rbb-Krise - Der kontrollierte Skandal

Do 01.12.22 | 06:08 Uhr | Von René Althammer und Jo Goll
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Archivbild: Haus des Rundfunks, RBB, Rundfunk Berlin Brandenburg, Masurenallee in Berlin Charlottenburg. (Quelle: dpa/J. Held)
Bild: dpa/J. Held

Ein Bonussystem für Führungskräfte, unsolide Haushaltsführung, ein überdimensioniertes neues Medienhaus: Für die großen rbb-Skandale ist nicht nur die alte Geschäftsleitung verantwortlich. Auch die Kontrollgremien wussten Bescheid. Von René Althammer und Jo Goll

Am 1. Dezember muss der rbb-Verwaltungsrat über das Ende des "Digitalen Medienhauses" entscheiden – jenen hoch umstrittenen Neubau, der einer der Auslöser der schweren rbb-Krise ist. Denn wenn es ums Geschäft geht, haben die Verwaltungsratsmitglieder das letzte Wort. "Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin mit Ausnahme der inhaltlichen Gestaltung der Angebote", heißt es im rbb-Staatsvertrag vom 25. Juni 2002.

Gewählt werden die sieben Mitglieder des Verwaltungsrats vom Rundfunkrat. Auch der oder die Vorsitzende des Rundfunkrats dürfen an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilnehmen, der sich um die "mittelfristige Finanzplanung" und die Wirtschaftspläne ebenso kümmert wie um alle Geschäfte, bei denen es um mehr als 200.000 Euro geht. Der rbb wird also gut kontrolliert – wie konnte es dann trotzdem zu den Skandalen kommen?

Die 100. Sitzung des Verwaltungsrats

Januar 2018: Die Mitglieder des rbb-Verwaltungsrats trafen sich zur 100. Sitzung des obersten Kontrollgremiums. Auch die rbb-Geschäftsleitung um Patricia Schlesinger war vollständig erschienen. Nur die Vertreter der Rechtsaufsicht der Länder Berlin und Brandenburg ließen sich nach Informationen des rbb-Rechercheteams entschuldigen.

Auch deren Anwesenheit hätte wohl nichts am Ergebnis jener Sitzung geändert, denn: "Der Verwaltungsrat kontrolliert die Geschäfte der Intendanz sowie der rbb-Tochterunternehmen und schließt den Dienstvertrag mit Intendant oder Intendantin ab. Eine Einflussnahme durch die Landesregierung ist wegen des Gebotes der Staatsferne ausgeschlossen", heißt es aus den Staatskanzleien beider Länder.

Neues Bonussystem für Führungskräfte – Komplett-Versagen der Kontrollorgane

Den Auftakt machte damals Wolf-Dieter Wolf, der Verwaltungsratsvorsitzende. Schnell kam er zu einem Thema, dass den rbb bis heute umtreibt: Es geht um das neue Konzept zur Bezahlung der Mitglieder der Geschäftsleitung und der Hauptabteilungsleiter, ausgearbeitet von der Firma Kienbaum. Monatelang soll das System entwickelt worden sein, neben der rbb-Intendantin Schlesinger und dem Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf seien auch Mitglieder des Rundfunkrats und des Haushalts- und Finanzausschusses einbezogen worden.

Allen Teilnehmern der Sitzung wurde das neue System deutlich und unmissverständlich erklärt: Wenn die Mitglieder der Geschäftsleitung ihre Ziele voll erreichen, können sie zehn Prozent ihres Basisgehalts – das im Anstellungsvertrag festgelegt wird - zusätzlich bekommen.

Als das Bonus-System in diesem Jahr öffentlich wurde, kam es zu einem Aufschrei: Selbstbedienungsladen lautete der Vorwurf. Auch die ARD-Führungsspitzen empörten sich, obwohl sie schon lange wussten, was da im rbb ablief.

Recherchiert man dazu, wie das Bonussystem seinerzeit im rbb-Verwaltungsrat vorgestellt wurde, hat man den Eindruck, dass der durchaus dominant vortragende Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf das kollektive Kontrollgremium mehr oder weniger gut im Griff hatte. Als ein Mitglied fragte, inwieweit die Verwaltungsratsmitglieder auch über die Zielvereinbarungen der Direktoren oder der Intendantin und die Abrechnung informiert werden, verwies Wolf darauf, dass er in die Auswertung der Vereinbarungen einbezogen sei und den Verwaltungsrat so informieren werde, dass die Mitglieder ihrer Verantwortung nachkommen können.

