Diskussion um Brandmauer - Merkel kritisiert Merz nach Abstimmung mit AfD - scharfe Debatte im Abgeordnetenhaus

Do 30.01.25 | 13:32 Uhr
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Symbolbild: Ex-Kanzlerin Angela Merkel am 29.11.2024. (Quelle: picture alliance/pa/Stefan Sauer)
Video: rbb24 Abendschau | 30.01.2025 | Nachrichten | Bild: picture alliance/pa/Stefan Sauer

Der Bundestag hat am Mittwoch einen CDU-Antrag zur Migration mit Stimmen von AfD und FDP beschlossen. Daran gibt es massive Kritik, auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel hat sich zu Wort gemeldet.

  • Ex-Kanzlerin Merkel bezeichnet Abstimmung der Union mit Stimmen der AfD als falsch
  • SPD-Fraktionschef Mützenich ruft Merz dazu auf, sich nicht erneut auf Mehrheit mit AfD einzulassen
  • Merz wird auch im Berliner Abgeordnetenhaus massiv kritisiert
  • Protest vor CDU-Parteizentrale am Mittwochabend - weitere Proteste angekündigt

Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Entscheidung der Unionsfraktion im Bundestag kritisiert, für die Verabschiedung eines Antrags die Zustimmung der AfD in Kauf zu nehmen. Sie halte es für "falsch", dass am Mittwoch "sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD" ermöglicht wurde, hieß es in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung der früheren CDU-Vorsitzenden.

Stattdessen sei es erforderlich, dass "alle demokratischen Parteien gemeinsam" alles täten, "um so schreckliche Attentate wie zuletzt kurz vor Weihnachten in Magdeburg und vor wenigen Tagen in Aschaffenburg in Zukunft verhindern zu können", fügte Merkel hinzu. Dies müsse "nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts" geschehen.

Viel Kritik an Kurs von Merz

Am Mittwoch hatten CDU und CSU im Bundestag gemeinsam mit Stimmen der AfD und der FDP ihren Migrationsantrag verabschiedet [tagesschau.de], der unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen, mehr Zurückweisungen an deutschen Grenzen, zeitlich unbegrenzte Abschiebehaft sowie Abschiebungen nach Afghanistan vorsieht. Dass die Union für das Durchsetzen ihres Antrags die Zustimmung der AfD in Kauf nahm, stieß auf breite Kritik, unter anderem bei den Kirchen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief den Unionskanzlerkandidaten Merz derweil dazu auf, sich im Bundestag nicht erneut auf eine Mehrheit mit der AfD einzulassen. Merz solle einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik nicht wie geplant am Freitag in den Bundestag einbringen, sagte Mützenich am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk.

Protest von SPD, Grünen und Linken bei der Rede der AfD im Abgeordnetenhaus am 30.01.2025. (Quelle: rbb/Schöbel)Protestaktion in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses

Scharfe Debatte im Abgeordnetenhaus zur Brandmauer

Auch im Berliner Abgeordnetenhaus führte die Abstimmung zu einer scharfen Auseinandersetzung. Zum Auftakt der Debatte am Donnerstag zum 80. Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz warf der Fraktionsvorsitzende der Linken, Tobias Schulze, der CDU einen Tabubruch vor. Unter dem Applaus von SPD, Grünen und Linken warf Schulze im Abgeordnetenhaus der Union vor, den demokratischen Grundkonsens verlassen zu haben.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dirk Stettner, bezeichnete es als infam, die CDU in eine rechtsradikale Ecke zu stellen. Niemals werde die CDU mit der AfD kooperieren oder gar koalieren. Stettner warf seinerseits der Linken vor, den Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz für den Wahlkampf zu missbrauchen. Das werde dem Gedenken an die Opfer des Holocaust nicht gerecht.

