"Zu unentschlossen" - Woidke fordert mehr diplomatisches Engagement im Ukraine-Krieg
Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen sowie der Thüringer CDU-Chef fordern ein stärkeres diplomatisches Engagement Deutschlands zur Beendigung des Kriegs gegen die Ukraine. BSW-Landeschef Crumbach reagiert zurückhaltend.
- Führende Ost-Politiker aus Brandenburg, Sachsen und Thüringen fordern mehr Anstrengungen zur Beendigung des Krieges gegen Ukraine
- Kritik: Beitrag sei Anbiederung an möglichen Koalitionspartner BSW in allen drei Bundesländern
- BSW-Chefin Wagenknecht spricht von "wichtigem Beitrag"
- Brandenburger BSW-Chef Crumbach: keinerlei Auswirkungen auf Sondierungsgespräche
Nach den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg drängen drei führende Politiker aus diesen Ländern die Bundesregierung zu stärkeren Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Russland-Ukraine-Krieg.
"Wir wollen eine aktivere diplomatische Rolle Deutschlands in enger Abstimmung mit seinen europäischen Nachbarn und Partnern", schrieben Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" [Bezahlbeitrag].
"Es geht darum, einen Waffenstillstand zu erreichen"
Alle drei sind bei der Koalitionsbildung nach den Wahlen in ihren Ländern auf Unterstützung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) angewiesen. Dieses verlangt dafür eine Positionierung gegen die geplante Stationierung weiterreichender US-Raketen in Deutschland und ein Eintreten für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der überfallenen Ukraine - den diese zu den russischen Bedingungen aber ablehnt. Woidke, Kretschmer und Voigt hatten die im Gastbeitrag geäußerte Position zum Krieg in der Ukraine bereits im Wahlkampf eingenommen - und nun noch einmal bekräftigt.
"Um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, braucht es eine starke und geschlossene Allianz. Deutschland und die EU haben diesen Weg noch zu unentschlossen verfolgt", schrieben die drei Landespolitiker. Je breiter die internationale Allianz aufgestellt sei, desto größer werde der Druck. "Es geht darum, einen Waffenstillstand zu erreichen und der Ukraine belastbare Sicherheitsgarantien zu bieten." Näheres führten sie zu den Rahmenbedingungen nicht aus.
BSW-Landeschef Crumbach reagiert zurückhaltend
Der Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg, Robert Crumbach, reagierte zurückhaltend auf den Appell. Er nehme die Äußerungen zur Kenntnis, sie hätten aber keinerlei Auswirkungen auf die Sondierungsgespräche, so der BSW-Landesvorsitzende gegenüber rbb24.
Wagenknecht spricht von "wichtigem Beitrag"
BSW-Chefin Sarah Wagenknecht erklärte der Deutschen Presse-Agentur in Reaktion auf den Beitrag: "Angesichts einer politischen Debatte, die sich seit zweieinhalb Jahren in Deutschland nur noch um die Frage dreht, welche Waffen als Nächstes an die Ukraine geliefert werden, ist der Artikel ein wichtiger Beitrag, weil er endlich eine andere Perspektive aufzeigt."
Kritik von CDU, SPD, FDP sowie Grünen
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ging auf Distanz zur den Forderungen. "Die Ukraine kämpft um ihr schieres Überleben. Dabei müssen wir ihr auch in unserem eigenen Interesse weiter helfen. Friedensgespräche wird es nur geben, wenn beide Seiten dazu bereit sind", sagte Merz der "Süddeutschen Zeitung".
Das sei offenbar von russischer Seite nicht der Fall. "Russland wird erst zu Gesprächen bereit sein, wenn das Regime von Putin erkennen muss, dass ein weiteres militärisches Vorgehen gegen die Ukraine aussichtslos erscheint", sagte der Unionsfraktionschef.
Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), kritisierte den Beitrag: "Sollte der Brief der drei designierten Ministerpräsidenten als Weichspüler für Koalitionsverhandlungen mit dem BSW gemeint gewesen sein, rate ich zu großer Skepsis", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".
Die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte der "Rheinischen Post": "Man hat das Gefühl, die freiheitlichen Werte unseres Landes werden gerade für ein bisschen Machterhalt und Wahlkampf auf dem Ramschtisch verscherbelt." Strack-Zimmermann sprach von einem "rückgratlosen Kotau der Ministerpräsidenten aus Brandenburg und Sachsen assistiert von der BSW und CDU in Thüringen".
Grünen-Chef Omid Nouripour reagierte empört. "Ich lese da keine einzige Idee für eine substanzielle Friedensarbeit raus - das ist feige", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Die Bundesregierung und ihre Partner engagierten sich unermüdlich diplomatisch, finanziell, militärisch und humanitär, damit die Ukraine als Land überlebe. "Die drei Autoren müssen erklären, wie sie Putin dazu bringen wollen, endlich auf die vielen Friedensbemühungen der Ukraine und ihrer Verbündeten einzugehen."
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann schrieb auf der Plattform X: "Die Botschaft dieses Gastbeitrags von Woidke, Kretschmer und Voigt lautet doch, wie mache ich mich koalitionsfähig für das BSW."
Sendung: rbb24 Radio Fritz, 04.10.2024, 00:31 Uhr
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