Angst vor hoher Grundsteuer - Brandenburg lässt bei Einsprüchen gegen Grundsteuerbescheide Verfahren ruhen

Sa 29.04.23 | 12:45 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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Wohnungsbau im Neubaugebiet, Neubauviertel mit Einfamilienhaeusern. (Quelle: dpa/Ruppert Oberhäuser)
Video: rbb|24 Brandeburg aktuell | 29.04.2023 | Alexander Goligowski | Bild: dpa/Ruppert Oberhäuser

In Brandenburg legen viele Menschen Einspruch gegen ihre Grundsteuerbescheide ein. Das Finanzministerium will nun die Verfahren ruhen lassen, wenn die Einsprüche die Verfassungsmäßigkeit der Reform in Zweifel ziehen. Von Andreas B. Hewel

Die Versuchung ist groß. Mit einer einzigen Zahl können Städte und Gemeinden ihre Einnahmen zum Teil deutlich erhöhen.

Es geht um den Hebesatz für die Grundsteuer. Mit ihm legen sie die tatsächlich zu bezahlende Steuer für die Haus- und Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde fest. Das dürfen die Kommunen zwar sowieso, insofern wäre eigentlich alles so wie immer. Aber demnächst müssen sie diesen Hebesatz neu bestimmen und grundlegend ändern.

Blankoscheck für Städte und Gemeinden

Denn die Höhe der Grundsteuer hängt vor allem noch von einer weiteren Zahl ab: dem Grundsteuerwert. Und dieser wird mit der Grundsteuerreform gerade neu ermittelt.

In nahezu allen Fällen wird durch die Reform der Grundsteuerwert deutlich erhöht. Wird der Hebesatz also nicht entsprechend gesenkt, kommt es zu einer erheblich höheren Grundsteuerforderung als bislang. Die neue Bemessung der Grundsteuer ist somit quasi ein Blankoscheck für die Städte und Gemeinden. Mindestens aber ist die Neubewertung für sie eine große Verlockung.

Noch betonen die Kommunen, dass sie nach der Reform nicht mehr einnehmen wollen als bislang. Sie versprechen ein Nullsummenspiel. "Die Städte und Gemeinden haben vor der Reform erklärt, dass mit der Umstellung keine Mehreinnahmen in den einzelnen Kommunen verbunden werden sollen", versucht Oliver Hermann, Präsident des Städte- und Gemeindebundes Brandenburgs, immer wieder zu beruhigen. Das aber ist nur eine freiwillige, momentane Willensbekundung, eine rechtliche Verpflichtung ist es nicht und die gibt es auch nicht.

Noch immer fehlen viele Grundsteuererklärungen

Doch selbst wenn die Kommunen insgesamt nicht von einem größeren Steueraufkommen profitieren, kann die neue Grundsteuer in einzelnen Fällen stark abweichen, gerne nach oben, aber auch nach unten. Das ist gewollt. Mehr Gerechtigkeit in der Höhe der Grundsteuer soll die Reform bringen, der bisherige Einheitswert eines Grundstücks, der derzeit noch zur Bemessung herangezogen wird, gilt als veraltet. Das Bundesverfassungsgericht selbst hatte eine Neubewertung für die Grundsteuer gefordert.

Bislang haben in Brandenburg gut eine Million Grundsteuerpflichtige ihre Grundsteuererklärung abgegeben. Das sind über 81 Prozent derjenigen, die dazu aufgefordert wurden. Knapp 19 Prozent der Erklärungen also fehlen noch. Eigentlich ist die Abgabefrist hierfür am 31. Januar 2023 abgelaufen. Die Finanzbehörden ihrerseits wiederum haben mittlerweile schon mehrere hunderttausend neue Grundsteuerbescheide verschickt, in denen der neue Grundsteuerwert und der neue Grundsteuermessbetrag mitgeteilt wird. Wie sich dieser allerdings konkret auf die Grundsteuer auswirkt, ist noch nicht zu erkennen.