Im Klartext: Der Verwaltungsratsvorsitzende steht im Zentrum – über ihn werden die Mitglieder informiert, ohne ihn scheint nur wenig zu laufen. Transparenz sieht anders aus. Aber Widerspruch dagegen scheint sich auch nicht geregt zu haben.

Das endgültige Aus für das Digitale Medienhaus

Am 1. Dezember 2022 trifft sich der Verwaltungsrat zur 130. Sitzung. Wolf-Dieter Wolf und Patricia Schlesinger sind nicht mehr dabei. Dabei geht es um ihr ehrgeizigstes Projekt: Das Digitale Medienhaus. Für Planungen und Vorbereitungen des Neubaus sollen bis Ende September 2022 gut 4,6 Millionen Euro geflossen sein.

Am 18. Juli 2022 wurden die Arbeiten vorerst gestoppt, weil Vorwürfe wegen möglicher Verstöße gegen das Vergaberecht und mögliche Interessenskonflikte aufkamen. Konkret ging es um explodierende Kosten sowie den damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf und seine Kontakte zu Beraterfirmen. Dabei wurde auch bekannt, dass Wolf über den Verwaltungsrat Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hatte, wohl auch, um Widerstände im rbb-Justitiariat auszuräumen.

Jetzt muss der Verwaltungsrat offiziell die Beendigung des Projektes beschließen. Die Vorlage samt Anlagen soll nach Informationen des rbb-Rechercheteams mehr als 50 Seiten umfassen und kann wohl gut auch als Fundamentalkritik an der Arbeit des wichtigsten Kontrollgremiums während der Ära Schlesinger-Wolf gelesen werden.

Millionenausgaben widerspruchslos zugestimmt

Im Frühjahr 2020 wurden die Verwaltungsratsmitglieder darüber informiert, dass die Prognose für das DMH samt Teilprojekt "Weiterbetrieb Studio A und FSZ" bei 117 Millionen Euro liegt. Für Planungsleistungen, Ausschreibungen und Berater werden damals Ausgaben von mehr als fünf Millionen Euro genehmigt.

Finanzierungswege wurden gesucht, Projektbudgets festgelegt. Was fehlte, war die Antwort auf eine grundsätzliche Frage: Kann der rbb das DMH-Projekt mittel- und langfristig finanzieren?

Auch als die Mitglieder des Verwaltungsrats im Frühjahr 2022 allein für die Errichtung des Gebäudes eine Summe von bis zu 125 Millionen Euro genehmigten und der "Suche" nach einer Zwischenfinanzierung über 31 Millionen Euro zustimmten, lag ihnen keine Darstellung der Kostenentwicklung für das Gesamtprojekt vor. Später wurde der Vertragsabschluss blockiert.

Lediglich eine Übersicht über die "möglichen Sollzinszahlungsverpflichtungen" zwischen 2022 und 2026 erhielten die obersten KontrolleurInnen: je nach Zinssatz 865.000 bis zu eine Million Euro. Aber eine Prognose der Gesamtkosten samt Zinsen über 30 Jahre fehlte. Dabei hätte allein die Tilgung der knapp 190 Millionen Euro den rbb mindestens 5 Millionen Euro pro Jahr gekostet – je nach der Höhe der bewilligten Fördermittel für den Neubau.

Berater hier und da

Vielleicht hätten die Verwaltungsräte einfach auf die Berater zugehen und sie fragen sollen. Immerhin haben die teilweise exorbitante Tagessätze für ihre – mitunter auch gute – Arbeit bekommen: Drei Rechtsanwaltskanzleien, zwei Consultants, Projektsteuerer, Fördermittelberater usw. Sie alle haben mehr als 3,7 Millionen Euro an dem Projekt verdient, das nun beendet wird.

Noch sind nicht alle Verträge aufgelöst. Ein Teil der Ausgaben ist unwiederbringlich verloren und muss abgeschrieben werden. Dass die Geschäftsleitung über Jahre wohl nicht nur "über ihre Verhältnisse gewirtschaftet", sondern auch geplant hat, dafür sind auch die Mitglieder des Verwaltungsrats verantwortlich.

Nachdem die "Sparkasse" des Senders geplündert ist, drohen Einsparungen bei Programm und Personal – die Beitragszahler und die Belegschaft werden es hier und da zu spüren bekommen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.12.2022, 6 Uhr

Beitrag von René Althammer und Jo Goll

31 Kommentare

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  1. 31.

