Volksinitiative in Brandenburg - Insektendialog in der Sackgasse

Di 06.12.22 | 11:46 Uhr | Von Stephanie Teistler
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Eine Honigbiene sitzt auf einer Wabe (Quelle: dpa/Geisler-Fotopress)
Bild: dpa/Geisler-Fotopress

Knapp 100.000 Menschen hatten vor drei Jahren für mehr Insektenschutz in Brandenburg unterschrieben. Volksinitiativen und Fachpolitiker hatten seitdem einen Gesetzentwurf erarbeitet. Doch der droht nun an der Landespolitik zu scheitern. Von Stephanie Teistler

Insektendialog - was so putzig klingt, sollte eigentlich ein demokratisches Vorzeigeprojekt sein. Inzwischen ist es in einer Sackgasse, wo das Projekt genau steht, konnte man am vergangenen Mittwoch auch nicht im zuständigen Ausschuss für Landwirtschaft und Umwelt erfahren.

Die Parlamentarier bleiben diplomatisch vage. Nur eines haben alle scheinbar gemeinsam: Hoffnung. Hoffnung darauf, dass der Insektendialog zu einem guten Ende kommt. Was ein gutes Ende ist, bleibt Interpretationssache.

Einig ist man sich von Linke bis AfD am ehesten darüber, dass ein Scheitern des Dialogs ein Misserfolg wäre. Die Befürchtung: zwischen Landnutzer- und Naturschutzverbänden könnten alte Konflikte wieder aufbrechen, sie würden nicht mit, sondern gegeneinander arbeiten.

Rückblick: Demokratisches Vorzeige-Projekt

Denn genauso waren die Volksinitiativen 2019 gestartet. Sowohl die Naturschützer als auch die Landwirte sammelten damals getrennt voneinander Unterschriften für den Insektenschutz - mit ähnlichen Zielen, aber verschiedenen Vorstellungen davon, wie man diese erreichen kann. Zusammengerechnet konnten beide Initiativen dem Landtag schließlich rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Die Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen spielte den Ball Anfang 2020 aber zurück: Die Volksinitiativen sollten in einem moderierten Verfahren selbst zu Lösungen finden, der Insektendialog war geboren. Konflikte gab es in anderthalb Jahren Dialog immer wieder - vor allem bei der Frage: Was muss über Verbote geregelt werden und was funktioniert über freiwillige Förderprogramme?

Am Ende stand ein Gesetzentwurf. Er will etwa chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in Naturschutzgebieten verbieten und fordert den Verzicht von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Abstand zu fünf Metern neben Gewässern. Passiert ist seitdem: wenig. Nur eins ist klar: Das Gesetz wird so ab Januar 2023 nicht kommen.

Der Gesetzentwurf steht - Woran es jetzt hakt:

1) Bund und EU haben inzwischen eigene Regelungen

Wenn man Johannes Funke, SPD, fragt, hat sich ein Großteil der Forderungen aus dem Insektendialog bereits erledigt. Funke ist einer der drei Abgeordneten, die den Gesetzentwurf im Mai 2021 in den Landtag eingebracht hatten. So regele inzwischen der Bund, in welchem Abstand zu Gewässern Düngen und Pflanzenschutz, also Pestizide, erlaubt sind. Auch mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union ab kommendem Jahr habe sich die Grundlage für den Insektenschutz grundlegend geändert.

Zwischen EU-, Bundes- und Landesregelung macht Funke den Eindruck, als wolle er es den Landwirten nicht noch schwerer machen.

Axel Kruschat vom BUND und Mitinitiator einer der beiden Volksinitiativen will dieses Argument nicht gelten lassen. "Diese Änderungen im Bundesgesetz sind schon lange bekannt. Jetzt kommt die SPD damit um die Ecke – für mich ist das ein Zeichen, dass man der Landesregierung nicht trauen kann". Außerdem geht der Brandenburger Entwurf in vielen Maßnahmen weiter als etwa die Regelung des Bundes

2) Wer soll das bezahlen?

Am Ende geht es jetzt auch ums Geld. Denn die Landwirte hatten sich von Anfang an zum gemeinsamen Dialog und zu den Insektenschutzmaßnahmen nur bekannt, wenn sie dafür auch entschädigt würden. Denn weniger Pflanzenschutzmittel oder Dünger bedeuten fast immer geringere Ernten und damit weniger Einnahmen.

