Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg - Der schwierige Weg zum 29-Euro-Ticket

Mi 24.05.23 | 17:30 Uhr | Von Jan Menzel
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Symbolbild: Eine Ticketautomat der BVG mit Werbung fuer den Abo mit dem 29 Euro Ticket in Berlin am 1.10.2022. (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini)
Video: rbb24 Abendschau | 24.05.2023 | Leonie Schwarzer | Bild: IMAGO/Emmanuele Contini

Die schwarz-rote Koalition in Berlin will das günstige 29-Euro-Ticket wieder anbieten. Dafür braucht es wohl ein "Ja" aus Brandenburg, jede Menge Geld und eine gute Idee, um das komplexe Tarifsystem nicht zu sprengen. Von Jan Menzel

Wie heikel die Ticketfrage ist, lässt die neue Chefin des Verkehrsverbunds Ute Bonde in bemerkenswerter Weise durchblicken. "Es sind politische Gespräche, die da geführt werden müssen. Insofern kann ich ihnen dazu wirklich keine Aussage geben. Ich weiß nicht, welche Positionen da wirklich eingenommen werden", sagt sie. Dabei gilt Bonde als ausgewiesene Expertin im Verkehrsbereich. Als frühere BVG-Managerin weiß sie auch ganz praktisch, wo die Fallstricke liegen. Man darf also annehmen, dass sie zur Ticketstruktur durchaus eine eigene Auffassung hat.

Aber im 29-Euro-Ticket steckt spätestens seit dem Berliner Alleingang politischer Sprengstoff: Der damalige rot-grün-rote Senat hatte das günstige Angebot gegen Brandenburger Bedenken durchgeboxt – als Übergangslösung bis Ende April. Seit Mai gibt es nun das bundesweite 49-Euro-Ticket. Die neue schwarz-rote Koalition in Berlin will aber wieder ein günstigeres 29-Euro an den Start bringen. Fragt sich bloß: Wie?

Deutschland-Ticket als Grundlage?

Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) lässt durchblicken, dass mehrere Varianten diskutiert werden, der Teufel wie so oft im Detail steckt, der Berliner Senat aber schon in eine bestimmte Richtung denkt: "Mit dem Deutschland-Ticket für 49 Euro haben wir jetzt schon eine ganz gute Grundlage und wie wir gegebenenfalls darauf aufsatteln können, ist Gegenstand der Gespräche."

Verkehrssenatorin Manja Schreiner (ebenfalls CDU) betont, es gelte ein "stimmiges Tarifsystem" gemeinsam mit Brandenburg zu entwickeln. Schreiner meint dabei durchaus positive Signale aus dem Nachbarland zu vernehmen. "Wir werden uns einigen", ist sie optimistisch.

Preis versus Angebot

In Brandenburg ist es aber nicht so sehr der Ticket-Preis, der die Verantwortlichen umtreibt. "In Ferienzeiten gibt es teilweise gar keinen Busverkehr in einzelnen Dörfern. Der RE 6 fährt jede Stunde. Das ist nicht so hochwertig, wie es in anderen Regionen ist. Wir brauchen mehr Angebot. Erst dann ist die Frage zu beantworten, zu welchem Preis", sagte der Bürgermeister der Stadt Pritzwalk Ronald Thiel.

Der CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag Jan Redmann warnt ebenfalls, dass das 49-Euro-Ticket schon jetzt den Landeshaushalt belaste, langfristig aber gar nicht ausfinanziert sei: "Wenn man jetzt diskutiert über 29-Euro-Tickets, dann muss man sich die langfristigen Kosten ganz genau durchrechnen. Unser Schwerpunkt liegt darauf, das Angebot für die Fahrgäste attraktiver zu machen." Konkret denkt Redmann an eine schnellere Anbindung der Prignitz an Berlin, Strecken Richtung Polen und die Reaktivierung der Stammbahn in Kleinmachnow.

Rabatte für bestimmte Gruppen?

Die in der Potsdamer Kenia-Koalition mitregierenden Grünen wiederum können sich das 29-Euro-Ticket vorstellen, aber in einer speziellen Version. "In Berlin haben die allen alles versprochen. In Brandenburg bei unseren Koalitionspartnern, die ja dieselben sind wie die in Berlin, laufen wir gegen Wände. Wir hoffen aber, dass man sich in der Mitte trifft", so der verkehrspolitische Sprecher Clemens Rostock. Damit meint der Grüne aber nicht ein Ticket für alle, sondern einen Sparpreis von 29 Euro nur für Bedürftige, Studenten und Schüler.