Bei der Plenarsitzung hat es auch eine Protestaktion gegen die AfD gegeben. Während einer Rede des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer drehten sich die Mitglieder der Fraktionen von SPD, Grünen und Linken auf ihren Stühlen um. Sie kehrten Trefzer während dessen kompletter Rede demonstrativ den Rücken zu. Die CDU, Koalitionspartner der SPD, beteiligte sich nicht an der Aktion. Kai Wegner stand aber auf und ging zu seiner Regierungssprecherin in der hinteren Reihe. Dort redete er länger mit ihr und drehte dabei Trefzer den Rücken zu. Anschließend verließ er den Saal und kehrte bis zum Ende der Rede des AfD-Abgeordneten nicht mehr an seinen Platz zurück.

Hunderte Menschen beteiligen sich am 29. Januar 2025 an einer Demonstration vor der CDU-Parteizentrale in Berlin-Tiergarten (Quelle: DPA/Fabian Sommer)Protestaktion vor der CDU-Parteizentrale in Berlin

Protest vor CDU-Parteizentrale

Vor der CDU-Parteizentrale in Berlin war am Mittwochabend gegen das gemeinsame Abstimmen von Union und AfD für eine schärfere Migrationspolitik im Bundestag demonstriert worden. Zu der Kundgebung unter dem Motto "Brandmauer statt Brandstiftung" hatten unter anderem Amnesty International, Seebrücke und andere Organisationen aufgerufen.

Die Polizei sagte auf rbb-Anfrage, mehr als 1.000 Menschen hätten sich an dem Protest beteiligt. Das Protestbündnis "Widersetzen" sprach von 2.000 Teilnehmenden.

Baerbock: "Werden Demokratie gegen Nazis verteidigen"

Bei einer Wahlkampfveranstaltung am Mittwochabend in Potsdam kritisierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), zum ersten Mal auf Bundesebene habe die Union es ermöglicht, dass es eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD gegeben habe. Man müsse noch lauter und erst recht sagen: "Diese Demokratie, diese Freiheit, dieser Rechtsstaat ist das Wichtige, was wir haben, und wir werden es mit allem, was wir haben, verteidigen gegen Verfassungsfeinde, gegen Nazis, ob alte oder neue", rief Baerbock vor rund 1.400 Menschen.

Der Bundestagsabgeordnete für Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz, Hannes Walter (SPD), sagte in einer Mitteilung: "Heute ist die Brandmauer gefallen! Der CDU-Antrag verstößt gegen das Grundgesetz und gegen europäische Verträge." Er sei rechtlich nicht umsetzbar und eine absolute Grenzüberschreitung.

Landesweite Proteste angekündigt

Der Flüchtlingsrat Berlin teilte mit, der Beschluss verstoße gegen Menschenrechte und gefährde den Rechtsstaat. "Wenn diese Beschlüsse umgesetzt werden, bedeutet das die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl, einem Bestandteil unseres Grundgesetzes und internationalen Konventionen, deren Mitglied wir sind", sagte Djairan Jekta vom Flüchtlingsrat.

Als Reaktion auf das gemeinsame Abstimmen von CDU, FDP und AfD kündigte das Bündnis "Widersetzen" am Donnerstagmorgen landesweitere Proteste in den kommenden Tagen an. So soll am Sonntag in Berlin erneut demonstriert werden, ein Protestzug soll vom Reichstagsgebäude zur CDU-Bundesgeschäftsstelle führen, so die Kampagnenorganisation Campact. Dazu erwartet würden mehrere Zehntausend Menschen. Angekündigt werden Rednerinnen und Redner von Kirchen, Gewerkschaften, Sozial- und Menschenrechtsverbänden, der Klimabewegung sowie Personen des öffentlichen Lebens

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.01.2025, 19.30 Uhr

 

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112 Kommentare

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  1. 112.

    Guten Tag,
    danke für Ihren Kommentar. Es handelt sich um keinen Widerspruch: Hunderte Menschen können auch 1.000 Menschen sein. Zusätzlich kommt es auch vor, dass Veranstalter andere Zahlen nennen als die Polizei.
    Freundliche Grüße aus der Redaktion

  2. 111.

