Landtag Brandenburg - rbb-Untersuchungsausschuss übergibt Abschlussbericht

Di 18.06.24 | 19:17 Uhr
Symbolbild: Rundfunk Berlin Brandenburg. (Quelle: dpa/Jürgen Held)
Video: rbb24 Abendschau | 18.06.2024 | Andreas B. Hewel | Bild: dpa/Jürgen Held

Nach eineinhalb Jahren legt der rbb-Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vor. Er zeichnet gravierende Mängel in der damaligen Leitung der Rundfunkanstalt nach, aber auch in der Rechtsaufsicht durch die Landesregierung. Von Hanno Christ

  • Kritik an einstiger "Kultur der Verantwortungslosigkeit" im rbb – Lob für Reformen
  • SPD, CDU und Bündnisgrüne können kein Fehlverhalten bei Rechtsaufsicht der Landesregierung erkennen
  • Opposition sieht Versagen der Landesregierung und mangelnden Aufklärungswillen
  • rbb-Intendantin begrüßt Arbeit des Ausschusses und verweist auf Reformen

Am Dienstag war es soweit. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) hielt ein dickes Stück Parlamentsgeschichte in Händen. Mehr als 1.000 Seiten Abschlussbericht, das Resultat vieler Debatten in 19 Sitzungen, der Vernehmung von 34 Zeuginnen und Zeugen. Etwa eine Million Euro hatte sich der Landtag die parlamentarische Aufarbeitung des rbb-Skandals in einem Untersuchungsausschuss kosten lassen.

Der Skandal, der ab Juli 2022 öffentlich wurde, suchte in der Rundfunkgeschichte der Republik seinesgleichen, aber auch in der Geschichte der Länderparlamente, wie es die Vorsitzende des Ausschusses betonte, die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Petra Budke. Bei der Übergabe des Berichts sagte Landtagspräsidentin Liedtke, sie hoffe, dass "so etwas nie wieder vorkommt" und die Mitarbeiter des rbb damit einen neuen Anfang finden. Schon im November 2022 – nur wenige Monate nach den ersten Medienberichten – hatte der Ausschuss, genannt UA 7/4, seine Arbeit aufgenommen, beantragt mit den Stimmen der AfD-Fraktion.

Ausschuss rügt einstiges Missmanagement im rbb

Der nun vorgelegte Abschlussbericht ist harsch – und milde zugleich. Von Fehlsteuerungen, einer "manipulativen Informationspolitik" gegenüber der Rechtsaufsicht und einer "grassierenden Kultur der Verantwortungslosigkeit" in der Vergangenheit im rbb ist da die Rede und auch von einem "selbstherrlichen Agieren der Intendantin (Patricia Schlesinger, Anm.d.Red.)". Ein "Denken in bürokratischen Zuständigkeiten" habe zu einer "Kultur der Nicht-Zuständigkeit" geführt. Es habe "schwerwiegende Mängel bei der Vergabe von Leistungen" gegeben, Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, aber auch der Transparenz seien verletzt worden.

Andererseits bleiben aber auch Reformanstrengungen des rbb nicht unerwähnt, die der Sender infolge des Skandals auf den Weg gebracht hat. Der Bericht ist in weiten Teilen eine Beschreibung der Vergangenheit, innerhalb der Rundfunkanstalt hat sich auch in den vergangenen zwei Jahren viel bewegt.

Aus den ersten Medienberichten über undurchsichtige Beraterverträge und Abendessen der damaligen rbb-Intendantin Patricia Schlesinger in ihren Privaträumen auf Rundfunkkosten entwickelte sich eine Lawine neuer Enthüllungen über das Innenleben des Senders, der von ausufernden Kosten überrollt zu werden drohte.

Viele Aufklärer des rbb-Skandals

Am Ende wechselte nicht nur die komplette Leitung des rbb, dessen Mitarbeiter bekamen auch erstmals einen unverstellten Einblick in die teils düsteren Bilanzen. Der einst als Leuchtturmprojekt geplante Neubau eines Digitalen Medienhauses in Berlin wurde gestoppt. Mit explodierenden geschätzten Projekt-Kosten von mehr als 300 Millionen Euro hätte sich der rbb damit kräftig verhoben. Der Skandal führte zu neuen Kontrollregeln, neuen Aufsichtsstrukturen, gekürzten Gehältern und prägte die Neufassung des rbb-Staatsvertrages

Neben dem Landtag beleuchteten noch zahlreiche andere Akteure den rbb-Skandal und das Innenleben der Anstalt, nicht zuletzt Journalistinnen und Journalisten des rbb selbst, eine Anwaltskanzlei, die Landesrechnungshöfe von Berlin und Brandenburg sowie andere Medien. Arbeitsauftrag des Untersuchungsausschusses war vor allem zu prüfen, ob und inwiefern die Rechtsaufsicht der Landesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hatte, eine Aufsicht, die wechselweise den Regierungen von Brandenburg und Berlin obliegt.

