Corona-Kommission im Landtag - Lehren ziehen für die nächste Pandemie

Der Brandenburger Landtag will erneut die Folgen der Corona-Maßnahmen aufarbeiten, diesmal nicht in einem Untersuchungsausschuss, sondern in einer Enquete-Kommission. Was das Parlament diesmal anders machen möchte. Von Hanno Christ
- mehr Blick in die Zukunft als in die Vergangenheit
- Kommission will heilen, nicht spalten
- Ergebnisse in vier Jahren erwartet
An ein erstes Koalitionsvorhaben von SPD und BSW konnten die Parlamentarier am Freitag im Landtag schonmal einen Haken machen: Die Enquete-Kommission, die Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen soll, hat ihre erste Sitzung absolviert. Es geht also los.
Für das BSW geht damit ein Herzenswunsch in Erfüllung. Es ist ein Zugeständnis der SPD an den Koalitionspartner. Schon in der ersten Landtagssitzung war die Kommission mit großer Mehrheit im Landtag beschlossen worden. Unter dem Titel "Lehren aus der Coronapandemie zur Analyse und Aufarbeitung staatlicher Maßnahmen sowie zur Stärkung der Krisenresilienz des Landes Brandenburg" soll das Gremium nun die Folgen der Corona-Zeit in den Blick nehmen.
Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, Ahndung von Verstößen gegen Corona-Verordnungen – möglichst alles soll in den nächsten vier Jahren noch einmal auf den Tisch.
Fünf Themenkomplexe im Fokus
Die Kommission unter Vorsitz der SPD hat sich viel vorgenommen, will mehr in die Zukunft und weniger in die Vergangenheit schauen. Dafür wird sie fünf Themenbereiche unter die Lupe nehmen: Untersucht werden soll etwa die Resilienz des Gesundheitssystems, also wie gut etwa Gesundheitsämter oder Krankenhäuser auf einen Ernstfall wie eine Pandemie vorbereitet sind.
Ein zweiter Komplex befasst sich mit der Analyse staatlicher Eingriffe, darunter etwa Maskenpflicht oder Schulschließungen, ein dritter mit der Verhältnismäßigkeit und Effektivität von Maßnahmen. In einem vierten Bereich untersucht die Kommission die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Unterstützung etwa durch die Corona-Hilfen. Themenkomplex fünf befasst sich mit der Frage, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt geschaffen und Spaltung überwunden werden kann.
Auch mögliche Amnestie im Blick
Auf dem Papier richtet sich die Arbeit der Kommission vor allem auf die Bewältigung künftiger Herausforderungen. Um den strengen Blick zurück wird sie nicht herumkommen. Die einstigen Koalitionspartner SPD und CDU werden sich in der Kommission wohl weniger Lob als Kritik an ihrer eigenen Regierungsarbeit stellen müssen.
In der vergangenen Legislatur-Periode waren sie maßgeblich an der Corona-Politik beteiligt. Etwa durch das Bildungsministerium, das auch Schulschließungen durchführte, oder durch das Innenministerium, das neben den Kommunen für die Durchführung und Einhaltung von Corona-Maßnahmen verantwortlich war und zeitweilig auch für die Organisation der Impfstoff-Verteilung.
Die Kommission will auch über eine mögliche Amnestie für Corona-Straftaten sprechen. Die CDU-Politikern Saskia Ludwig ist dafür, es möglichst früh zu tun. "Ich denke schon, dass diejenigen die Bußgelder gezahlt haben, weil sie demonstriert haben oder Ärzte, die verurteilt wurden, weil sie Maskenatteste ausgeschrieben haben, dass die auch rehabilitiert werden und Bußgelder auch zurückgezahlt werden. Das wäre schonmal ein guter Schritt von Seiten des Staates", sagt Ludwig. Inwieweit die Behörden da aber entgegenkommen, ist strittig.
Brandenburg geht mit der Enquete-Kommission einen neuen Weg, nicht mehr den der Untersuchungsausschüsse. In der vergangenen Legislatur gab es gleich zwei davon, initiiert von der AfD, die der Corona-Politik grundsätzlich ablehnend gegenüberstand. Inwieweit diese der Aufarbeitung dienten, ist mehr als zweifelhaft.
Untersuchungsausschüsse gelten als schärfstes Schwert des Parlamentes, mit weitreichenden Möglichkeiten, darunter etwa Zeugen zu zitieren und unter Eid zu nehmen. Es ist eine Art parlamentarisches Gericht. Die Sitzungen hatten eher den Charakter eines unversöhnlichen Tribunals. Auf der Anklagebank: Die Regierenden oder auch Wissenschaftler.
Im Landtag kam es in Debatten immer wieder zu tumultartigen Szenen, wenn es um die Corona-Aufarbeitung ging. So warf der AfD-Abgeordnete Lars Hünich den Regierungsfraktionen vor, sie hätten durch die Corona-Maßnahmen "Blut an den Händen" und seien verantwortlich für den Tod von Alten und Kindern. Dass die Corona-Politik aber auch Schlimmeres verhindert hatte, kam dabei zu kurz.
AfD-Mann Hünich sitzt auch diesmal wieder im Gremium für die Corona-Aufarbeitung. Er sei froh, dass es die Kommission gebe, sagt er. Hünich würde es begrüßen, wenn Fehler eingestanden und dann auch nicht wiederholt würden. "Eine Änderung des Pandemie-Plans und eine Änderung des Katastrophenschutzplans wäre der Optimalfall und dass politischer Einfluss künftig ausgeschlossen werde". Das seien für Hünich wünschenswerte Ziele der Kommissionsarbeit.
BSW: Entschuldigung an Corona-Kritikern fällig
Mit der Enquete-Kommission will das Parlament also einen neuen Anlauf wagen – und den womöglich auch in einem anderen, versöhnlicheren Tonfall. Kommissions-Mitglied Julia Sahi (SPD) hat die Erwartung, dass es diesmal mit der Aufarbeitung besser laufen wird als in der in der Vergangenheit. "Diese Enquete-Kommission ist für mich eine unglaubliche Chance, einfach weil sie einen Raum aufmacht für Dialog. Wir haben jetzt im Nachhinein – wo man ja bekanntlich klüger ist – die Chance, Dinge als Lehren für die Zukunft zu ziehen", so Sahi.
Es seien alle angehalten, sich ihrer großen Verantwortung bewusst zu werden. Christian Dorst vom BSW sagt aber auch, dass die Verantwortlichen von einst etwas gut zu machen hätten. "Diejenigen, die die Corona-Maßnahmen-Gegner so verteufelt haben, die sollten schon zu der Einsicht kommen, dass die ein oder andere Entschuldigung fällig wäre", so Dorst. Er sieht aber auf der anderen Seite Verhärtungen. Vielleicht, so hofft Dorst, sei es auch dort an der Zeit für mehr Milde.
Sendung: rbb24 Abendschau, 14.3.2025, 19:30 Uhr