In Berlin ist das längst Realität bzw. sind die Angebote noch attraktiver. Schülerinnen und Schüler können seit 2019 kostenlos Busse und Bahnen nutzen. Erst kürzlich verlängerte der Senat das 9-Euro-Ticket für Bezieher von Sozialleistungen. Dazu kommen Firmentickets, mit denen die Unternehmen ihren Mitarbeitern das 49-Euro-Ticket für deutlich weniger Geld anbieten.

"Es geht uns darum, dass wir nicht bestimmte Gruppen ausschließen, sondern alle, die es wollen, das auch nutzen können", sagt Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Im Fokus dürften daher insbesondere diejenigen stehen, die kein Jobticket bekommen, aber auch keinen Anspruch auf das vergünstigte 9-Euro-Sozialticket haben.

Kein Revival für das "alte" 29-Euro-Ticket

Eine Rückkehr zum alten 29-Euro-Ticket, das bis Ende April galt, aber auf den Tarifbereich AB beschränkt war, halten viele im Berliner Abgeordnetenhaus weder für wünschenswert noch für wahrscheinlich.

"Das 29-Euro-AB hat sich insofern überlebt, weil es eine Insellösung in einem Überbrückungszeitraum war", sagte Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Ähnlich argumentiert CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft: "Ich glaube tatsächlich nicht daran, dass es sinnvoll ist, dass wir ein paralleles 29-Euro-Ticket nur für Berlin haben und dazu das 49-Euro-Ticket vom Bund."

Verkehrssenatorin Manja Schreiner deutete im "Tagesspiegel" [Bezahlschranke] an, dass sie zwei mögliche Wege sieht, um das Wahlversprechen vom 29-Euro-Ticket einzulösen. Entweder könnte ein Konzept mit und im Rahmen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg entwickelt werden. "Eine Alternative dazu wäre eine Rabattierung des Deutschlandtickets. Das wird auch in anderen Bundesländern gemacht", so die Senatorin.

Rechtliche Fallstricke

Experten halten letzteres jedoch für kein ganz einfaches Unterfangen. Sie warnen davor, sich im Dickicht der verschiedenen rechtlichen Bestimmungen zu verheddern. So sieht beispielsweise die Umsetzungsrichtlinie des Bundes für das 49-Euro-Ticket vor, dass zunächst die Erfahrungen mit dem Ticket ausgewertet werden sollen, bevor über neue Tarife nachgedacht wird. Zahlreiche Verkehrsunternehmen stehen zudem noch unter dem Schutz des Corona-Rettungsschirms. Sie bekommen also Geld und dürfen im Gegenzug nicht einfach ihre Ticketeinnahmen mutwillig reduzieren.

Aber selbst wenn sich hier eine Variante finden sollte – am Ende wird auch der Finanzsenator ein Wörtchen mitzureden haben. Ein 29-Euro-Ticket für alle könnte Kosten von bis zu 300 Millionen Euro für den Berliner Landeshaushalt verursachen. Die ehemalige Regierende Bürgermeisterin und jetzige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sieht deshalb noch einiges an Arbeit zu leisten: Das Ticket werde "nicht einfach so per Fingerschnipp" kommen: "Ich hoffe sehr, dass wir vor 2024 einen Weg finden, damit das in die Tat umgesetzt werden kann", so Giffey.

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.05.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

66 Kommentare

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  1. 66.

    Ja, das klingt doch sehr vielversprechend, dass es entweder auf eine VBB-weites Ticket oder eine (in anderen Bundesländern praktizierte) Rabattierung des Deutschlandtickets hinauslaufen soll.

  2. 65.

    Ich finde es richtig, dass man niemanden ausschließen und deshalb ein Ticket für alle schaffen will. Im Fokus stehen dabei alle, die kein Jobticket bekommen, aber auch keinen Anspruch auf das 9-Euro-Sozialticket haben, wie es der Artikel gut beschreibt.

  3. 64.

    "... Kleinbetriebe haben oft nicht einmal die Möglichkeiten dazu. ..."
    Für das Deutschlandticket Job müssen sich fünf Beschäftigte finden.

  4. 63.

    Naja, ich weiß ja nicht
    "dauerhafte soziale Benachteiligung", "höchsten Ticketpreise, nur weil ..."

  5. 62.

