jawohl doch, ganz im Sinne des Konservatismus mit ihrer sozialen Hängematte -ähm Markrktwirtschaft, den ArbeitNehmer fordern und den ArbeitGeber fördern, aber wehe einmal andersrum, dann gibts Krokodilstränen und keine Parteispenden mehr.

  10. 100.

    Die Zeiten haben sich geändert.In DL haben wir Arbeitskräfte-und Fachkräfte-Mangel. Auch mit 55+ werden Sie auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht.Gerade deshalb sollten arbeitsunwillige Bü.G.Empf., mit Sanktionen belegt werden, wenn sie ohne wichtigen Grund, eine SV-Arbeit ablehnen.
    Oder,wenn Arbeitsunwillige die Arbeitsaufnahme hinauszögern u.s.w. Auch, wenn man lieber "nur" einen Mini-Midi-Job ausüben und zusätzlich Bü.G. beziehen möchte. Nur ! wirklich Bedürftige sollten Bü.G. erhalten.

  11. 99.

    " Ich kenne nach 30 Jahren Arbeit kein Arbeitsamt von innen, vielleicht verstehen Sie jetzt was ich meine!"

    Schön für sie, gilt aber nicht für alle oder glauben sie als Siemens dicht gemacht hatte bekommt man mit 55 noch einen Job?

    Sie sind zynisch, menschenverachtend und anmaßend.

  12. 98.

    Seit wieviel Jahren sind Sie denn in der Arbeitsagentur / im JobCenter tätig ?? Ich vermute mal, überhaupt nicht.
    Hier geht es um Pflichten und Rechte von arbeitslosen und bedürftigen Menschen, denn das Bürgergeld ist Steuer-finanziert.
    Die Mitarbeiter(innen) in den Agenturen und JobCentern, tun ganz sicher ihr Bestes. Sie setzten unter nicht immer leichten Bedingungen, die Vorgaben des Gesetzgebers um. Sie zahlen Leistungen, führen Vermittlungsgespräche, begleiten die Menschen u.v.m.

  13. 97.

    Die Bürgen gehen nicht zur Sparkasse und schauen nach, Sie zählen zu Hause die Mäuse, dem Staat geht das persönliche Vermögen nichts aber auch gar nichts an!

  14. 96.

    Schwarze Schafe gibt es in der Politik, Sport, Arbeitgebern-nehmern, im Gesundheitswesen,etc.ect. Man kann den wirklich Bedürftigen nicht damit gleichsetzen! Ich bin froh, wenn die armen Menschen etwas mehr zum Leben haben. Aber! Wer arbeiten kann, muss sich eingeben und arbeiten gehen.

  15. 94.

    Naja, die "Entscheider" mussten jetzt auch zügig zum Ziel kommen. Wenn es mit der Rezession und den darausfolgenden Massenentlassungen losgeht, muss wenigstens das Bürgergeld geregelt sein...

  16. 93.

    Weil sie Menschen sind und keine Maschine die eine Rendite abwerfen muß.....
    Wissen Sie eigentlich das Menschen mit Ihrer Arbeit für die Wirtschaft in einem Land verantwortlich sind? Wer nicht arbeitet bekommt halt nicht viel Geld, eine ganz logische Schlussfolgerung.

  17. 92.

    Der war gut: Aber noch besser sind die ,,Qualifizierungen,, der Jobcenter : Wie schreibe Ich eine Bewerbung ? Damit findet der ,,Bürger,, auf jeden Fall einen Job-garantiert.

  18. 91.

    Menschenverachtend? Wenn man dagegen ist das Menschen ohne Job noch mehr Geld für die Freizeit bekommen? Ich bitte Sie das kann nicht Ihr Ernst sein? Sie sind bestimmt auch für das bedingungslose Grundeinkommen. Ich kenne nach 30 Jahren Arbeit kein Arbeitsamt von innen, vielleicht verstehen Sie jetzt was ich meine!

  19. 90.

    Mich würde ja mal interessieren wie die Bürger das dann machen. Gehen sie Vormittags zum einkaufen zur Tafel und Nachmittgas zur Sparkasse um nachzusehen wie weit sie noch von den erlaubten 40000 Euro entfernt sind oder umgekehrt?

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