    Definieren sie den Begriff illegal,
    Und wenn einer für illegale Einwanderung ist, ist er gegen das Recht der Bundesrepublik so einfach ist es.

  3. 110.

    Dann findet sich halt eine Mehrheit aus der Mitte des Parlaments.

    Wie gestern.

  4. 109.

    Warum regen sich andere Politiker darüber auf? Eine ziemlich einfache Antwort, sie selber hätten sich nicht getraut. Man will ja niemand auf die Füße treten, eventuell jemand verärgern oder sich nachsagen lassen müssen man wäre ziemlich weit rechts oder schlimmeres. Es ist und war eine demokratische Abstimmung, da hilft das ganze schreien nicht. Es mag moralisch verwerflich sein, aber es ist Demokratie. Die AFD wird zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet, aber solange sie gewählt wird kann man mit ihr abstimmen. Verhindern kann man sowas nur wenn man die Demokratie abschafft.

  5. 108.

    Kundgebung und Demonstrationen müssen doch angemeldet werden, wie geht das so kuzfristig, anscheinend innerhalb von Minuten.
    Ist wohl eher ne spontane Protestaktion, wie bei den Strassenklebern und so, ach ne, Aktivisten.
    Das sollten sich mal AfD-Anhänger erlauben bzw. trauen.

  6. 106.

    Der RBb sollte Likes für Kommentare einführen.

    Da erkennt man die Mehrheitsmeinung sehr deutlich.

    Andere Medien machen es vor.

    Die Mehrheit tickt extrem konservativlibertär.

    Insbesondere die Jugend, das gibt Hoffnung.

  7. 105.

    Auch wenn ich weder Fan noch Wähler der AFD bin. Die gestrige Abstimmung war das demokratischste Handeln im Bundestag seit langem. Auch wenn es viele der schwindenden Grünen und der auf Abschiedstournee befindlichen Linken nicht wahr haben wollen. Die gewählten Vertreter des Volkes haben in mehrheit für den Antrag gestimmt. Drohungen und Diffamierungen haben die CDU nicht davon abhalten können den Antrag einzubringen. Die FDP, das ehemalige Ampellicht mit Warnfunktion, hat sich nun offen gegen die alten Partner gstellt. Was auffällt ist die einseitige Berichterstattung in den öffentlich rechtlichen Medien. Dabei gibt es viele Stimmen die den gestrigen Tag im Ergebnis begrüßen.

  8. 104.

    .....Friedrich Merz scheint zu vergessen, dass er nach der Wahl mindestens einen Koalitionspartner braucht. Das wird ganz schön schwierig für ihn werden. Was will er dieser Partei denn sagen, vielleicht etwas wie: Hey "Scholzi" war alles nicht so gemeint, eigentlich finde ich eure Partei ja doch nicht so schlecht? Hoffentlich denkt er bis Freitag etwas genauer darüber nach. Ich würde mir als Partei jedenfalls sehr genau überlegen, ob ich nach diesem Verhalten mit einer CDU unter Friedrich Merz eine Koalition eingehen wollen würde oder nicht. Das einzige, was ihm wahrscheinlich in die Karten spielt, ist, dass wohl alle Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen möchten, außer die AfD selber natürlich.

  9. 103.

    "spontan" - der war gut. Sicherlich lagen die CDU-Plakate schon seit Tagen unter dem Bett.
    Und ehrlich: hätten die aus ihrer Blase mal das Ohr der Bevölkerung gelegt, hätten sie mitbekommen, dass sich über 70% der Menschen unsicher in diesem Land fühlen und 64% der Politik nicht mehr trauen.
    Hätte sich die Regierung den Problemen gestellt, hätte es nicht diese Abstimmung gebraucht.
    Ich persönlich freue mich auf Schwarz-Blau.

  10. 102.