    Langfristig wird der Bedarf nach einem lokalen und übertragbaren Ticket noch viel größer werden, wenn erstmal der kurzfristige Sommer-Reise-Hype um das D-Ticket abgeflaut ist.

  6. 61.

    Das ist genau das Problem. Kein Arbeitgeber ist gezwungen, ein Jobticket anzubieten. Kleinbetriebe haben oft nicht einmal die Möglichkeiten dazu.

  7. 60.

    Niemand jammert hier. Aber für viele Arbeitnehmer kann das eine dauerhafte soziale Benachteiligung werden, wenn sie die höchsten Ticketpreise zahlen müssen, nur weil sie kein Jobticket bekommen können.

  8. 59.

    Die werden verhungern oder müssen Flaschen sammeln!
    Hört doch mal auf zu jammern und sprecht mit euerm Arbeitgeber!

  9. 58.

    https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3715_58_101_vergleich_verkehrstraeger_bf.pdf

    Laut BUMV liegen die Ausgaben in 2013 für den Bau und Unterhalt der Straßen bei ca. 19mrd Eur, demgegenüber stehen Einnahmen von ca 4,4mrd eur Maut, 8,5mrd kfz Steuer sowie ca 35mrd eur energiesteur.
    Man kann ja gerne argumentieren, dass die Ausgaben für den Straßenbau nicht im Verhältnis stehen zu anderen Ausgaben wie zb. Dem Schienenverkehr, aber man sollte doch bitte keine Falschinformationen in den Raum stellen, dass alle Strassenverkehrsbezogenen Einnahmen nicht die Ausgaben decken.

    P.s. gibt sicherlich auch aktuellere Daten, glaube aber kaum dass die Ausgaben explodiert sind.

  10. 56.

    Und was ist mit den Arbeitnehmern deren Arbeitgeber kein Jobticket anbieten?

  11. 55.

    Ich würde mir wünschen das in Zukunft auch alle Tickets 49,Euro , 29,Euro, 9,Euro usw... frei verkäuflich, am Automaten, im Kios und wer möchte auch Dikital zukaufen wäre. Dann kann jeder selbst bestimmen wie er sein Ticket kaufen möchte.
    49,-Deutschlandweit, 29,- Bundeslandweit, 9,- Sozial, und 4erkarten für Gelegenheitsfahrer/in mehr braucht man garnicht.
    So kann jeder aussuchen was er oder sie nutzt oder braucht.
    gruß gittikate

  12. 54.

    Haben Sie Fakten? Nein

    Im übrigen habe auch ich den Eindruck, dass selbst Geschenkt den Berlinern noch zu Teuer ist.

    Mahlzeit - aus Hessen

  13. 53.

    Auch Sie übersehen, dass NICHT ALLE das vom Arbeitgeber bezuschusste Jobticket bekommen können. Mobilitätswende erfordert viele, auch regionalen Lösungen und auch ein übertragbares Ticket für alle im Nahverkehr.

  14. 52.

    Einige verstehen nicht den Begriff „Wende“... Ziel verfehlt?
    und setzen auf „Einheitsbrei“ gefälligst für Alle. Fehlt bloß noch gestaffelt nach Einkommen :-(

  15. 51.

    Bitte fokussiert euch auf die wirklich wichtigen Themen, das 29-EUR-Ticket gehört nicht mit dazu. Es gibt deutschlandweit gültige mit der Möglichkeit der Arbeitgeberbezuschussung existierende Lösungen zu ungefähr demselben Preis mit einem größeren Einzugsgebiet. Es gibt die Mobilitätswende nur deutschlandweit, nicht regional mit Insellösungen.

  16. 50.

    Tatsächlich sind Paare mit einem bisher abwechselnd genutzten Ticket nun im Nachteil, zahlen jetzt 98€. Abwechselnde Ticketnutzung führt aber manche Autofahrer schrittweise an den ÖPNV heran+ist daher wichtig für die Verkehrswende.

  17. 49.

    Rumeiern ist doch Politikgeschäft! Vor vielen, vielen Jahren haben wir für jedes Telefonat noch 30 Pfennig bezahlt. Heute ist Rate flat. So wird es auch beim Nahverkehr kommen. Die Polities wissen das nur noch nicht.

  18. 47.

    Sie übersehen, dass NUR EINIGE das vom Arbeitgeber bezuschusste Jobticket bekommen. Oder denken Sie so egoistisch ?

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