    Warum wickelt man den RBB nicht ab?
    Täglich die präsenter Geldgier, die Überheblichkeit, die Arroganz, das Vertuschen, das Meinungsbilden.
    Von ehrlicher und konsequenter Aufklärung, der Erfüllung der im Staatsvertrag vorgegebenen Eckpunkte, ist hier nichts zu spüren und auch nicht mehr zu erwarten.
    Meinungsmache, Haltung, Gendern, woke Berichtserstattung, Partei- und Klientelpolitik ist neben den unappetietlichen Erkenntnissen aus der Chefetage großer Teil der Sendung.

  2. 30.

    Wenn also der Verwaltungsratsvorsitzende der Flaschenhals für Informationen und Entscheidungen war, bedeutet das einen nicht handlungsfähigen Verwaltungsrat. Auch stellt sich die Frage nach seiner Zusammensetzung, wenn es so gar keinen Widerstand gegen - teure - Träumereien von Intendanz und Co. ging. Alles, pardon, Silberrücken und nicht divers, bzgl. der beruflichen Expertise, aufgestellt. Wenn ich nur Ja-Sager*innen in einem Gremium habe, die uniform und konform denken, dann habe ich kein Gremium. In einem Gremium gibt es auch mal offene, eklatante Meinungsunterschiede. Da drängt sich angesichts der in erster Linie fiskalen Desaster die Frage auf, inwieweit die Mitglieder direkt oder indirekt vom geplanten Duckmäusertum finanziell profitierten, nahe läge es.

    Dass die ARD sich darüber empört, ist selbstredend eine Peinlichkeit für sich - man ist strukturell und persönlich mitverantwortlich und bedient sich auch kräftig, s. Buhrow o. andere ÖRR-Anstalten.

  3. 29.

    Glauben Sie ernsthaft an Wunder ? Eher wird eine Oma wieder jung.

  4. 28.

    Richtig. Doch wann kommt endlich die Abschaffung des Beitragsservice und der Umbau nach französischen Vorbild auch in Deutschland. Dieser Schritt ist überfällig!

  5. 27.

    Man fasst es nicht! "Als ein Mitglied fragte, inwieweit die Verwaltungsratsmitglieder auch über die Zielvereinbarungen der Direktoren oder der Intendantin und die Abrechnung informiert werden, verwies Wolf darauf, dass er in die Auswertung der Vereinbarungen einbezogen sei und den Verwaltungsrat so informieren werde, dass die Mitglieder ihrer Verantwortung nachkommen können. Im Klartext: Der Verwaltungsratsvorsitzende steht im Zentrum – über ihn werden die Mitglieder informiert, ohne ihn scheint nur wenig zu laufen. Transparenz sieht anders aus. Aber Widerspruch dagegen scheint sich auch nicht geregt zu haben."
    Und im Verwaltungsrat sitzen doch intelligente Doktoren und Menschen der Wirtschaft. Na ich hoffe, die Häppchen und der Kaffee haben wenigstens geschmeckt, lieber Verwaltungsrat. Ist Euch eigentlich nichts peinlich? Wieso seid ihr noch nicht zurückgetreten?

  6. 26.

    Ein Fass ohne Boden ich hoffe der RBB bleibt hier wirklich neutral weil am Ende heißt das eigentlich nur, runter mit den Gebühren.

  7. 25.

    Das kommt u.a. auf Ihre individuelle Zahlungsbereitschaft an. Und wenn mehr Menschen den Inhalt toll finden, bl3ibt es ja auch nicht nur bei Ihnen alleine als Abonnent.

  8. 24.

    Horst:
    "Antwort auf [Hanne] vom 01.12.2022 um 15:27
    Aber Sie dürften es doch dann für 20 Euro monatlich auch abonnieren, wenn es Ihnen das Wert ist. Also wo ist denn Ihr Problem bei einer selbstbestimmten Lösung?"

    Das Problem ist, dass wir einen ör Rundfunk (insb. mit politischer Berichterstattung) als Grundversorgung für unsere Demokratie brauchen und dass dies nicht mit Abo-Rundfunk funktioniert, wie der allseits unerträgliche Privatrundfunk sehr deutlich zeigt!

  9. 23.

    Horst:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 01.12.2022 um 13:34
    Der kleine aber feine Unterschied ist aber, dass die Unternehmen in der Privatwirtschaft nur das Geld verteilen können, z.B. in Form von Gehältern oder Boni, das diese auch zuvor selbst erwirtschaftet haben. Merken Sie den Unterschied?"