Verfassungsmäßigkeit der Reform wird angezweifelt

Der Bund der Steuerzahler wie auch der Eigentümerverband Haus & Grund rufen Grundsteuerpflichtige dazu auf, gegen den Grundsteuerbescheid Einspruch einzulegen. Mit Musterformularen hoffen sie, möglichst viele Einsprüche bewirken zu können. Für diese bleibe einem Steuerpflichtigen allerdings nicht viel Zeit. Einen Monat nach dem Bescheid müssten die Einsprüche beim Finanzamt vorliegen. Wie die Einsprüche ausgehen, ist natürlich offen. In der Regel allerdings sorgen sie dafür, dass die Verfahren ruhen. So auch in Brandenburg. "Die Finanzämter des Landes Brandenburg", so Ingo Decker, der Sprecher des Finanzministeriums, "stellen Verfahren ruhend, bei denen mit dem Einspruch ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit des neuen Rechts angezweifelt wird".

"Das Grundsteuergesetz des Bundes ist verfassungswidrig": Diese Bilanz ziehen der Bund der Steuerzahler und Haus & Grund nach einem Gutachten, das sie selbst in Auftrag gegeben hatten. Mit sechs geplanten Musterprozessen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und zwei in Nordrhein-Westfalen hoffen sie, die Reform zu Fall bringen zu können. Vor allen Dingen fürchten sie Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das Land Brandenburg bleibt gelassen. Das Grundsteuer-Reformgesetz sei verfassungsgemäß, heißt es im Finanzministerium. "Ein Abgehen von diesem Modell ist nicht vorgesehen", sagt Ingo Decker weiter. Mit Modell ist ein Bundesmodell gemeint, das der Bund den Ländern für die Umsetzung der Reform vorgeschlagen hat. Elf Bundesländer folgen diesem Bundesmodell, darunter auch Brandenburg und Berlin.

Erhöhung der Grundsteuer immer wahrscheinlicher

Unterdessen gibt es erste Anzeichen, dass die hehren Versprechungen der Kommunen, zumindest die Summe ihre Gesamteinnahmen durch die Grundsteuer nicht zu erhöhen, Schall und Rauch werden könnten. Der finanzielle Druck jedenfalls auf die Kommunen ist groß. Viele Vorhaben müssen schon jetzt aus Geldmangel aufgeschoben werden. Da lockt die Grundsteuer, die neben der Gewerbesteuer die größten Einnahmenquelle der Kommunen ist. Schon jetzt gesteht mancher Kommunalvertreter, dass eine Erhöhung "höchstwahrscheinlich unumgänglich" sein werde. Das aber gesteht man nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Die Mauer gegen eine Grundsteuererhöhung scheint also zu bröckeln.

Das schwante allerdings schon lange den Menschen in Brandenburg. Seit im vergangenen Jahr die Reform spruchreif wurde, glaubte kaum einer daran, dass es keine Erhöhung geben wird. Die Einschätzungen von Bürgerinnen und Bürgern auf Informationsveranstaltungen zur Grundsteuerreform waren schon damals eindeutig. "Der Staat wird da abkassieren", klagte ein Grundsteuerpflichtiger, "billiger sei nichts geworden", ein anderer. "Die Grundsteuer wird steigen, sonst wäre die Reform nicht gemacht worden", resümierte ein weiterer Betroffener.

Register soll mögliche Grundsteuermehreinnahmen offenlegen

Das Land aber will es Städten und Gemeinden nicht allzu leicht machen, sich von ihrer Zusage zu verabschieden, sich an der Reform nicht zu bereichern. Ab Januar 2025 soll die neue Grundsteuer gelten. Ein halbes Jahr zuvor, im Sommer 2024 will das Land ein Register veröffentlichen. In dem soll jede Bürgerin und jeder Bürger des Landes sehen können, wie hoch der neue Hebesatz jeder Stadt oder Gemeinde sein müsste, damit die jeweilige Gesamteinnahme einer Kommune durch die Grundsteuer nicht steigt. Erhebt die eigene Kommune nun dennoch einen höheren Hebesatz als in dem Register dargelegt, wissen alle, dass die Stadt oder die Gemeinde die Grundsteuer generell erhöht hat. Das aber hat dann mit der Reform an sich nichts mehr zu tun.