    Also, noch wird hierzulande Politik und die Gesetzgebung von demokratisch gewählten Abgeordneten in Prlament gemacht, und nicht von Verbänden, Kirchen, und Demonstranten.
    Die meisten Flüchtlinge kamen zur Zeiten der CDU Regierung, es sind inzwischen Millionen, und die Vernunft sagt, dass mehr vorerst nicht geht, was ist bitteschön daran unmenschlich.
    Übrigens, die EU hat 26 Mitgliedstaaten, und warum soll ausgerechnet nur Deutschland alle Flüchtlinge aufnehmen sollen.

    Wenn eine Überforderung des Landes und der Menschen, zu einem unlösbaren Problem bei Unterbringung,Integration, Hilfsangeboten herangewachsen sind, dann muss ein weiterer Zuzug vermieden werden.

  11. 101.

    Sehr gut, dass der Antrag der CDU eine Mehrheit im Bundestag gefunden hat, nennt man Demokratie. Wieviele Nichtdemokraten es doch in Deutschland gibt! Nur weil die AfD das ähnlich in ihrem Programm hat und ebenfalls zugestimmt hat, ist es noch lange keine „Brandmauerdurchbrechung“, sondern einfach nur Kalkül der AfD, dass zeigt genau diese Diskussion hier!
    Man kann dem begegnen, in dem man CDU statt AfD wählt, dazu müßte man aber Demokrat sein …

  12. 99.

    Wer das Richtige verhindert, weil die Falschen dafür sind, der nimmt die Bevölkerung nicht ernst.

  13. 98.

    @ Günter Frech
    @ Peter
    Sie sprechen mir aus dem Herzen. Danke.

  14. 97.

    Dieser Antrag ist als klarer Denkzettel an SPD, Grüne, Linke etc. zu verstehen, die sich mit ihrer "Weiter-So"-Haltung vor den Problemen wegducken und lieber reflexartig gegen CDU und AfD wettern, anstatt dem Willen der Wählermehrheit Rechnung zu tragen und selbst Änderungen anzustreben.

  15. 96.

    Ich bin eigentlich immer skeptisch gegenüber einem potentiellen AfD-Verbot gewesen, aber einen Vorteil hätte es doch (wenn es erfolgreich wäre): man bräuchte dann gegen die AfD keine Brandmauer mehr. Die CDU, die ja nun massiv nach rechts blinkt (nachdem sie dasselbe 20 Jahre lang nach links getan hatte), würde sich über einen großen Zustrom von dann-ehemaligen AfD-Wähler*innen und -Mitgliedern freuen können. Denn die fänden in einer derart national-populistisch ausgerichteten CDU unter Merz und seinen Zöglingen ja dann wieder eine Heimat. Dann hätten wir wieder die klassische Situation aus Bonner Zeiten, in der rechts von der Union nur noch die Wand ist. Durchaus eine Chance übrigens auch für die SPD, sich wieder als wirklich sozialdemokratische Alternative zu profilieren, statt ebenfalls der AfD nach dem Mund zu reden, nur mit den verdrucksteren Argumenten.

  16. 95.

    Nachdem was SPD und Grüne gestern abgeliefert haben, sollte man deren Verbot endlich ins Auge fassen.

  17. 94.

    Das ist aber nur ihre eigene und, wie ich finde, etwas weit hergeholte Meinung.
    Das Thema Migration beschäftigt die Bürger des Landes und es muss sich definitiv etwas ändern. Die jetzige Regierung hat alles nur ausgesessen und erhebt jetzt die Stimme, nachdem mal jemand einen Vorschlag zur Abstimmung gebracht hat.
    Ich erwarte von allen politischen Kräften Anstrengungen, seine Bürger (auch Neubürger) in allen Belangen zu schützen. Merz kritisieren ist das Eine - Handeln wäre aber geboten!

  18. 93.

    ... wenn Menschen Demokratie nicht akzeptieren.

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