Kenia-Fraktionen: Rechtsaufsicht konnte rbb-Skandal nicht erkennen

Die Sicht auf die Arbeit der zuständigen Abteilung in der brandenburgischen Staatskanzlei fällt sehr unterschiedlich aus. Die Regierungsfraktionen von SPD, CDU und Bündnisgrüne meinen, dass es für die Rechtsaufsicht vor Bekanntwerden der rbb-Missstände "keine Anhaltspunkte für gravierende Rechtsverstöße beim rbb" gegeben habe. Auch einen Zusammenhang zwischen Abwesenheiten der Rechtsaufsicht bei Sitzungen des rbb-Verwaltungsrates und später eingetretenen Missständen ließe sich nicht erkennen, heißt es im Abschlussbericht.

Mit dem neuen rbb-Staatsvertrag habe man gesetzliche Anforderungen an interne Aufsichtsgremien, Kontrollinstanzen – und verfahren sowie das Compliance-System deutlich erhöht.

Opposition spricht von Versagen der Rechtsaufsicht und fehlendem Aufklärungswillen

Zu ganz anderen Schlüssen als die Kenia-Koalitionäre im Ausschuss kommen die Vertreter der Opposition von AfD, Linken und BVB/Freie Wähler. Alle haben sogenannte Sondervoten abgegeben, die teils deutlich von den Erkenntnissen von SPD, CDU und Bündnisgrünen abweichen.

Die AfD, die den Ausschuss einst beantragt hatte, spricht davon, dass das Führungspersonal des rbb und der Landesregierung "eklatant versagt" habe. Die Aussagen des zuständigen Medienstaatssekretärs Benjamin Grimm und von Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) seien "wenig glaubhaft", die Rechtsaufsicht "völlig unzureichend"; der rbb habe es an Transparenz fehlen lassen zum Beispiel bei der Herausgabe von Unterlagen. Die parlamentarische Aufarbeitung des Skandals sei nur die "Spitze des Eisberges, die aber Einblicke in die Machenschaften und Abläufe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Brandenburg gewährt hat".

Die Linke meint, die Staatskanzlei sei ihrer Aufsichtsrolle mehrfach nicht gerecht geworden und habe Prüfpflichten vernachlässigt. Dies habe zur "erheblichen Verletzung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" geführt und zu einer besonders schweren Gefährdung der Liquidität des rbb – mit Haftungsrisiken für den Landeshaushalt. Die Rechtsaufsicht habe "zu keiner Zeit Anlass gesehen, dass etwas im Argen liegen könnte", weder beim Mammutprojekt des Digitalen Medienhauses, nicht bei kostspieligen außertariflichen Verträgen von Beschäftigten oder einem kritikwürdigen Bonus-System für Führungspersonal des rbb.

BVB/Freie Wähler kritisieren in ihrem Sondervotum das einstige Ausgabeverhalten im rbb "ohne Maß". Bedenken habe es weder in der Führungsetage der Rundfunkanstalt gegeben, noch bei den internen Kontrollgremien. Man rege daher eine "intensive Fortbildung für die Rechtsaufsicht in der Staatskanzlei an". Die Rechtsaufsicht müsse anders aufgestellt werden. Den Regierungsfraktionen attestieren die Freien Wähler einen "eingeschränkten Aufklärungswillen".

rbb-Intendantin begrüßt Arbeit des Ausschusses und verweist auf Reformen

rbb-Intendantin Ulrike Demmer begrüßte, dass der Abschlussbericht nun vorliegt. "Seine Ergebnisse vervollständigen das Bild, das wir uns in eigenen Recherchen bereits in den vergangenen Monaten von den Vorgängen im rbb gemacht haben." Nun werde man prüfen, ob der Bericht noch zusätzliche Erkenntnisse bereithält und welche Ableitungen sich daraus für die Zukunft ergeben, so Demmer. Der Bericht zeichne aber auch ein Bild der Vergangenheit. Schon jetzt zeitigten die angestoßenen Reformen im rbb erste Erfolge. "Die Gegenwart sieht ganz anders aus", so Demmer. Es gäbe mehr Transparenz und eine bessere Kontrolle. Das Compliance-System sei verstärkt und neu aufgestellt worden, die Revision personell aufgestockt worden.

Richtiger Ausschuss zur falschen Zeit?

In der Frage der Notwendigkeit des Ausschusses herrscht im Landtag parteiübergreifend Einigkeit, nicht jedoch bei Fragestellungen und beim Zeitpunkt seiner Einsetzung. So wird im Abschlussbericht etwa der rasche Start nur wenige Monate nach den ersten Berichten über den rbb-Skandal als schwierig erachtet, weil das Gremium von neuen Enthüllungen und Entwicklungen immer wieder überholt wurde. Und so heißt es im Fazit des Berichts: "Als Nachteil erwies sich, dass die Einsetzungsfragen für den Untersuchungsausschuss aus einer Zeit stammten, als die Missstände um und im rbb noch völlig unüberschaubar waren und letztlich kaum zur Aufklärung beitragen konnten."

Der Ausschuss hatte aber auch einen anderen Effekt: Die Suche nach Fehlern und Versäumnissen wurde zugleich eine Selbstvergewisserung über das Verhältnis von Politik und Medien, von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und jenen, die ihre Arbeitsgrundlagen – nicht die Inhalte - zu kontrollieren haben.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.06.2024, 19:30 Uhr

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