 

Sendung: Brandenburg aktuell, 29.04.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

14 Kommentare

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  1. 14.

    So eine Ungleichbehandlung ist 'ne Sauerei.

  2. 13.

    Endlich werden Immobilien genauso versteuert wir geldwerte Vermögen.
    Danke Verfassungsgericht zur bundesweiten Klärung.

    "Der Staat" sind übrigens wir. Wir finanzieren die öffentliche Infrastruktur und Leistungen.

  3. 11.

    Wohnen in normal und angepasster Wohnungsgröße zu besteuern ist lebensfeindlich und somit grundgesetzwidrig. Ein ökonomisch geführter Staatsaufbau ist hingegen Pflicht gegenüber den Bürgern. Kostentreibender Staat ist kein demokratischer Staat.

  4. 10.

    Dann kommt die Landtagswahl zur richtigen Zeit. Die Aussagen der Parteien zur Grundsteuer studieren und dann richtig ankreuzen. Wenn eine Partei keine Aussage dazu im Wahlprogramm hat, diese auf keinen Fall wählen.

  5. 9.

    Wenn Ihnen die Rechtslage und die aktuellen Zahlen bekannt sind müssen Sie das nicht. Selbst eine Verdreifachung der Grundsteuer bedeutete für mich eine Mieterhöhung von 7,83 cent/qm. Das scheint erträglich. Schauen Sie in Ihre BK Anrechnung.

  6. 8.

    Eine kalte Enteignung, auch schrittweise, Jahr für Jahr, von selbstgenutztem Eigentum ist verfassungswidrig.

  7. 7.

    Im Prinzip nichts neues, der Bürger wird abgezockt und basta.

  8. 6.

    Selber Schuld schreibe ich da. Die Verfassungsmäßigkeit wird bereits von Anfang an bezweifelt und wenn man sich der Entscheidung meint nicht unterwerfen zu wollen, legt man eben Einspruch ein.

  9. 5.

    Daher ist es notwendig, dass man auch mal selbständig nachdenkt und nicht alles glaubt, was in den Medien kursiert.
    Darauf spekuliert ja die Politik.
    Dass die Menschen alles hinnehmen.
    Reichen Sie doch jetzt noch Widerspruch ein!
    Habe in anderer Sache auch schon mal Widerspruch eingelegt. Mit Erfolg. Man ließ mich danach in Ruhe und traf eine Entscheidung zu meinem Gunsten.

  10. 4.

    Ich fürchte in Berlin werfen die Mietnebenkosten durch die neue Grundsteuer erheblich steigen. Auch die "alt"bebauten Grundstücke sind mehr wert wegen der Spekulanten und hatten horrende Preissteigerungen. Die neuen Grundsteuern werden darauf basieren und der Eigentümer gibt die Kosten einfach an die Mieter weiter.
    Cui bono?

  11. 3.

    Toll, das jetzt Einsprüche ruhen. Die Dummen sind nun diejenigen, die termingerecht die Erklärung abgegeben haben und deren Einspruchsfrist abgelaufen ist. Damals wurden Einsprüche für aussichtslos erklärt.

  12. 2.

    Sehr informativ. Danke. Durch das Register sieht ja jeder, wo die Reise hingeht. Ob das Register wie geplant bis Mitte nächsten Jahres steht, wird sich zeigen. Bei der Digitalisierung läuft ja einiges schief. Warum nicht a7ch das.

  13. 1.

    'Bereichern' ist etwas hart formuliert. Kommunen haben Verpflichtungen die Geld kosten, das ist weit weg von geiler Party.

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