Runder Tisch in Berlin - Lehrermangel könnte mit weniger Klausuren und weniger Teilzeit gelindert werden

Fr 17.02.23 | 13:11 Uhr
  69
Symbolbild:Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule Wörter mit «Sp» am Anfang an eine Tafel.(Quelle:dpa/S.Gollnow)
Video: rbb24 | 17.02.2023 | Material: rbb24 | Bild: dpa/S.Gollnow

Rund 900 Lehrer fehlten zu Beginn dieses Schuljahres in Berlin. Nun hat ein Runder Tisch Maßnahmen erarbeitet, um Lehrkräfte zu entlasten. Stimmen aus der amtierenden Koalition sprechen von einem "eher dürftigen" Ergebnis.

  • Hunderte Lehrkräfte fehlen in Berlin
  • Runder Tisch empfiehlt u.a. weniger Klausuren und den Einbezug anderer Berufsgruppen
  • Schulen sollen auf der Grundlage nun konkrete Vorschläge machen

Mit einem Zusammenspiel von sechs verschiedenen Maßnahmen will Berlin den Lehrermangel in den Griff bekommen. Das ist das Ergebnis des "Runden Tisches gegen Lehrermangel", das dem rbb vorliegt. Der "Tagesspiegel" hatte zuerst berichtet.

Demnach sollen Lehrkräfte entlastet werden, indem beispielsweise weniger Klausuren im vierten Semester der gymnasialen Oberstufe geschrieben werden. Klausuren sollen nur in den Prüfungsfächern erfolgen, analog zu den bisherigen Corona-Regeln zum Abitur. Auch sollen Vor-Abiturklausuren kürzer ausfallen. Auch in der beruflichen Bildung, in der Fach- oder Berufsoberschule, sollen weniger Klassenarbeiten geschrieben werden.

Entlastung von Lehrkräften, Hilfe aus anderen Berufsgruppen

Lehrerinnen und Lehrer sollen außerdem "zielführend" von unterrichtsfernen Tätigkeiten entlastet werden, sowie andere Berufsgruppen stärker in den Unterricht eingebunden werden, listet das Papier auf: Lerntherapeut:innen, Logopäd:innen, Musik- oder Ergotherapeut:innen.

Schulleitungen sollen zudem mehr Unterstützung darin bekommen, Lehrkräfte von weniger Teilzeit zu überzeugen. Lehrerinnen und Lehrer, die häufiger mehr arbeiten, sollen dafür besser bezahlt werden. Damit könnte die Zahl der Teilzeitstellen reduziert werden. Außerdem sollen "dienstältere" Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher möglichst weiter beschäftigt werden.

Eine andere Empfehlung des Runden Tisches zielt darauf, dass Schulen mehr Eigenverantwortung und eigene Gestaltungsspielräume bekommen.

Zu all dem sollen Schulleitungen, Schulaufsicht und Verwaltungsvertreter konkrete Vorschläge erarbeiten und Reserven aufspüren.

Kritik von Linken, Grünen und Landeselternausschuss

Franziska Brychcy, Bildungspolitikerin der Linken im Abgeordnetenhaus, begrüßte einige Punkte des noch unveröffentlichten Papiers. Gut sei, dass es die Möglichkeit geben soll, auch Vertretungsregelungen für andere Tätigkeiten über die Lehrkräftestunden hinaus zu schaffen. Allerdings werde Geld dafür erst im Haushalt 2024/2025 eingeplant – zu spät, sagt Brychcy. Die Linke bemängelt auch, dass keine "behutsame" Veränderung der Stundentafel diskutiert worden sei: "Das hat sich der Runde Tisch leider nicht getraut."

Auch von Seiten der Grünen ist von einem "eher dürftigen" Papier die Rede. Einige der Vorschläge habe auch schon die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegt.

Der Runde Tisch ist auf Initiative des Landeselternausschusses (LEA) zusammengekommen. Der Zusammenschluss von Vertretern der Senatsbildungsverwaltung, der Schulaufsicht, von Schulleitungen und anderer Gremien hat in vier Treffen Maßnahmen erarbeitet, um dem Lehrermangel in Berlin zu begegnen.

Der LEA kritisierte am Freitag in einer Mitteilung, dass von der zuständigen Senatsverwaltung nur ausgewählte Gremien und Verbände einberufen worden seien. So würden die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) oder "Schule muss anders" nicht am Runden Tisch teilnehmen.

