Reaktionen auf Silvester-Krawalle - Giffey wiegelt Söder-Kritik ab - Berliner FDP sieht "Vollzugsdefizite"

Sa 07.01.23 | 16:07 Uhr
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, spricht bei einem Pressestatement im Anschluss an einen Besuch der Feuerwache Neukölln. (Quelle: dpa/C. Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.01.2023 | Sebastian Czaja | Bild: dpa/C. Soeder

Wenige Wochen vor der Wiederholungswahl in Berlin positionieren sich die Parteien insbesondere zum Thema Silvesterkrawalle. FDP-Spitzenkandidat Czaja will eine stärkere Justiz, die Regierende Bürgermeister wehrt sich gegen Vorwürfe aus Bayern.

Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht wehrt sich Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) gegen die Kritik von CSU-Chef Markus Söder, Berlin entwickle sich zu einer Chaosstadt.

"Wenn in einer fast Vier-Millionen-Metropole 145 Chaoten Mist bauen, kann man nicht daraus folgern, dass alle anderen Einwohner hier auch Chaoten sind", sagte die SPD-Politikerin der "Berliner Zeitung" (Samstag). "Auch Bayern hat vor der eigenen Tür einiges zu kehren, zum Beispiel in Sachen Reichsbürgertum. Ich gebe Herrn Söder ja auch keine Ratschläge."

Giffey hatte in dieser Woche einen Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Die Vorfälle in der Silvesternacht hatte Giffey am Mittwoch im rbb "absolut unakzeptabel und zu verurteilen und konsequent zu verfolgen" genannt. Als Antwort auf die "massive Respektlosigkeit" und die Gewalt brauche es einen "Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal", forderte Giffey im rbb24 Inforadio.

In der Nacht zum Neujahrstag waren in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Besonders heftig waren die Attacken in einigen Vierteln von Berlin.

Der bayerische Ministerpräsident hatte nach den Ausschreitungen gesagt: "Berlin entwickelt sich leider zu einer Chaosstadt - beginnend bei der Politik, die weder Wahlen organisieren noch die Sicherheit ihrer Bürger garantieren kann."

FDP sieht grundsätzliches Problem

In der Debatte um die Ausschreitungen forderte der FDP-Spitzenkandidat für die Wiederholungswahl des Berliner Abgeordnetenhauses, Sebastian Czaja, mehr Personal und eine bessere Ausstattung für die Justiz gefordert.

Czaja sagte am Samstag im rbb24 Inforadio, die "Vollzugsdefizite" müssten schnell abgestellt werden. "Das erleben wir ja nicht nur jetzt in einer Silvesternacht, sondern das erleben wir ja auch am 1. Mai und an anderen Tagen in Berlin", so der FDP-Spitzenkandidat. "Und deshalb ist das etwas ziemlich Grundsätzliches." Nötig seien eine schnelle Bestrafung, eine auch personell stärkere Justiz und eine bessere Zusammenarbeit mit der Innenbehörde.

Auf der Suche nach den Ursachen spielten Migration und vor allem Integration "eine sehr entscheidende Rolle", betonte Czaja weiter. Es gehe dabei auch um das Bildungssystem und Aufstiegsmöglichkeiten. "Egal, wer in diesem Land sich nicht an das Regelwerk hält, egal, welcher Herkunft, egal, welcher Nationalität, der muss erfahren, dass es einen funktionierenden Rechtsstaat gibt", sagte Czaja. "Und wir müssen auf der anderen Seite eine ordentliche Integrationsarbeit machen."

Justizsenatorin verweist bei Bodycams auf Pilotversuch

Zuvor hatte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) in der Debatte vor Aktionismus gewarnt. Zu Plänen von SPD-Innensenatorin Spranger, jetzt schnell tausende Einsatzkräfte mit Körperkameras auszustatten, sagt Kreck im Interview mit dem rbb: "Ich glaube, dass wir nicht in einen Aktionismus verfallen sollten, der uns in einer Form von Sicherheit wiegt, dass solche Taten nicht mehr stattfinden, wenn wir Maßnahme x oder y ergreifen. Die Situation ist deutlich komplexer."

