Klima-Demonstranten - Innensenatorin fordert längeren Gewahrsam - Kritik von Linken und Richterbund

Di 15.11.22 | 15:44 Uhr
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Eine Demonstrantin der Gruppe "Letzte Generation" sitzt, umringt von Polizeibeamten, am 14.11.2022 auf der Ausfahrt der Stadtautobahn am Sachsenring.(Quelle:dpa/P.Zinken)
Audio: rbb24 Inforadio | 15.11.2022 | Iris Spranger im Interview | Bild: dpa/P.Zinken

Wer sich in Berlin auf Straßen festklebt und so andere nötigt, dem drohen 48 Stunden Polizeigewahrsam. Der Innensenatorin ist das zu wenig. Der Richterbund verweist auf das Rechtssystem.

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will erreichen, dass Klima-Demonstranten bei rechtswidrigen Protestaktionen auch in der Hauptstadt künftig länger als 48 Stunden in Gewahrsam genommen werden können. Dazu müssten allerdings die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Berlin geändert werden, sagte sie am Dienstag dem rbb.

Anders als zum Beispiel in Bayern, wo bis zu 30 Tage Gewahrsam möglich seien, könne Gewahrsam in Berlin maximal 48 Stunden dauern, so Spranger. "Ein 30-tägiger Gewahrsam ist in Berlin wie auch in den meisten anderen Bundesländen rechtlich nicht möglich. Schön wäre es, wenn wir das länger als 48 Stunden machen könnten, aber 30 Tage finde ich verfassungsrechtlich eher bedenklich", sagte die Senatorin im rbb24 Inforadio. Über einen längeren Gewahrsam wolle sie nun mit der Justiz und dem Abgeordnetenhaus sprechen.

Die Berliner Linkspartei erteilte den Überlegungen von Innensenatorin Spranger allerdings noch am Dienstag eine klare Absage. Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, kritisierte solche Gedankenspiele als "Wahlkampfpropaganda" und sagte dem rbb, er gehe nicht davon aus, dass das Thema in der rot-grün-roten Koalition ernsthaft diskutiert wird.

Richterbund verweist auf Rechtssystem

Der Deutsche Richterbund wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, dass die Justiz in Berlin beim Thema der Klima-Demonstranten unangemessen vorgehe. Der Vorsitzende des Landesverbands, Stefan Schifferdecker, sagte ebenfalls am Dienstag im rbb24 Inforadio, viele der Klima-Demonstranten seien noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Auch wenn Nötigung oder Hausfriedensbruch Straftaten darstellten, seien dafür bei Ersttätern keine Gefängnisstrafen vorgesehen. Entsprechende Forderungen entsprächen nicht dem Rechtssystem.

Ob es künftig möglich sein sollte, nur Klima-Demonstranten länger in Gewahrsam zu nehmen, sei eine politische Entscheidung, betonte der Richter. "Man muss bedenken, dass sie [Anm. d. Red.: die Klima-Demonstranten] ein verfassungsrechtlich geschütztes Demonstrations- und Versammlungsrecht ausüben", so Schifferdecker.

Spranger: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel"

Berlins Innensenatorin Spranger hatte erneut die Straßenblockaden der "Letzten Generation" kritisiert, betonte aber auch, dass ihr das Thema Klimawandel "überhaupt nicht egal" sei. "Aber wie protestiert wird, dafür habe ich gar kein Verständnis. Die Blockaden greifen in die Freiheitspflichten der Menschen ein, in Zwänge und Nöte, das ist ignorant. Und der Zweck heiligt eben nicht die Mittel", so Spranger.

Die Berliner Polizei habe schon mehr als 2.000 Strafanzeigen gegen Klima-Demonstrierende geschrieben, es habe bislang 300 Gewahrsamsvorführungen gegeben, knapp 800 Vorgänge lägen bei der Staatsanwaltschaft. "Dabei geht es um Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Behinderung von hilfeleistenden Personen und gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr", fasste Spranger zusammen.

"Uns geht es nicht darum, gemocht zu werden"

Der 31-jährige Berliner Naturwissenschaftler Theodor Schnarr ist einer der Organisatoren der Straßenblockaden der "Letzten Generation". Zur Forderung der Innensenatorin nach einem längeren Gewahrsam sagte er ebenfalls im rbb24 Inforadio: "Das würden wir in Kauf nehmen. Wenn Frau Spranger sagt 96 Stunden Gewahrsam, dann gehen wir 96 Stunden in Gewahrsam."

Zur Kritik auch aus den Reihen der Grünen an den Protestformen der "Letzten Generation" bemerkte Schnarr: "Menschen, die sich jetzt schon gegen den Klimawandel einsetzen, werden das auch weiterhin tun, auch wenn sie unsere Protestform nicht gut heißen." Ihm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern gehe es nicht darum, gemocht zu werden, so der Aktivist. "Es geht um den drohenden Zusammenbruch unserer Zivilisation, um die Zukunft unserer Kinder. Deshalb wählen wir Protestformen, die nicht ignoriert werden können. Ziviler Widerstand und das Unterbrechen des Alltags sind das effektivste Mittel."