In der zweiten Runde seien eine "Auswahl an Maßnahmen" präsentiert worden, "die teilweise bereits in Umsetzung waren oder vor Beginn standen. Andere Vorschläge wurden leider nicht bewertet", teilte der Landeselternausschuss weiter mit. "Andere Maßnahmen, die ebenfalls unterstützenswert gewesen sind, fanden leider nicht die Zustimmung der SenBJF oder wurden stark verkürzt."

Laut Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) gab es zum Beginn des Schuljahres rund 900 Lehrkräfte zu wenig in Berlin. Seit Mitte dieser Woche können angestellte Lehrkräfte wieder Anträge auf Verbeamtung stellen, wenn sie das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Brandenburg prüft drastischere Maßnahmen

Auch in Brandenburg wird der Mangel an Lehrkräften von Jahr zu Jahr größer. Ende Januar hatte die Lehrergewerkschaft GEW den Bedarf auf 1.800 neue Pädagogen für das Schuljahr 2023/24 geschätzt.

Das Bildungsministerium prüft derzeit weitaus drastischere Maßnahmen als Berlin. Geplant ist etwa die Selbstarbeit von Schülern auszuweiten. Ältere Schüler sollen dann selbständig lernen oder in hybriden Schulstunden unterrichtet werden. Außerdem sollen bis zu 200 Lehrkraftsstellen nicht mit Lehrern, sondern mit Assistenzen für Verwaltungsarbeit oder Sozialarbeitern besetzt werden. Unter anderen der Landesschülerrat kritisierte die Pläne, er lehne mehr Distanzunterricht ab.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.02.2023, 12 Uhr

69 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 69.

    Ich bin zwar keine Lehrerin, dafür vermutlich auch nicht unbedingt geeignet, frage mich aber, wie die Lehrer die Leistung der Schüler sauber bewerten sollen, wenn dafür weniger Parameter zur Verfügung stehen? Weniger Klausuren heißt doch unterm Strich (noch) weniger "Daten". Alea iacta est ist auch keine Lösung ;-).
    Versieben die "Kiddies" dann später was wichtiges ist natürlich der Lehrer schuld. Zuhause ist xyz natürlich ganz anders; lieb, ruhig, hochbegabt. Lätürnich.
    Schön verpennt die ganzen Jahre und jetzt wird es auf den Rücken derer geladen, die nix dafür können. Suuuuper.

    PS:
    Vorstehender Text ist geschlechter- und politisch neutral zu verstehen ;-).

  2. 68.

    Es gibt hier Kommentatoren, die sich in haltlosen Vorwürfen gegen Lehrer/-innen auslassen. Denen sei gesagt, dass sie sich irren, da sie überhaupt keine Vorstellung von den heutigen Problemen haben. Bedingt durch die Migration nimmt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in der ersten Geneation immer mehr zu, bis zu 100% je Klasse, auch in Brandenburg.

    Haben diese Kommentatoren eine Ahnung wie sich ein Seiteneinsteiger fühlt, der 32 arabisch- stämmigen 15- jährigen gegenüber steht die ihm sagen " ich habe null bock auf diesen scheiß, verpiss dich" ?
    Ja das gabs früher in der sozialistischen POS nicht. Und da diese Kommentatoren keine Ahnung haben sind eben die Lehrer schuld.

    Und auf #24 möchte ich auch hinweisen. Das sind dann genau diese Jugendlichen, wenn die älter sind.

  3. 67.

    Vielleicht müssen die Damen und Herren vom Berliner "Runden Tisch" einfach mal eine Woche an einer Berliner Grundschule "mitlaufen".
    Aber bitte von Montag bis Freitag von 7 - 22 Uhr und der Sonntag versteht sich ja wohl von selbst.
    Aber vielleicht nicht Charlottenburg, Wannsee, Prenzlauer Berg und Co.

    Grüße,
    B. Fecht

  4. 66.

    "Es mag sein, dass Ihr Beruf Sie fordert ... " zeigt doch schon wieder, wie wenig Sie sich damit auskennen und vor allem wie wenig Sie unseren Beruf wertschätzen. "Es mag sein ..." sagt mir alles!

  5. 65.

    Stimmt. Ich finde es trotzdem schlimm, dass man sich für alles rechtfertigen muss und die von mir schon oft erwähnte Wertschätzung ausbleibt.

  6. 64.