Kreck will zunächst das Ergebnis des laufenden Pilotversuchs mit den Bodycams bei Polizei und Feuerwehr abwarten, die Endauswertung ist für kommendes Jahr geplant. Dagegen haben Innensenatorin Spranger und die Regierende Bürgermeisterin Giffey die klare Erwartung, schnellstmöglich 4.000 Körperkameras in den Einsatz zu bringen, ohne dass sich Linke und Grüne querstellen.

Jarasch: "Nächste Generation hat überwiegend Migrationshintergrund"

Für die Berliner Grünen hatte deren Spitzenkandidatin Bettina Jarasch im rbb24 Inforadio betont, vor allem im Jugendstrafrecht müssten schnell Strafen auf die jeweiligen Taten folgen. Für den Umgang mit Jugendgewalt seien klare Grenzen und Perspektiven wichtig.

Jarasch betonte zudem, dass aus ihrer Sicht der Migrationshintergrund vieler Tatverdächtiger für die Problemlösung keinen Unterschied mache. "Die Täter haben zu zwei Drittel Migrationshintergrund, das entspricht ungefähr auch insgesamt der Jugend in Berlin", sagte die Grünen-Politikerin. "Diese Jugendlichen, die nächste Berliner Generation, hat überwiegend Migrationshintergrund. Daran sollten sich alle mal gewöhnen."

CDU kritisiert "Kuschelpolitik", AfD schlägt Ausbürgerung vor

Kritik für Giffeys Vorstoß kam von der CDU. "Statt konkret das Gewaltproblem in der Silvesternacht anzupacken, will es Frau Giffey bei warmen Worten auf einem Gipfel zur Jugendkriminalität belassen", erklärte am Mittwoch CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner.

Wegner forderte konkrete Hilfe für die Berliner Polizei und "die volle Stärke des Rechtsstaats" für die Täter. "Wie weit wir mit Kuschelpädagogik und Gesprächskreisen gekommen sind, haben wir in der Silvesternacht gesehen", ergänzte er. Die Berliner CDU forderte zudem vom Innenausschuss die Bekanntgabe der Vornamen der deutschen Tatverdächtigen.

Die Spitzenkandidatin der Berliner AfD, Kristin Brinker, sagte mit Blick auf die Staatsangehörigkeit der Gewalttäter: "Ein Teil sind Deutsche, aber wir wissen ja noch gar nicht, ob sie vor kurzem erst eingebürgert worden sind oder ob sie gebürtige Deutsche sind. Wenn solche jungen Straftäter tatsächlich auch die doppelte Staatsbürgerschaft haben, dann kann man auch den Weg mal gehen, jemanden zu entbürgern, auszubürgern. Warum denn nicht?" Zudem forderte sie ein härteres Durchgreifen des Staates.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.01.2023, 7:25 Uhr

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53 Kommentare

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  1. 53.

    Mit der Realität und den vorhandenen Tatsachen haben ganz besonders Rassisten und Rechtsextreme ein Problem wie man sehen kann.

  2. 52.

    Auch wenn man sie noch so vehement schwingt kann man mit der Rassismus-Keule an der Realität und den vorhanden Tatsachen nichts bzw. sehr wenig ändern .

  3. 51.

    Das sind jetzt die Klimakleber, die bekommen jetzt Geld von Sponsoren aus den USA. Und Silvester haben sie sich frei genommen...,-)

  4. 50.

    Noch ein Teil am Körper unserer Ordnungshüter. Sind eh schon eie ein Weihnachtsbaum behangen.Bewrgen und rennen,sollten sie schon noch können.( kleiner Scherz am Rande),trotz der ernsten Situation..Ich hoffe auf gute Lösungen von einer neuen Berliner Regierung.Die jetzige ist für mich nicht mehr vertrauenswürdig.

  5. 49.

    Matthäus 6,24:
    Niemand kann zwei Herren dienen: entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhangen und den anderen verachten ...
    Die Integrationspolitik in Berlin und DL ist gescheitert. Die Silvester-Hass-Angriffe auf Polizei, Feuerwehr, Einsatzkräfte und unbeteiligte Bürger(innen), sprechen eine deutliche Sprache. Wenn die RGR - und -Ampel-Politik. "weiter so" praktizieren, dann ...

  6. 48.

