AfD-Parteitag in Jüterbog - Scharfmacher an der Spitze
Zwei Wochenenden hat die AfD Brandenburg für ihren Wahlparteitag reserviert. An der Spitze der Kandidatenliste will Fraktionschef Berndt den Wahlkampf führen. Er sitzt im Plenarsaal am äußersten rechten Rand. Von Thomas Bittner
- Drei Tage Kandidatensuche erwartet, ein Tag Programmdebatte
- Landesvorsitzender Springer tritt nicht für Landtag an
- Favorit für Spitzenkandidatur Berndt gilt als Rechtsextremist
Die Wiesenhalle in Jüterbog könnte an diesem Wochenende zum AfD-Parteitag voll werden - die Kandidatenliste für den zukünftigen Landtag und das Wahlprogramm sollen beschlossen werden. Und das Interesse an einem Abgeordnetenmandat im Landesparlament scheint in der Partei, die sonst über das Berufspolitikertum gern die die Nase rümpft, hoch zu sein. Umfragen sehen die AfD über ihrem Landtagswahlergebnis von 23,5 Prozent im Jahr 2019. Außerdem geht es um lukrative Ämter - das erhöht die Begehrlichkeiten.
Landesvorsitzender will nicht Spitzenkandidat werden
Für den Spitzenplatz auf der Liste kandidiert nicht der im März vor drei Wochen in der gleichen Halle gewählte Landesvorsitzende René Springer. Der Bundestagsabgeordnete aus Eberswalde will weiter in Berlin agieren und unterstützt im Landtagswahlkampf stattdessen den bisherigen Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Bernd. Die beiden Politiker hatten sich abgesprochen: Springer konnte mit der Unterstützung der Berndt-Getreuen im Machtkampf gegen die frühere Landesvorsitzende Birgit Bessin rechnen, im Gegenzug verhilft Springer nun dem Fraktionschef zum Spitzenplatz für die Landtagswahl.
Hans-Christoph Berndt ist kein AfD-Mann der ersten Stunde. Der heute 67-Jährige war als promovierter Labormediziner über zehn Jahre Personalratsvorsitzender in der Berliner Charité. Zur Politik kam er über seinen Anti-Flüchtlingsverein "Zukunft Heimat". Der begann 2015 mit Demonstrationen gegen eine Flüchtlingsunterkunft in seinem Heimatort, später organisierte der von ihm geführte Verein Kundgebungen in Cottbus gegen eine vermeintliche "Überfremdung". 2018 wurde Berndt Mitglied der AfD, 2019 zog er in den Landtag ein.
Dem unfreiwilligen Rückzug von Vorgänger Andreas Kalbitz vom Amt des Fraktionsvorsitzenden verdankt Berndt seinen Aufstieg an die Fraktionsspitze. Seit 2020 führt er die Rechtsalternativen im Landesparlament. Anders als in anderen Landtagen blieb die Fraktion trotz vieler gegenseitiger Abneigungen beisammen, mit dem Wechsel des Abgeordneten Philip Zeschmann von BVB/ Freie Wähler zur AfD vergrößerte sie sich sogar. Das verbucht Berndt als Erfolg. Seine Fraktion ist die stärkste Oppositionsgruppe im Potsdamer Landtag.
Kampf gegen "Überfremdung" und "Transformation"
Berndt sitzt heute am äußersten rechten Rand des Abgeordnetenrunds im Plenarsaal, mit größtmöglichem Abstand zu allen anderen parlamentarischen Kräften. Nicht nur die Regierungsfraktionen SPD, CDU und Grüne, auch die anderen Oppositionskräfte, Linksfraktion und BVB/Freie Wähler, bekämpft er. Die AfD sei die "einzige relevante Partei im Land, die die Interessen Deutschlands und die Freiheit der Bürger an die erste Stelle setzt", erklärt Berndt auf rbb24-Anfrage. Die AfD lehne die "Transformation unserer Lebensweise" ab und trete der "Überfremdung" entgegen.
Solche Haltungen hat er in der Vergangenheit schon mehrfach geäußert. Demonstrationen für Vielfalt und das Grundgesetz sind für ihn "Aufmärsche der Regierenden", die Teilnehmerinnen und Teilnehmer "zivilgesellschaftliche Schreier". Selbst die Kirchen seien heutzutage "regierungsfromm".
Diese Weltsicht ist es, die Berndt zwar zum Aufstieg in seiner Partei verholfen hat, ihn aber außerhalb seines Milieus zu einem Geächteten macht. Aus dem freundlichen und ruhigen älteren Herrn wird ein wetternder Scharfmacher, wenn er vor einer Kamera, einem Mikrofon oder einem Rednerpult steht. Politische Mitbewerber, aber auch der Verfassungsschutz, sehen in ihm einen erwiesenen Rechtsextremisten. Als Gesicht des Vereins "Zukunft Heimat" stehe er auch für dessen verschwörungsideologisches Gedankengut.
Berndt irrlichterte über "totalitären Linksstaat"
"Die Grenzöffnung 2015 war ein Angriff auf die Nationalstaaten des weißen Mannes", sagte Berndt in einem Interview zur Flüchtlingskrise jener Jahre. "Unsere Demokratie ist zu einem totalitären Linksstaat entartet", rief er in einer Plenarsitzung.
Auch mit dem extremistischen Umfeld seiner Bewegung ist Berndt eng verbunden. Er gilt als Vertrauter von Götz Kubitschek, dem Gründer des Instituts für Staatspolitik, einer Denkfabrik der Neuen Rechten. Institutsleiter Erik Lehnert arbeitet als Referent in Berndts Fraktion. Eine Distanzierung von der "Jungen Alternative" oder "Zukunft Heimat" wird man bei Berndt nicht erwarten können. Im Gegenteil: Auf rbb24-Anfrage erklärt er: "Weil nur eine Volksbewegung die krankhafte Verachtung des Eigenen kurieren kann, ist unsere Verbindung mit dem Umfeld unverzichtbar."
Es erscheint als unwahrscheinlich, dass sich Berndt beim Kampf um Listenplatz eins jemand entgegenstellt. Und wenn, dann ganz sicher nicht aus inhaltlichen Gründen. Die AfD Brandenburg gilt seit der Vorstandswahl im März als ein geschlossener Landesverband. Trotzdem kann es lange dauern, ehe der Wahlparteitag beendet ist. Vier Tage an zwei Wochenenden sind für den Marathon-Parteitag geplant. Über jeden einzelnen Listenplatz könnte extra abgestimmt werden. Allein drei Tage könnte es dauern, die Liste aufzustellen, erst danach geht es um das Programm. Und dafür wird es wohl nur wenig Zeit geben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.04.20242, 18:00 Uhr