    Es geht hier aber um unverzichtbare Grundversorgung und nicht um irgendwelche verzichtbaren Unternehmen der Privatwirtschaft! Merken Sie den Unterschied?

    Ich verteidige hier nicht die ungerechtfertigten Ausuferungen und Boni (z.B. unter Patricia Schlesinger), sondern das prinzip des ör Rundfunk als Grundversorgung, allerdings mit angemessener Personalbezahlung!

  10. 22.

    Alfred O.:
    "Antwort auf [Immanuel]
    Meinen Sie mit Qualität die ewigen Wiederholungen oder die schlechten Shows?"

    Nein, ich meine die politischen Sendungen, die es so im Abo-Fernsehen nicht gibt!
    Der Rest ist Geschmackssache. Viele mögen diese Sendungen. Ich nicht. Aber darüber kann man nicht streiten.

    Alfred O.:
    "Wann haben Sie denn zuletzt aktiv Fern gesehen?"

    Gestern. Politik-Sendungen und -Dokus.

    Alfred O.:
    "Das Angebot ist viel zu viel, zu teuer ..."

    Dann machen Sie es billiger, aber qualitativ gleichwertig bezogen auf die Politiksendungen!

    Alfred O.:
    "... und einfach nur qualitativ zum Großteil schlecht."

    Zum Teil stimmt dies. Zum Teil ist dies aber auch Geschmackssache, worüber man nicht streiten kann.

    Alfred O.:
    "Aber hey, Sie könnten es dann ja in Zukunft abonnieren, wenn Sie es so toll finden!"

    Mein Abo wird aber nicht dafür ausreichen, weiter Politik-Sendungen zu produzieren! Und ohne die Politik-Sendungen wird unsere Demokratie leiden!

  11. 21.

    Leo:
    "Beim wdr gehen schon 35-40% der über 1 Milliarde Euro Einnahmen allein fürs "Personal" drauf."

    Also ich halte es für normal, dass ein großer Teil der Ausgaben Personalkosten sind und würde deshalb die hier angeführten 35-40% nicht kritisieren. Dies rechtfertigt aber natürlich nicht die aktuellen Ausuferungen.

  12. 20.

    @hanne, ohne Business Insider würde die ehrenwerte Patricia bestimmt über den Weihnachtsmarkt in Paris oder in Dubai die WM genießen. Oder was meinst du.

  13. 19.

    Aber Sie dürften es doch dann für 20 Euro monatlich auch abonnieren, wenn es Ihnen das Wert ist. Also wo ist denn Ihr Problem bei einer selbstbestimmten Lösung?

  14. 18.

    Korrekt! Das nennt sich Entwicklung. Schluss mit dem ewigen Konsevieren und Schützen von sich immer weiter Verschlechterungen Angeboten.

  15. 17.

    Der kleine aber feine Unterschied ist aber, dass die Unternehmen in der Privatwirtschaft nur das Geld verteilen können, z.B. in Form von Gehältern oder Boni, das diese auch zuvor selbst erwirtschaftet haben. Merken Sie den Unterschied?

  16. 16.

    Meinen Sie mit Qualität die ewigen Wiederholungen oder die schlechten Shows? Wann haben Sie denn zuletzt aktiv Fern gesehen? Das Angebot ist viel zu viel, zu teuer und einfach nur qualitativ zum Großteil schlecht. Aber hey, Sie könnten es dann ja in Zukunft abonnieren, wenn Sie es so toll finden!

  17. 15.

    @ Hanne, gib mir doch einen Tipp wer seriös recherchiert. RBB

  18. 14.

    Wie viel Abonnenten es dann gibt, liegt im Aufgabenbereich der Sender. Wer schlecht ist macht dicht!

  19. 13.

    Ein durchsichtiges Manöver,Business Insider ist in erster Linie Konkurrent und nicht gerade für Seriösität bekannt.

    "Die Website wurde mehrfach für die Aufmachung ihrer Schlagzeilen, dem sogenannten Clickbaiting kritisiert. Außerdem wurde sie vom US-Magazin The New Yorker dafür kritisiert, dass Veröffentlichungsgeschwindigkeit vor Genauigkeit gehe."

  20. 12.

    nur gut, dass es Buisness Inside und ähnliche Unternehmen gibt. Die den Teppich etwas anheben und kräftig reinigen. Es ist unfassbar was in diesen System los ist.

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