    Die Silvester-Hass-Übergriffe auf Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte und unbeteiligte Bürger(innen), erfolgte vorwiegend durch junge Männer (auch minderjährige) mit Migrationshintergrund. Die Integrationspolitik in Berlin und DL, ist fehlgeschlagen. Darüber wird leider nicht offen berichtet! Die geplanten Erleichterungen in der DL-Einbürgerung, werden die Probleme verschärfen. Fehlende D-Kenntnisse, doppelte Staatsbürgerschaft, fehlende Identifikation mit DL // siehe Matthäus 6,24 / Bibel

  7. 47.

    Aus meiner Erfahrung,seit 5.Jahren sind 80%der Migranten nicht breit sich zu Integrieren.Der Staat als Sozialstation ,ohne Konsequenzen.Das Schlaraffenland,als Werbung für Hoffnung ohne sich zu integrieren. Moscheen als Sprachrohr für die Ungläubigen ,der Solidarität.Eltern und Jugendliche ohne Eigeninitiative ,der Demokratischen Werte.Ein Staat ohne Führung,kann Demokratie nicht mehr. Durchsetzen Seit 20.Jahren nur Reden . Clanstruktur als Spiegelbild des Versargen.Die Brutt im Nest, Schlüpft.

  8. 46.

    Liberalere Formulierungen würde dafür sorgen, dass Sie nicht so starke Sympathien erzeugen, genau für diejenigen die Sie zu recht fürchten. Liegen die Nerven so doll blank?

  9. 45.

    Welche Rechtsextreme Partei meinen Sie? Dann sind rot grün für mich linksextreme Parteien.

  10. 44.

    April Berlin Samstag, 07.01.2023 | 12:19 Uhr
    "Das Zauberwort heißt Integration. Das ist die beste Medizin."

    Sehr richtig. Es ist aber schwer Menschen in eine Einwanderungsgesellschaft zu integrieren, die aufgrund ihres Aussehens, ihres Zufallsgeburtsortes, ihres leistungslos ausgehändigten Passes und damit leistungslos verbundenen Staatsbürgerschaft glauben, schon deshalb integriert, Deutsche und berechtigter zu sein.
    Solche werden immer dem (strukturell gewalttätigen) Irrtum unterliegen, allein der Einwanderer müsse sich in einer Einwanderungsgesellschaft "integrieren" - also anpassen. Während der Einwanderer meist schon (zwangsläufig) ein Bewusstsein darüber hat Einwanderer zu sein.
    Es stellt sich also die Frage, wie integrationsfähig eigentlich Mitbürger sind (und auch ihre politische Vertretung) die glauben sie seien allein deshalb berechtigter, mehr deutsch und schon integriert, weil sie rein gar nichts für ihren Pass und ihre Staatsbürgerschaft tun mussten.

  11. 43.

    Ja, würde ich unterschreiben. Aber warum machen sich hier so viele Berliner Gedanken über solche Wahlkampfaussagen ihrer Politiker und liefern denen en passant noch Material zur Testung, wie ihre Ideen so beim Wähler ankommen und was sie dann an Wahlkampfaussagen optimieren müßten, um ein besseres Wahlergebnis zu bekommen? Aus Brandenburger Sicht wirkt das Ganze wie ein Testbaloon über die Medien von Wahlkampfideen der Berliner Politik zur Optimierung des Wahlergebnisses. Warum nicht für Entscheidungen bis nach der Wahl warten und alle solche Ideen im Wahlkampf erstmal überhaupt nicht zur Kenntniss nehmen oder kommentieren?

  12. 42.

    Die Ursachenkette "kein Schulabschluss - keine Ausbildungsfähigkeit - kein Ausbildungsplatz - kein Arbeitsplatz - keine soziale Anerkennung - schwaches Selbstwertgefühl - Verachtung oder Unkenntnis der Regeln eines sozialen und demokratischen Rechtsstaats - Respektlosigkeit und Aggressivität gegenüber den staatlichen "Akteuren" (Polizeibeamten, Feuerwehrleuten, Rettungskräften u.v.a.) kann sicherlich nur in Ausnahmefällen durch gut gemeinte pädagogische oder sozialpädagogische Integrationsmaßnahmen durchbrochen werden.

    Das gilt vermutlich nicht nur für Migranten.

