Festakt am Sonntag - Berlin-Blockade endete vor 75 Jahren
Rund ein Jahr lang wurde West-Berlin von US-Militärflugzeugen aus der Luft versorgt - zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohner überstanden die Blockade der Stadt durch die Sowjets. Am Sonntag wird am ehemaligen Flughafen Tempelhof der 75. Jahrestag gefeiert.
Es ist ein Donnerstagnachmittag, als man vor dem Rathaus Schöneberg keinen Fußbreit Asphalt mehr erkennen kann, sondern nur noch ein Meer von Köpfen. Aus allen Richtungen strömen Menschen herbei, etwa 500.000 werde es am Ende sein. Sie feiern das Ende der Berlin-Blockade. Sie tragen Plakate auf denen steht: "Hurra, wir leben noch". Es ist der 12. Mai 1949.
75 Jahre später wird dieses Jubiläum gefeiert, am Sonntag am Schauplatz des Geschehens: Dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kommt, auch der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seinen Besuch angekündigt. Neben Grußworten steht eine Besichtigung der Open-Air-Ausstellung "Blockierte Sieger - geteiltes Berlin: 75 Jahre Luftbrücke" auf ihrem Programm. Die Veranstaltung vor dem Eingangsbereich des früheren Flughafens ist ab 14 Uhr für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Ende nach 328 Tagen
Erst um Mitternacht des 12. Mai, nicht einmal einen Tag vor der großen Kundgebung in Schöneberg, hatten die Sowjets die Verkehrswege nach West-Berlin wieder freigegeben - nach längeren Konsulationen zwischen US-amerikanischen und sowjetischen Diplomaten, den ehemaligen Verbündeten im Kampf gegen Nazi-Deutschland. Die sowjetische Militärführung hoffte darauf, noch gesichtswahrend aus der Sache herauszukommen, aber am Ende war sie schlichtweg zermürbt genug, die Blockade auch so aufzugeben. Noch an Ostern hatten die Westalliierten durch einen Flugwettbewerb beweisen wollen, dass sie ihre Luftbrücke im Grunde noch sehr, sehr lange würden fortführen können: Alle 62 Sekunden war ein Versorgungsflug in West-Berlin gelandet. Die Machtdemonstration wirkte.
Nach 328 Tagen endete eine Zeit voller Hunger, Sorgen und Ängste für die fast zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohner West-Berlins. Noch wenige Jahre zuvor hatten Tag und Nacht die Bomber der Amerikaner und Briten die damalige Reichshauptstadt in Schutt und Asche gelegt. Nun versorgten sie all jene, die in den Sektoren der Westmächte lebten wie auf einer Insel inmitten des sowjetischen Machtbereichs.
Drei Luftkorridore in die Stadt
Begonnen hatte die Blockade im Juni 1948; elf Monate zuvor. In einer Juninacht waren in Westberliner Wohnungen plötzlich die Lichter ausgegangen, Gasherde erloschen. Blockiert hatten die Sowjets sämtliche Zufahrtswege, sie hatten Strom- und Gaslieferungen abgebrochen, die Lebensmittelversorgung lahmgelegt. Die Stadt war buchstäblich vom einen auf den anderen Tag von der Außenwelt abgeschnitten. Die Westmächte sollten so zum Abzug ihrer Truppen gedrängt werden. Der Aktion vorangegangen war eine Währungsreform, bei der in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands die D-Mark eingeführt wurde. Eine Provokation in den Augen des Diktators Josef Stalin. Berlin sollte nach sowjetischer Auffassung von der westlichen Währungsreform ausgenommen bleiben.
"Straßen, Schienen und Wasserwege sind dicht, aber wir haben die Luftkorridore", hieß es damals. Drei an der Zahl waren es nach Berlin; von Hamburg, Bückeburg (Hannover) und Frankfurt am Main aus waren sie nach Kriegsende durch ein Abkommen geregelt worden.
Neuer Flughafen in Tegel binnen 85 Tagen
Der Minimalbedarf zur Versorgung von Westberlin lag bei bis zu 5.000 Tonnen pro Tag, Kohle zum Heizen, Nahrungsmittel, dazu auch Baustoffe. Anfangs war die Luftbrücke nur für maximal 45 Tage geplant, doch die logistische Meisterleistung nahm immer größere Ausmaße an. Mehrmals gab es Probleme mit der Flugkoordination, mit zu schwerer Beladung. Zu enger Luftraum und anfänglich zwei Flugbahnen für über 600 Flugbewegungen pro Tag erschwerten das Projekt erheblich.
So musste auf den Flughäfen Tempelhof und Gatow jeweils eine zweite Landebahn angelegt werden. Außerdem errichteten rund 19.000 Berliner unter Anleitung amerikanischer und französischer Techniker innerhalb von 85 Tagen einen neuen Flughafen in Tegel. Alle zwei bis drei Minuten landete schließlich eine Maschine auf einem der drei Flughäfen. Das sei eine "unfassbare humanitäre und logistische Leistung" gewesen, die den Menschen in West-Berlin das Überleben gesichert habe, sagte die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld (CDU), am Freitag.
Es reichte zum Überleben, genug konnte es nicht sein. Mehr als 2.100 unterernährte Kinder wurden ab dem 20. September 1948 ausgeflogen. Die meisten kamen bei Verwandten im Westen Deutschlands unter.
Halvorsen bekommt Gedenktafel, kein Denkmal
Den Westmächten ging es längst nicht nur um einen Akt der Nächstenliebe gegenüber ihren ehemaligen Feinden. Es ging um den Aufbau einer freiheitlichen Demokratie. Westberlin kam eine ähnlich symbolträchtige Rolle zu wie heute der Ukraine. Alle Welt schaute hin, und für die Westmächte war klar: Wenn Berlin fällt, ist Westdeutschland als Nächstes dran.
Was dennoch bleibt: Dass im Zuge der Aktion Amerikaner, Engländer und Deutsche Seite an Seite arbeiteten, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, ist eine Erfahrung, die das transatlantische Verhältnis nachhaltig geprägt hat. Insbesondere die "Rosinenbomber" sind ins kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik eingegangen, mit kleinen Fallschirmen hatten Flugzeuge der Aliierten tonnenweise Süßigkeiten für Berliner Kinder abgeworfen.
Die Idee dazu hatte der Pilot Gail S. Halvorsen. 2022 war er im Alter von 101 Jahren gestorben. Nun wird er nochmal in Berlin geehrt: mit einer Gedenktafel vor dem Eingang zum Besucherzentrum des Ex-Flughafens Tempelhof; nicht aber mit einem eigenen Denkmal, wie es ursprünglich vom Senat angekündigt worden war.
Blockadehaltung
Sendung: rbb24 Abendschau, 12.05.2024, 19:30 Uhr