Anhänger der "Letzten Generation" kleben sich immer wieder auf Straßen fest und verursachen lange Staus. Aufsehen erregten auch Aktionen, bei denen sie Kunstwerke in Museen beschmierten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15. November 2022, 7:05 Uhr

241 Kommentare

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  1. 240.

    Tja, Herr Alfred E. Neumann... manchmal lernt man sogar von rechtsextremen Dummköpfen... aber jetzt klauen sie auch noch ganz schlecht...

  2. 238.

    Siebenten das Urteil gleich mehrfach nicht verstanden. Das fängt bei Grundgesetz Artikel 72 an und hat bei "soziale" Wohnpolitik noch lange nicht auf.

  3. 237.

    "Es ist wie beim Mietendeckel, deren Scheitern von vielen prognostiziert wurde.
    "Wenige Ideologen waren anderer Meinung, also gehörten der Mindermeinung an."

    Sie haben halt das Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht verstanden. Damit unterstützen Sie die Politik, die es aktiv-absichtsvoll nicht verstehen will:

    Das Mietendeckelurteil besagt, dass soziale Wohnpolitik von der Bundespolitik verantwortet wird.
    Wie Sie drauf kommen, die müsse nun "Verfassungswidrig" sein - keine Ahnung. Das Mietendeckel-Urteil gibt das gar nicht her.

    Sie Herr Besserwisser sind offenbar an sozialer Wohnungspolitik nicht interessiert. Weshalb SIE sie der Bundespolitik auch nicht abverlangen. So siehts aus.

  4. 235.

    Mich interessieren die Quellen aber. Wären Sie bitte so nett?

  5. 234.

    Meine Aussage konnten Sie aber wie gewöhnlich nicht widerlegen, sondern haben nur Nebelkerzen gezündet.

  6. 232.

    Das ändert nichts an der Richtigkeit meiner Aussage. Die sie mit ihren Ausflüchten ja auch überhaupt nicht bestreiten.

    Netter Versuch.

  7. 231.

    Können Sie auch sachlich ohne stets persönlich zu werden?

  8. 230.

    Ich kann Ihren Ausführungen nicht folgen, da diese m. E. irrlichternd mit dem Rücken zur Wand konstruiert sind.

    Es ist der offensichtliche Vorsatz, der zu vielen, vielen, vielen Verurteilungen der 9-Euro-Ticket-Aktivsiten geführt hat.

    Die wenigen, anderslautenden Urteile werden in der nächsten Instanz sicherlich wieder kassiert.

    Es ist wie beim Mietendeckel, deren Scheitern von vielen prognostiziert wurde.

    Wenige Ideologen waren anderer Meinung, also gehörten der Mindermeinung an.

    Sie können natürlich auch weiterhin ganz fest weiter daran glauben, dass die gerichtliche Mindermeinung zur Mehrheitsmeinung in dieser Sache wird.

    Wahrscheinlich hilft aber auch hier das Glauben wenig.

    Ihr letzter Absatz (persönlich) zeigt, dass es argumentativ dünn bei Ihnen wird.



  9. 229.

    Das ändert nichts an der Richtigkeit meiner Aussage. Die sie mit ihren Ausflüchten ja auch überhaupt nicht bestreiten.

    Netter Versuch.

  10. 228.

    Dann führen Sie den Nachweis, dass das neue Klimaschutzgesetz nicht eingehalten wird und klagen erneut. Gewalt wie die der Organisation "Letzte Generation" zur Nötigung der Bundesregierung sind jedenfalls kein rechtsstaatlicher Weg in einer Demokratie.

  11. 227.

    Warum sogar die Autodichte in Kreuzberg zunimmt, ist Ihrerseits Spekulation. Dabei hat selbst Günther kommuniziert, dass die Mehrheit der Berliner Haushalte Zugriff auf mindestens ein Auto hat, meist Privatwagen, zu einem kleinen Teil aber auch Firmenwagen.

  12. 226.

    Der Rechtsweg zum BVerfG in Sachen Klimaschutz wurde beschritten und eben ignoriert. Und nun ... ist das halt so?

  13. 225.

    Nein, das bedeutet das sich eine Minderheit Zweit- und sogar Drittwagen leisten können, die Mehrheit der Berliner nicht. Eigentlich logisch oder?

    Aber wenn auch der 11.11. schon ein bißchen her ist gibbet für ihre Antwort einen Narhallamarsch! *umfta,umfta*

  14. 224.

    Mal abgesehen davon dass der konstruierte Straftatbestand völlig abwegig ist, sonst hätte es ja keine Freisprüche gegeben, was hat ihre Antwort mit meiner zu tun?

    Beschäftigungstherapie? Langeweile?

  15. 223.

    " Immer mehr Familien leisten sich Zweit- und sogar Drittwagen."
    Das bedeutet dass die Berliner entweder viel Geld besitzen, den ÖPNV ablehnen, die Fahrradhersteller nicht genug Bikes produzieren oder auch die Kinder lieber Auto fahren.

  16. 222.

    Na ja, Vgl. StGB

    „Strafgesetzbuch (StGB)
    § 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln

    Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“

    Erkennen Sie im StGB hier das Wort, das den feinen, aber alles entscheidenden Unterschied zwischen Autofahrern und den 9-Euro-Ticket-Aktivisten strafrechtlich ausmacht?

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