    Klar, das sehe ich auch so. Vor allem fängt alles bei der häuslichen Erziehung und der Einstellung gegenüber unseres Berufsstandes an. Alle mussten zur Schule gehen und glauben natürlich sehr genau zu wissen, was wir Lehrer*innen zu leisten haben. Und somit glaubt man natürlich auch, überall mitreden zu können.

  7. 63.

    Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Es ist überall das gleiche Phänomen: Es entscheiden Leute, die nie in diesem Beruf gearbeitet und die Beziehung zur Realität vollkommen verloren haben. Und wir als Lehrer*innen werden überhaupt nicht gefragt, was gut wäre. Warum auch? Wir sind ja "nur" diejenigen, die wissen, worum es geht.

  8. 62.

    Das sehe ich vollkommen genauso. An dem von Ihnen zitierten Satz sieht man doch, wie wenig Wertschätzung unser Beruf und unsere Arbeit erhalten. Das ist ein gesellschaftliches Problem und fängt in der häuslichen Erziehung mit der Vermittlung des Lehrer*Innenbildes an. Viele denken, sie können da einfach mitreden. Viele Eltern haben ja auch telepathische Fähigkeiten und wissen ganz genau, wie sich ihr Kind verhält, wie es bewertet werden sollte etc. Da müssen wir ran.

  9. 61.

    Ja, da haben Sie wohl recht. Das wäre ein Weg. Aber ich halte es trotzdem für wichtig, sich dazu zu äußern und mit einer solchen Ansage den Frust auszudrücken. Und hier meine ich den Frust über die Sichtweisen unsere Arbeit betreffend. Ich liebe meinen Beruf und kämpfe schon lange um dessen Wertschätzung. Viele meckern zurecht wegen der Bildungsergebnisse, wobei eine Wertschätzung der Arbeit schon unterstützend wirken würde.

  10. 60.

    Der Lehrermangel könnte auch durch weniger Schüler und homogenere Klassen gemildert werden ...

  11. 59.

    Bodenlose Frechheit. Als Antwort für die (berechtigten) Proteste der LehrerInnen für bessere Arbeitsbedingungen und kleinere Klassen, kommt die Idee, Teilzeitkräfte doch einfach wieder mehr arbeiten zu lassen. Praktischerweise lädt man natürlich nicht dazu die Stimme der LehrerInnen ein (GEW)...

  12. 58.

    "Sie sind ja der Überfliegen. Ich habe den Spaß für die Abschlussarbeiten die Fragen abzusegnen. Was von Ihren Kolegen und Kolleginnen kommt, ist meist zum Erbrechen. Und ja, ich bin Chefarzt." Doch nicht etwa in der berühmten Orthographie-Klinik?

  13. 56.

    "Und ausgerechnet vor Lehrern oder Lehrerinnen sollen die kuschen?!" Das ist das falsche Bild, das Sie da vor Augen haben. Die Autorität des Lehrers kommt nur zu einem kleinem Teil von ihm selbst. Das gesamte Umfeld, die Gesellschaft, das Zuhause der Schüler müssen ein entsprechendes Bild vom Lehrerberuf vermitteln und damit dem Lehrer Autorität geben. Der einzelne Lehrer vor einer Chaotenklasse kann da als Einzelkämpfer eher wenig bewirken.

  14. 54.

    Sie sind ja der Überfliegen. Ich habe den Spaß für die Abschlussarbeiten die Fragen abzusegnen. Was von Ihren Kolegen und Kolleginnen kommt, ist meist zum Erbrechen. Und ja, ich bin Chefarzt.

  15. 52.

    Ganz einfach, hätte Fachkunde unterrichten können, in Berlin im Gegensatz zu anderen Bundesländern ging das nicht. Wissen ja aber kein Pädagoge

  16. 51.

    Das war auch nicht mein Anspruch einen Lösungsansatz zu präsentieren.Wollte nur zum Ausdruck bringen,das es den Lehrern und Lehrerinnen,vergleichsweise nicht schlecht geht.Habe selbst im Verwandtenkreis Lehrberufler.Es gibt wirklich Menschen denen es deutlich schlechter geht Ich selbst habe 47 Jahre im Pflegeberuf gearbeitet Mir muss Niemand etwas erklären,glauben sie mir.

  17. 50.

    Wieder so eine blöde Antwort von jemandem, der überhaupt keine Ahnung hat. Vielleicht sollte ich mal anfangen, die Arbeit des Chefarztes einer Klinik zu analysieren. Was bilden Sie sich überhaupt ein?!

Nächster Artikel