Sabine Buder vom Forum Natur, das die Seite der Landnutzer vertritt, rechnet vor: 40 bis 50 Millionen Euro würden der Dünge- und Pestizidverzicht kosten. Zwar stünde das Forum weiter hinter dem Kompromiss aus dem Insektendialog, aber auf den Ausgleich müsse man bestehen.

Das Problem: Bei den Verhandlungen waren die Finanzexperten der Fraktionen gar nicht dabei, ein Vertreter des Finanzministeriums kam erst am Ende hinzu. So finden sich auch im aktuellen Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt 2023/24 keine Mittel für ein eventuell verschärftes Insektenschutzgesetz. Die Koalition-Fraktionen müssen sich fragen lassen, wie ernst sie den Gesetzentwurf aus den eigenen Reihen nehmen.

3) Die Unterstützung im Parlament fehlt

Der kleinste gemeinsame Nenner der Fraktionen scheint nun eine Koordinierungsstelle zu sein. Sie war eine der Maßnahmen, auf die sich der Insektendialog neben den Dünge- und Pestizidverboten geeinigt hatte. Die Koordinierungsstelle soll wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse zusammenbringen.

Nicht nur Funke unterstützt sie, auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Er erklärte zuletzt, dass man die Stelle für den Insektenschutz dringend brauche und er sich dafür einsetzen werde, dass das Projekt es noch in den aktuellen Doppelhaushalt schafft.

Dem widerspricht allerdings Ingo Senftleben, der für die CDU an dem Gesetzentwurf mitgearbeitet hat. "Wenn nach drei Jahren Verhandlungen eine Koordinierungsstelle das Ergebnis ist, dann frage ich mich, wie wir unsere Zeit verbracht haben."

Senftleben spricht aus, was die Naturschutzverbände befürchten. Der größte Fehler gegenüber den Volksinitiativen sei es gewesen, dass der Gesetzentwurf nicht von allen drei Fraktionen, sondern lediglich von drei Abgeordneten eingebracht worden war, so Senftleben. "Da haben wir schon gezeigt, dass wir als Fraktionen nicht gewillt waren das zu unterstützen."

Was bleibt vom Insektendialog?

Auch die Grünen setzen noch darauf, dass am Ende ein Gesetzentwurf und nicht nur eine Koordinierungsstelle bleibt. "Wir haben den Auftrag, diesen Gesetzentwurf so zu verhandeln, dass er im Plenum auch beschlossen werden kann, wir haben nicht den Auftrag, ihn zu canceln", so Isabell Hiekel, Bündnis 90/Grüne, die den Gesetzentwurf wie Senfleben und Funke in den Landtag eingebracht hatte.

Sie verweist auch auf die Lücken in Bundes- und EU-Gesetzen, die ein Brandenburger Gesetz schließen könne.

Am Ende wird es darum gehen, wessen Hoffnung sich im Insektendialog durchsetzen wird und wer das Erreichte als Erfolg oder Niederlage empfindet. Eine mögliche Lösung könnte sein, dass das Land doch noch mehr Geld für den Gesetzentwurf locker macht.

Ob ein solcher Geldsegen kurz vor Haushaltsabschluss noch realistisch ist, ist fraglich.
Möglich ist auch, dass sich die Landtagsfraktionen und die beiden Volksinitiativen mit dem vorhandenen Geld auf Teilprojekte einigen. Also etwa auf die Koordinierungsstelle.

Vor allem den Naturschutzverbänden wird das wohl nicht reichen – sie haben als letztes Mittel bereits eine neue Volksinitiative in Aussicht gestellt. Beschädigt ist am Ende das Dialogformat. Künftige Volksinitiativen werden sich wohl sehr genau überlegen, ob sie sich darauf einlassen.

Beitrag von Stephanie Teistler

16 Kommentare

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  1. 16.

    Danke, das wünsche ich Ihnen auch, dazu eine blühende und arten- und ertragreiche Zukunft Ihrem Garten und Ihnen die baldige Erkenntnis, dass sich Wassersparsamkeit und Insektenschutz nicht ausschließen müssen. Viel Erfolg!

  2. 15.

    Es bringt mir nichts sich mit jemanden zu Schreiben der nur auf Nichtverständnis und Verdrehung meiner Worte und verbalen Streit aus ist.
    Dafür ist mir meine Zeit im realen Leben zu wertvoll um sie dafür zu verschwenden.
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag und eine schöne Restwoche.


  3. 14.

    So. Nun wieder alle den Klappstuhl einbuddeln.

  4. 13.

