Kommentar - Woidke droht mit Abschied: Ist da einer amtsmüde?
Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke knüpft seine politische Zukunft an das Wahlergebnis der AfD. Ein riskanter Schachzug, der schnell nach hinten losgehen könnte, meint Michael Schon.
Die oder ich. Alles oder nichts. Landet Dietmar Woidke mit seiner SPD nach der Wahl hinter der AfD, ist er raus aus der Landespolitik. Trotzig, fast beleidigt klingt sein Satz, der in die Geschichte dieses Wahlkampfs eingehen wird: "Na, dann bin ich nicht mehr da, Punkt."
Damit hat Woidke eine politische Bombe gezündet, verbunden mit der Hoffnung, dass die Detonation alle aus dem Schlaf reißt, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben: Gewinnt am 22. September die AfD, dann steht Brandenburg als Land da, in dem Rechtsextremisten mehrheitsfähig sind. Also aufwachen, Woidke wählen.
Woidke spielt seine Trumpfkarte. Er weiß, dass kein Politiker im Land bekannter ist als er, geschweige denn beliebter. Darauf setzt er alles. Ist das klug?
Gut möglich, dass die Brandenburger am liebsten ihn weiter an der Spitze der Landesregierung hätten. Schon sprechen politische Gegner von emotionaler Erpressung. Man könnte auch sagen: Er setzt auf die volle Mobilisierung seines Wählerpotenzials.
Das ist riskant. Es ist nicht ausgemacht, dass Woidkes Beliebtheitswerte die SPD auch diesmal wieder auf Platz eins bringen. Im Gegenteil: Die SPD steht im Bund historisch schlecht da. Von Rückenwind kann keine Rede sein. Eher weht den Genossen in Brandenburg Gegenwind aus Berlin ins Gesicht, in Orkanstärke. Dazu kommt, dass das BSW in Umfragen auch deshalb so gut dasteht, weil auch SPD-Wähler mit dem Wagenknecht-Bündnis liebäugeln. Reicht das Wählerpotenzial noch für einen Woidke-Sieg? Zur Erinnerung: Es gab schon einmal einen SPD-Regierungschef, der es auf eine ähnliche Machtprobe angelegt hat. Der hieß Gerhard Schröder und verlor 2005 die Bundestagswahl.
Die SPD hat ein Problem, wenn es Woidke ähnlich geht. Landet sie auf Platz zwei, müsste sie eigentlich eine Koalition gegen die AfD schmieden – dann aber ohne erfahrenen Steuermann. Dafür mit der Gefahr, dass in der Partei ein Machtkampf ausbricht, der jetzt im Wahlkampf Tabu ist. Von einer belastbaren Nachfolgeregelung für Woidke ist nichts bekannt. Zwar wird Finanzministerin Katrin Lange als Kronprinzessin gehandelt. Allerdings werden auch SPD-Fraktionschef Daniel Keller und Kulturministerin Manja Schüle Ambitionen nachgesagt.
Dazu kommt die Frage, ob Woidkes Ansage von potenziellen Wählern überhaupt als Weckruf verstanden wird. Wirkt das nicht eher so: Die Kraft, nach einer knappen Niederlage aufzustehen, das Krönchen zu richten und nach der Macht zu greifen, hätte er nicht mehr. Ist da einer amtsmüde?
Dieser Eindruck wird verstärkt, weil seine Absage an den unbedingten Regierungswillen eher nebenbei fiel, im schnodderigen Woidke-Slang, am Rande einer Wahlplakate-Präsentation. Fernsehkameras liefen nicht. Es werden Erinnerungen wach an die auf einem Parkplatz in der Prignitz hemdsärmelig abgesagten Kreisreform vor sieben Jahren. Einfach mal einen raushauen. Aus dem stolzen "Die oder ich" wurde so auch ein "Dann halt nicht".
Die SPD dürfte dies alles in Wallung versetzt haben. Ihre Hoffnung muss jetzt sein, dass nicht zu viele Brandenburger einfach mit der Schulter zucken.