Landrat berichtet von "nervöser Stimmung" - Ärger und Kritik nach Absage des Brandenburger Flüchtlingsgipfels

Fr 10.03.23 | 11:18 Uhr
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Archivbild:Erschöpfte Geflüchtete in der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhuettenstadt in Brandenburg am 3. November 2021.(Quelle:imago images/R.Klar)
Audio: rbb24 Inforadio | 10.03.2023 | Nachrichten | Bild: imago images/R.Klar

Von langer Hand geplant - doch dann kurzfristig abgesagt: Am Freitag wollte die Landesregierung mit den Kommunen über die Unterbringung von Geflüchteten diskutieren. Doch die Koalition ist uneins - und die Kommunen machen nun Druck.

Die kurzfristige Absage des Flüchtlingsgipfels in Brandenburg hat in der Koalition und in den Landkreisen Verärgerung und Kritik ausgelöst. Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte das Treffen am Donnerstag verschoben, weil sich die rot-schwarz-grüne Landesregierung nicht auf ein Maßnahmenpaket einigen konnte.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist im Kabinett vor allem strittig, wie die geplanten zusätzlichen Plätze für Flüchtlinge in der Erstaufnahme finanziert werden und wo genau sie geschaffen werden.

Stübgen will MPK abwarten

Die Grünen-Innenexpertin Marie Schäffer sagte am Freitag im rbb24 Inforadio, Integration funktioniere nicht, wenn man viele Menschen an einem Ort konzentriere. Sie betonte, die Absage des Gipfels habe sie überrascht; man sei auf einem guten Weg gewesen. Es sei jetzt mehr Unterstützung in der sozialen Infrastruktur in den Kommunen nötig. Wohnraum sei knapp und es gebe zu wenig Lehrkräfte.

SPD und Grüne kritisieren außerdem, dass Flüchtlinge ohne absehbare Bleibeperspektive in eine neue Landesobhuteinrichtung kommen sollen.

Stübgen betonte derweil, er wolle zunächst die Ministerpräsidentenkonferenz in der nächsten Woche abwarten. "Wir müssen erstmal sehen, wie weit sich der Bund bewegt oder ob wir uns dann auch vorher einigen", sagte Stübgen am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Wir arbeiten auf jeden Fall im Kabinett mit Hochdruck an einer Einigung." Er betonte, die Vorlage der Landesregierung müsse substanziell sein.

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der 16 Bundesländer treffen sich am Donnerstag nächster Woche.

Landrat fordert schnellen neuen Termin

Auch Vertreter der Kommunen reagierten enttäuscht darauf, dass die Konferenz verschoben wurde. Der Landrat des Kreises Oder-Spree, Rolf Lindemann (SPD), sagte am Freitag bei Antenne Brandenburg vom rbb, spätestens in ein bis zwei Wochen müsse das Treffen nachgeholt werden. Er müsse wissen, wann wie viele Flüchtlinge zu erwarten seien. Man brauche Planungssicherheit für Verträge mit den Anbietern von Unterkünften.

Lindemann sprach von einer nervösen Stimmung vor Ort. Er habe den Eindruck, dass die Landesregierung die Brisanz des Themas verkenne. Es gebe keinen ausreichenden Wohnraum im Landkreis. Er müsse an Neubau denken und an Wohncontainer oder Notunterbringungen, so der Landrat.

Unterbringung in Turnhallen droht

Der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sagte am Freitag auf Radioeins, man brauche schnell Planungssicherheit und finanzielle Unterstützung von der Landesregierung, um die Menschen anständig unterbringen zu können.

Ähnlich äußerte sich der Landrat von Ostprignitz-Ruppin, Ralf Reinhardt (SPD). Die Probleme würden sich nun weiter verschärfen. Man stehe kurz davor, Geflüchtete in Turnhallen unterbringen zu müssen, sagte Reinhardt am Freitag Antenne Brandenburg vom rbb. Davor hatte Stübgen erst vergangene Woche gewarnt.

Vorsitzender des Landkreistages sieht Situation wie 2015/16 kommen

Die Unterbringungsmöglichkeiten in Brandenburg gingen dem Ende entgegen, sagte auch der Vorsitzende des Landkreistages, Siegurd Heinze (parteilos) am Freitag dem rbb24 Inforadio. Es nähere sich eine Situation wie 2015/16. Wenn die Zahl der Erstaufnahmeplätze nicht erhöht werde, müssten noch im ersten Halbjahr Menschen in Hallen oder Zelten untergebracht werden. In seinem Landkreis, Oberspreewald-Lausitz, komme man nur noch bis April/Mai hin.

Heinze begrüßt den Plan von Landesinnenminister Stübgen, Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive nicht auf die Kommunen zu verteilen. Wenn sie dort erst angekommen sind, seien die Abschiebungsverfahren unendlich lang und faktisch fast unmöglich.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 10.03.23, 19:30 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Die Unterbringung von Flüchtlingen sollte nicht „obrigkeitsstaatlich“ gegen die Mehrheit der Brandenburger Bürgerinnen und Bürger „von oben durchgeboxt“ werden. „Sozial gerecht“ sind nur politische Maßnahmen, die allen betroffenen Menschen aus demokratischen, sozialen und humanitären Gründen zugemutet werden können.