    "Du findest es also komisch wenn das Wasser abgestellt wird und man nicht in der Lage ist, einen Bruchteil, seiner Pflanzen zu gießen weil ein Wassemangel vorherrscht?"
    Nein, ich finde nur Ihr Fazit komisch.

    "Und wo nun wieder habe ich geschrieben:
    Mühe für Insekten lohnt nicht, weil das Wasser abgestellt werden könnte ???"
    Sie haben die Mühe infrage gestellt:
    -> Doch was nützt alle Mühe wenn im Sommer das Gießen der Pflanzen eingeschränkt o. gar verboten wird?

    "Und hier sahen die Wiesen aus wie verbrannt, da wuchs nichts mehr, und wo nichts mehr wächst blüht auch nichts, und wo nichts blüht gibt es nur noch wenige Insekten."
    Das passiert eben, wenn man sie immer schön kurz hält. Da blüht aber auch in nassen Jahren kaum was..

    An tatsächlich insektenfreundlichen Alternativen sind Sie offenbar nicht interessiert. Sie erfreuen sich an Ihrem künstlerisch angelegten Kleingarten und den Insekten, die sich zwangsweise an den wenigen für sie vorgesehenen Stellen befinden.

  5. 12.

    Du findest es also komisch wenn das Wasser abgestellt wird und man nicht in der Lage ist, einen Bruchteil, seiner Pflanzen zu gießen weil ein Wassemangel vorherrscht?
    Und wo nun wieder habe ich geschrieben:
    Mühe für Insekten lohnt nicht, weil das Wasser abgestellt werden könnte ???
    Wir hatten jetzt keine Monate ohne ausreichend Regen sondern Jahre ohne ausreichend Regen, zumindest dort wo ich wohne.
    Und hier sahen die Wiesen aus wie verbrannt, da wuchs nichts mehr, und wo nichts mehr wächst blüht auch nichts, und wo nichts blüht gibt es nur noch wenige Insekten.
    Auch brannten in unserer Umgebung die Wälder durch die Dürre. Jetzt geht es schon ins fünfte Jahr.
    Ich habe bis vor drei Jahren auch auf dem Dorf gelebt und kann Deine Aussage das Wiesen über Monate ohne Wasser auskommen können nicht nachvollziehen.
    Ich bin gegen Wasserschwendung, z.B. das befüllen von Pools
    o. das sprengen von englischen Rasen über Stunden.



  6. 11.

    Soviel ich weiß, haben die meisten nordamerikanischen Ureinwohner kein Problem mit der deutschen Bezeichnung. Sie lehnen weitgehend die englische "Indians" ab, weil das eigentlich Inder heißt, u.a. weil sie so vom Irrtum der Eindringlinge definiert werden. In der Literatur findet man häufig die ironische Selbstbezeichnung "Injuns"(Slang).

  7. 10.

    Mühe für Insekten lohnt nicht, weil das Wasser abgestellt werden könnte, so Ihr komisches Fazit von 12:39. Darauf habe ich reagiert und Wiese vorgeschlagen, die ungemäht natürlich auch lange Dürrezeiten schadlos übersteht, zumindest in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin.

  8. 9.

    Bitte, bitte…der Begriff „Indianer“ ist aber nicht politisch korrekt und damit diskriminierend. Sie sollten sich schämen!

  9. 8.

    Der Ausschuss für Landwirtschaft und Umwelt ist zuständig !!! Landwirtschaft und Umwelt, sind doch schon mal zwei Sachen, die überhaupt nicht zusammenpassen. Für die Landwirtschaft wurden und werden Wälder, großflächig gerodet. Für die Landwirtschaft wurden und werden, Feuchtgebiete großflächig trockengelegt und damit ausgetrocknet. Großflächige Monokulturen, die überdüngt und mit viel zu viel Gülle behandelt werden. Bäume, Sträucher, Windschutzhecken, die im Laufe der Landwirtschaftlichen Nutzung verschwunden sind. Graben-und Kanalsysteme, durch die unser Niederschlag viel zu schnell ins Meer abgeleitet wird, damit die Böden schön trocken bleiben. Die Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, ist der Untergang von Insekten und Co. und mitverantwortlich für ein trockenes und viel zu heißes Klima in Brandenburg.

  10. 7.