  13. 41.

    Solche Wahnsinnigen gibt es nicht nur zu Silvester. Ich erinnere an die jahrelange Brandserie in Staaken, wo immer wieder Feuer in den Mietblöcken gelegt wird. Auch da wurden schon Jugendliche festgenommen.

  14. 40.

    Wir brauchen eine personalstarke, gut ausgerüstete und gut ausgebildete Polizei. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaften und die Gerichte. Wir brauchen keine schärferen Gesetze, die sind nämlich schon da. Siehe §§ 114 und 115 StGB. Die Strafe müsste auf dem Fuße folgen.

    Die Täter werden aber wegen des Personalmangels zum Teil gar nicht gefasst, es gibt nachher zu wenige Beweismittel wegen ungenügender Ausrüstung und die Verfahren dauern viel zu lange, ebenfalls dem Personalmangel geschuldet. Dem zu entgegnen, erfordert finanziellen Einsatz. Darüber sollten wir sprechen. Das hilft gegen jede Art von Kriminalität: Clans, Jugendkriminalität, Kleinkriminalität, Schwerkriminalität oder Straßenkriminalität.

    Eine gut ausgebildete Polizei ist zudem auch nicht rechtsextrem oder rassistisch.

  15. 39.

    Für Rechtsextremisten gilt ein Deutscher ja sogar noch dann als Migrant, wenn er und seine Eltern bereits in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Grund: Die Familie hat schwarze Haare und dunkle Haut. Somit sind sie in den Augen der Extremisten dauerhaft "Ausländer" und werden als potentiell kriminell dargestellt. Weil sie nicht ins rassistische Weltbild der Rechtsextremen passen. Das ist bewusste Ausgrenzung nach rassistische Kriterien.

    Natürlich gibt es in der gesamten Menschheit Leute, die kriminell sind und bestraft gehören. Sowohl bei "Ausländern" als auch bei Deutschen. Auch extremistische Deutsche begehen teilweise schwerste Straftaten. Da reiben sich die Rassisten jedes Mal die Hände, wenn sie einen "Südländer" finden, der sich daneben benimmt. Weil man dann schön die ganze Volksgruppe unter Generalverdacht stellen kann. Das äußerliche Aussehen von Geburt an wird mit dem Stempel "kriminell" verknüpft. Das ist Rassismus pur.

  16. 38.

    Oh, ein Tipp aus Brandenburg, wo rund ein Viertel rechtsextreme Demokratiefeinde wählt...

  17. 37.

    Kreuzberger Linksextremisten waren doch an den Krawallen bestimmt auch beteiligt. Die tauchen doch immer auf, wenn es gegen den Staat geht. Wo waren sie eigentlich Silvester?

  18. 36.

    Das Zauberwort heißt Integration. Das ist die beste Medizin.

  19. 35.

    Aus Brandenburger Sicht würde ich persönlich so zusammenfassen: Es ist Wahlkampf in Berlin!
    Einfach mal abwarten, wie es nach der Wahl aussieht und was dann gesagt und wirklich gemacht wird.

  20. 34.

    "Der FDP-Spitzenkandidat für die Wiederholungswahl des Berliner Abgeordnetenhauses, Sebastian Czaja, fordert mehr Personal und eine bessere Ausstattung für die Justiz."

    Ach ja tatsächlich. Die Partei des "schlanken Staates", des "Abbau von Bürokratie", der "personellen Straffung und Effizienz" mal wieder in eskalierter Haltung ihrer Kultur der Verantwortungslosigkeit.
    Gilt es eine Kirmes- und Rummelplatzrede zum Wahlkampf zu formulieren. Auf die eine Realpolitik folgt, die genau jenen Mangel an allen Ecken und Enden produziert, den man dann beim nächsten Wahlkampf wieder irgendwelchen anderen andichtet.
    Bereitwillig aufgegriffen von einem reaktionär-autoritären Mainstream, der sowieso und verlässlich weniger an der Analyse von Gründen und Voraussetzungen für Personalmangel interessiert ist. Dafür umso mehr allerlei (politische) Misswirtschaft an Jugendlichen exekutiert.
    Für mich immer gut. Verlässliche Wahlaussage einer Politik, die ich verlässlich niemals wählen würde.

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