    Bitte der weit verbreiteten „Politikverdrossenheit“ nicht noch mehr Nahrung geben! „Planungssicherheit“ (Oberbürgermeister von Potsdam) reicht schon lange nicht mehr aus. Hände weg von Turnhallen, die nun endlich allen Schul- und Vereinssportlern (einschließlich allen Flüchtlingen und ihren Kindern) uneingeschränkt zur Verfügung stehen sollten! Die Teilhabe aller Flüchtlinge an dem sozialen Leben in den Kommunen Brandenburgs muss jederzeit gewährleistet
    werden.

  2. 12.

    In welches Land sollten sie denn flüchten müssen??
    Mal realistisch bleiben, nicht einmal in der Tui hätten sie so eine Rechtee wie in Deutschland und in Spanien bekommt man auch kein Geld um zu überleben

  3. 10.

    "Integration funktioniere nicht, wenn man viele Menschen an einem Ort konzentriere." Damit schließt sie nur einen Punkt aus ihrer Sicht aus. Sie sagt damit aber nicht, ob es sonst überhaupt funktioniert oder wenn, dann wie sonst.

  4. 9.

    " seien die Abschiebungsverfahren unendlich lang und faktisch fast unmöglich. "

    warum genau ?

  5. 8.

    Moralisieren Sie immer bei politischen Diskussionen oder haben Sie auch mal zur Abwechslung rationale Argumente auf Lager. Die, die die Folgen einer verfehlten Flüchtlingspolitik auszubaden haben (Kommunalverwaltungen, Lehrer, Erzieher, Bürger...) würden ihnen danken - und die asylberechtigten Menschen, auf deren Rücken das Ganze auch ausgetragen wird, hoffentlich auch!

  6. 7.

    Falls Sie mal Ihr Leben durch Flucht retten müssen - werden Sie wohl begeistert sein, wenn man Sie als Flüchtling überal abweist.

  7. 6.

    Hoffentlich entscheidet die Macht des Faktischen und der Vernunft, vor der Macht(-ergreifung) der AfD. Ein "Weiter so" geht nicht mehr lange gut.

  8. 5.

    "Deutschland kann die Welt nicht retten." Stimmt!

    Deutschland kann zurzeit aber auch nicht die GFK (Genfer Flüchtlingskonvention)ganz oder teilweise kündigen, weil es dafür zurzeit keine Mehrheit im Bundestag geben würde.

    In der GFK hat sich D. verpflichtet, alle aus politischen oder sonstigen Gründen nachweislich gefährdete Flüchtlinge "integrativ" aufzunehmen. In der GFK-Fassung von 1951 ist nur die Rede von Flüchtlingen aus Europa; die GFK-Fassung von 1967 erweitert den Kreis der Flüchtlinge auf alle Flüchtlinge, also auch auf außereuropäische Flüchtlinge.

    Die Anzahl der Flüchtlinge nach Europa kann m.E. nur auf europäischer Ebene begrenzt werden. Zum Beispiel mit (an der jeweiligen Einwohnerzahl der Aufnahmeländer orientierten) Flüchtlingskontingenten pro EU-Staat, An der "gerechten" Durchführung der Kontingentregelung sollte der UNHCR beteiligt werden.

  9. 4.
    Antwort auf [Neugieriger] vom 10.03.2023 um 11:20

    Sie haben völlig recht. Nur leider haben die führenden Köpfe von rot/links/ und vor allem grün völlig den Bezug zur Realität vor Ort verloren und verschließen absichtlich die Augen vor der tatsächlichen Situation.
    Es geht einfach nicht mehr und dass muss man sehen. Wir haben in Deutschland 30000 Migranten, die eine ungeklärte Staatsbürgerschaft haben und somit keine Chance sie zurück zu schicken. Aber das machen wir ja auch nicht mit denen, die zur 6 stelligen Summe der Ausreisepflichtigen gehören. Aber darüber macht sich keiner von den oben genannten wirklich Gedanken. Stattdessen wird von Frau Bearbock im Zuge ihrer feministischen Außenpolitik philosophiert, wo in einem nigerianischen Dorf, dessen Wiederaufbau man unterstützt, die Toiletten für Frauen zu entstehen haben statt ersteinmal die Situation der Flüchtlinge, die einen wirklichen Anpruch auf Schutz in unseram Land haben zu verbessern.

  10. 3.

    Integration ist zu aller erst eine Bringepflicht. Jedenfalls würde ich mich im Ausland so verhalten (müssen).

  11. 2.

    Frau Schäffer (Innenpolitische Expertin der Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“) meint in Bezug auf Flüchtlinge, Integration funktioniere nicht, wenn man viele Menschen an einem Ort konzentriere. Was immer sie daraus schlussfolgert, sind Ihre Schlussfolgerungen im Land Brandenburg des Jahres 2023 noch machbar und gesellschaftlich akzeptabel?

  12. 1.

    Integration heißt,ich habe Voraussetzungen, Flüchtlinge zu integrieren.Ohne Personal, Wohnraumfrage,Bildung.Es gibt Grenzen,die sind Erreicht.Deutschland kann die Welt nicht Retten.Unsere Innenpolitik, Sozialpolitik hat Aufgaben bekommen,als Politiker .innen um Inneren Frieden zu schaffen.Auch ein NEIN .kann Größe zeigen.

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