    Du scheinst keine Ahnung davon zu haben wie es in einem eingetragenen Gartenverein zugeht und unterstellst einfach mal so eben etwas, was nicht wahr ist.
    Wo habe ich denn etwas davon geschrieben das ich Blumen und Pflanzen nutze die überzüchtet und nicht Insektenfreundlich sind? Selbstverständlich habe ich eine Wiese im und vor dem Garten(vor dem Garten halte ich diese in Ordnung dafür bekommen wir von der Stadt eine kleine Gutschrift als Arbeitsleistung) ich hatte nie einen Rasen.
    Auch habe ich Beerensträucher und Obstbäume, und Beete für Gemüse im Garten.
    Mal für die Großstadtindianer, auch eine Wiese kommt auf die Dauer über Wochen der Trockenheit nicht ohne Wasser aus. Es sei denn sie besteht zu 100% aus Kunststoff.
    Und ich habe nicht, so wie Du es mir in den Mund legst, über die da Oben, als "Schuldige" geschrieben.
    Ich habe nur darauf hingewiesen das, wenn eine längere Trockenheit vorherrscht, zum Wohl für die Natur eine einvernehmliche Lösung gefunden werden muss.

  11. 6.

    Vom Dialog.... der Insekten (untereinander) ... kann man so einiges lernen.

  12. 5.

    Um den Insekten zu helfen, kann man den Rasen wieder in eine Blumenwiese verwandeln und so, wie früher, ausblühen lassen anstatt 1x wöchentlich alles mit dem Rasenmäher kurzzuhalten. Eine solche Wiese muss man auch nicht bewässern. Ein paar gezüchtete bunte Blumen in ansonsten für Insekten karger Landschaft nützen jedenfalls kaum. Aber toll, dass Sie Ihre Ausrede und sogar die Schuldigen (natürlich die da oben) gefunden haben.

  13. 4.

    "ähnliche Ziele, aber verschiedene Vorstellungen davon, wie man diese erreichen kann"
    Klingt, als wären hier entweder Kompromißbereitschaft oder eine politische Entscheidung nötig!

    Immer häufiger werden - von demokratisch gewählten Volksvertretern - getroffene politische Entscheidungen von einzelnen Interessengruppen, denen diese Entscheidungen nicht gefallen, in Frage gestellt.
    Notfalls durch Bildung von "Volksinitiativen", "Aktionsbündnissen", "Bürgerinitiativen" und ähnlichem.

    Am Ende gelangt man - wie hier - durch diese "direkte" Demokratie zu einem "Patt"-Zustand und Stillstand, denn kein Politiker wagt sich, eine Entscheidung gegen die eine oder andere Seite zu treffen.

    Also bleibt alles beim alten ("schlechten") und Veränderungen zum Guten hin werden verhindert.

    Leider scheint sich diese Agonie in immer weitere Bereiche der Politik auf allen Ebenen (Gemeinden, Land und Bund) auszubreiten...

  14. 3.

    Wie sah denn das "Dialogformat" aus? Klingt nach Gruppenmediation ohne alle wesentlichen Akteure zu beteiligen?! Weiß da jemand mehr?

  15. 2.

    Ich finde das Gartenvereine und deren Pächter, die sich an die Kleingärtenverordnungen halten, viel intensiver unterstützt werden müssen.
    Das fängt bei de Pacht an und hört bei der Stromversorgung und der Bewässerung auf.
    Wer mal so eine gut gemachte Gartenanlage aufmerksam besucht wird die Insektenviellfalt dort bemerken.
    Viele Gärtner bemühen sich Insektenfreundliche Pflanzen in ihre Gärten zu holen.
    Doch was nützt alle Mühe wenn im Sommer das Gießen der Pflanzen eingeschränkt o. gar verboten wird?
    Sterben die Pflanzen dann sterben auch die Insekten.

  16. 1.

    Im Havelland mit seinen unendlichen Monokulturen, gibt es für den Insektenschutz noch sehr viel zu tun. Viele Feuchtwiesen und Kleingewässer meiner Kindheit und Jugend um Ketzin/Havel sind ausgetrocknet und werden einfach überhaupt nicht mehr vernässt, damit sie als trockener Acker genutzt werden können. Bäume und Windschutzhecken wurden abgeholzt, damit die großen Landmaschinen ohne Hindernisse in der Landschaft fahren können. Die Landnutzer im Havelland, sollten auch an den Naturschutz denken und nicht nur an trockenes Ackerland und trockene Wiesen. Der Landkreis Havelland ist einer der wärmsten und trockensten Regionen in Brandenburg/Deutschland, das muss sich für Uns und für unsere Insekten ändern.

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