Bilanz ein Jahr RGR in Berlin - Ein Hauch von Lob - ein Schwall an Kritik

Die Berliner Koalition unter Franziska Giffey feiert ihren ersten Geburtstag. Die Opposition erkennt einzelne Erfolge der Regierung an. Doch bei einer wichtigen Frage sei sie katastrophal gefloppt. Von Jan Menzel
Es ist ein bisschen gemein, die Opposition danach zu fragen, was die Regierung gut gemacht hat. Und so stutzt und lächelt Kai Wegner, CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, zunächst. "Das ist eine gute Frage", sag er dann. "Darüber muss man in der Tat ein bisschen länger nachdenken."
Aber dann fällt Wegner noch die Lehrerverbeamtung ein, die Rot-Grün-Rot richtigerweise wieder eingeführt habe. Womit allerdings eine alte Forderung seiner Partei erfüllt worden sei, wie Wegner nicht vergisst zu betonen.
AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker will selbst nach längerem Nachdenken partout nichts einfallen. Der Senat und Erfolge - für Brinker gleicht das der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Und selbst bei Projekten, die auf den ersten Blick wie erfolgreiche Regierungspolitik aussähen, zeige sich bei näherer Betrachtung der Pferdefuß.
"Das 29-Euro-Ticket ist natürlich sehr erfolgreich. Klar, wollen viele Leute mit wenig Geld den ÖPNV nutzen", sagt Brinker. Die Koalition habe bloß keine Antwort darauf, wie das Ganze dauerhaft finanziert werden könne. "Das ist völlig offen", kritisiert die AfD-Politikerin.
Das Mietenbündnis? Ein Flop
Immerhin einen kleinen Erfolg kann der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Björn Matthias Jotzo, darin erkennen, dass kürzlich ein erstes Reformpaket für den völlig überlasteten Rettungsdienst der Stadt verabredet wurde. Aber das wiegt aus Jotzos Sicht nicht auf, was in einem Jahr Rot-Grün-Rot nicht gelungen sei.
"Der größte Misserfolg der Koalition liegt in der Wohnungsbaupolitik", sagt Jotzo. "Es ist nicht gelungen, die Ziele zu erreichen und es ist absehbar, dass die Wohnungsnot in Berlin sich noch weiter verfestigen wird."
Von einem gefloppten Mietenbündnis spricht auch Kai Wegner von der CDU. Er läuft sich gerade warm für die Wiederholungswahl und das Rote Rathaus. Für den Fall, dass er dort am Ende als Regierender Bürgermeister ankommen sollte, verspricht er eine andere Verkehrspolitik. "Wir sind Stau-Hauptstadt. Wir haben Verkehrschaos", sag er. "Ich möchte eine Verkehrspolitik wirklich für alle Berlinerinnen und Berliner machen, auch fürs Auto, weil zum mobilen Berlin auch das dazugehört."
"Wir können nicht mal Wahlen organisieren"
Berlin und Chaos: Auf diesen Nenner bringen auch die anderen Oppositionsparteien ihre Bilanz des ersten Jahres Rot-Grün-Rot unter Franziska Giffey. So sei die Bildungspolitik nach wie vor ein Debakel, sagt FDP-Politiker Jotzo und legt den Finger dorthin, wo vor mehr als einem Jahr alles begann: "Wir können nicht mal Wahlen organisieren, selbst die normalen Verwaltungsleistungen können nicht abgerufen werden. Das sind riesige Probleme und die Koalition hat nichts davon in den Griff bekommen."
Dass es nun zur Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl kommt, wertet Kristin Brinker von der AfD als "den größten Misserfolg". Dass während der chaotischen Wahl und der Vorbereitung derselben der Vorgängersenat in der Verantwortung war, ficht nicht an. Die Zusammensetzung des Senats habe sich nach der Wahl ja nicht geändert, sagt sie.
Die FDP will die Berliner Bezirke abschaffen
Das würde die Regierende Bürgermeisterin Giffey sicher bestreiten. Sie kam schließlich erst danach ins Amt. Aber weil nun die Wiederholung der Pannenwahl ansteht, mischt sich in die Bilanz der Oppositionsparteien auch der Blick nach vorn, auf den Wahlkampf.
So propagiert die FDP den großen Wurf aus "Bezirke abschaffen und die Verwaltung neu aufstellen". Die AFD macht die steigenden Zahlen Geflüchteter zum Thema und sieht die Stadt allmählich mit der Aufnahme so vieler Menschen überfordert. Und CDU-Chef Wegner verspricht, dass es mit ihm keine Enteignungen von Wohnungskonzernen geben werde.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.12.2022, 19:30 Uhr
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