Streit um Antisemitismus-Position - Weitere prominente Linken-Politiker denken über Partei-Austritt nach
Verliert die Linke weitere prominente Politiker? Nach rbb-Informationen wollen einige Mitglieder nach der Vorstandssitzung am Dienstag entscheiden, ob sie aus der Partei austreten. Es geht auch um die Positionierung zum Thema Antisemitismus.
In dieser Woche wird die Entscheidung erwartet, ob die Linke in Berlin noch weitere prominente Parteimitglieder verliert.
Nach Informationen des rbb wollen einige bekannte Linkenpolitiker nach der Vorstandssitzung am Dienstagabend entscheiden, ob sie in der Partei bleiben. Sie vermissen grundsätzliche Positionierungen der Partei zu grundlegenden Fragen, darunter auch ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus. Ein entsprechender Antrag war auf dem Landesparteitag der Linken vor gut einer Woche heftig diskutiert und schließlich zurückgezogen worden. Zahlreiche Delegierte verließen damals unter Protest den Parteitag, darunter auch Berlins früherer Kultursenator Klaus Lederer, die ehemalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.
Der Berliner Landesvorstand will in der Sitzung am Dienstag über die schwierige Situation der zerstrittenen Partei beraten. Offen ist, ob es gelingt, dort Beschlüsse zu fassen, die die Konflikte um Antisemitismus, die Positionierung zum Nahostkonflikt und einiges mehr befrieden können.
Landesvorsitzender sieht Gesprächsbedarf
Aus Sicht des Berliner Linke-Landesvorsitzenden Max Schirmer gibt es zum Streit über das Thema Antisemitismus beim vergangenen Landesparteitag noch dringenden Gesprächsbedarf. "Wir werden uns jetzt die Zeit nehmen, den letzten Landesparteitag im Landesvorstand, aber auch mit allen Bezirksvorsitzenden, der Abgeordnetenhausfraktion und den Bezirksstadträten aufzuarbeiten", sagte Schirmer am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Und wir gehen davon aus, dass wir eine gute, konstruktive Debatte dazu miteinander führen werden." Das werde etwas Zeit brauchen. "Aber die werden wir uns nehmen", kündigte der Linke-Parteichef an. "Wir werden auch über den Umgang miteinander reden müssen."
Schirmer betonte, die Linke sei eine Partei, die sich klar gegen Waffenexporte und für einen Waffenstillstand ausspreche und auf der Seite der Betroffenen stehe. "Wir haben dazu immer klar formuliert, dass wir gegen jede Form von Antisemitismus einstehen, egal aus welcher Ecke er kommt", sagte er.
Wolf vermisst klare Position gegen Antisemitismus
In der vergangenen Woche hatten bereits der frühere Fraktionschef der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, seinen Parteiaustritt erklärt. Seit dem Bundestagswahlkampf 2021 hätten sich für ihn die Gründe fast monatlich gemehrt, die nun zum Austritt führten, schrieb er auf Facebook. Dazu zählte er 2021 die Sprachlosigkeit der Partei zur Evakuierung der Ortskräfte aus Afghanistan, danach die "mangelnde Klarheit bezüglich der Aggression Russlands und des Selbstverteidigungsrechts der Ukraine" und schließlich der Eklat auf dem Landesparteitag zum Antisemitismusantrag am 11. Oktober. Das Existenzrecht Israels sei für ihn nicht verhandelbar, schreibt Udo Wolf, der Kampf gegen jeden Antisemitismus ein Kern linker Politik. Da er auch hier eine klare Positionierung der Linken vermisste und von Mitgliedern der Linken die Hamas als antikoloniale Befreiungsbewegung gefeiert wurde, die Solidarität verdiene, zog er nun den Schlussstrich. Er trat nach über 30 Jahren Mitgliedschaft aus der Linken aus.
Benn beklagt Antiamerikanismus
Der frühere Bürgermeister von Pankow, Sören Benn, tat es ihm am Wochenende nach dem Bundesparteitag der Linken in Halle gleich. In seiner Austrittserklärung schrieb er am Sonntag, dass der Entfremdungsprozess ein langer war und nennt ähnliche Punkte wie Udo Wolf.
Benn beklagt in seiner Austrittserklärung darüber hinaus, dass die Linke strategie- und gestaltungsunfähig sei. "Sie mutiert zu den Zeugen Jehovas der Politik", schreibt er. Benn beklagt außerdem eine völlige Fehleinschätzung, was Ursache und Befriedung der Konfliktherde in der Welt angeht. Diese Fehleinschätzung basiere im Wesentlichen auf einem tiefsitzenden und fortwirkenden Antiamerikanismus, schreibt Benn. Einem Bild vom Westen, das in den Zeiten des Kalten Krieges entstanden und weitgehend unverändert und unreflektiert weitergetragen werde. "Und dass Linke meinen, bei sich selbst Antisemitismus ausschließen zu können, ist absurd", kritisierte er mit Blick auf die Nahost-Debatte.
Gysi bringt "Aktion Silberlocke" ins Spiel
Der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi dagegen kündigte auf dem Parteitag in Halle an, über die "Aktion Silberlocke" nachzudenken. Je nachdem wie sich die Partei in der kommenden Zeit entwickle, wolle er gemeinsam mit dem früheren Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Dietmar Bartsch und dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, für ein Direktmandat für den nächsten Bundestag im kommenden Jahr kämpfen. Wann die Entscheidung über die "Aktion Silberlocke" fällt, ist noch offen.
Sendung: rbb24 Inforadio , 22.10.2024, 07:00 Uhr
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