Sondervermögen - Wegner begrüßt Einigung auf neue Schulden - Woidke fordert Reformen

Union und SPD haben sich bei ihren Sondierungen auf Milliardenkredite für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt. Berlins Regierender Bürgermeister Wegner begrüßt den Schritt. Brandenburgs Ministerpräsident Woikde will eine Lockerung der Schuldenbremse.
Nach der Einigung zwischen Union und SPD über ein Finanzpaket hält Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein Lockern der Schuldenbremse für dringend notwendig. Der Regierungschef sagte in einer ersten Reaktion: "Deutschland braucht einen starken und handlungsfähigen Staat. Diese finanzielle Handlungsfähigkeit ist mit der jetzigen Schuldenbremse nicht gegeben."
Dafür seien massive Investitionen in die Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit notwendig. "Deshalb muss die Schuldenbremse dringend reformiert werden", so der SPD-Ministerpräsident.
Darauf einigen sich die Sondierungspartner
Nach drei Sondierungsrunden haben sich die SPD und die Union auf ein milliardenschweres Sondervermögen geeinigt. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll so angepasst werden, dass Verteidigungsausgaben ausgenommen sind, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll das nicht gedeckelt werden, ermöglicht also theoretisch unbegrenzte Kredite.
Finanziert werden soll das mittelfristig unter anderem auch durch die Wirtschaft, für die es eine Impulsspritze in Form eines Infrastrukturpakets geben soll - also Investitionen in Straßen, Schienen und anderes. Dafür sollen Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden, die in ein Sondervermögen fließen.
Das Geld soll schnell zur Verfügung stehen und über zehn Jahre abfließen. Damit das an der Schuldenbremse vorbeilaufen kann, soll das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und dort von der Schuldenregel ausgenommen werden.
Wegner: Land braucht Konjunkturbooster
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) begrüßt diese Einigung. Er sprach von einem kraftvollen Signal für Stabilität in unsicheren Zeiten. Nach Jahren des Verschleißes brauche das Land einen Konjunkturbooster, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, so Wegner. Auch die Länder trügen eine massive Verantwortung, die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen, betonte er.
Der Regierende Bürgermeister hatte anders als sein Parteifreund und möglicher neuer Kanzler Friedrich Merz schon lange vor der Wahl eine Reform der Schuldenbremse angemahnt. In Berlin fährt Wegner aktuell einen radikalen Kürzungskurs. Lockerungen der Schuldenbremse könnten hier wieder mehr Spielraum schaffen. Es müsse aber sichergestellt werden, dass jeder Euro in Zukunftsinvestitionen fließe, anstatt in kurzfristigen Konsum, so Wegner. Er machte auch deutlich, dass die Haushaltskonsolidierung weitergehen müsse.
Berliner Grüne: "Merz hat die Wählerinnen und Wähler belogen"
Andere Parteien kritisieren den Vorstoß von Union und SPD: Die Linke warnte am Mittwoch vor einem "Blankoscheck für Aufrüstung". Partei und Fraktion kündigten zudem eine rechtliche Prüfung an, ob die von Union und SPD geplante Entscheidung noch durch den alten Bundestag überhaupt verfassungskonform sei.
Das konkrete Abstimmungsverhalten im Bundestag ließ die Linke offen - so wie auch die Grünen: "Ob wir am Ende den Grundgesetzänderungen zustimmen werden, ist offen", sagte Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. Ihre Fraktion habe "eine Reihe von Fragen", unter anderem, warum der Klimaschutz "überhaupt keine Rolle" spiele. Es müsse zudem überlegt werden, ob es nicht ordentlicher wäre, "eine grundlegende Reform der Schuldenbremse anzugehen".
Auch die Berliner Grünen erklärten, dass sie den Vorschlag von Union und SPD nicht für zustimmungsfähig hielten. "Die Bremse nur halb zu lockern reicht nicht – die Schuldenbremse braucht eine Generalüberholung", erklärte André Schulze, Sprecher für Finanzen und Haushalt der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. "Friedrich Merz hat die Wählerinnen und Wähler vor der Wahl über die Finanzierbarkeit seiner Pläne belogen. Daher kann ihm jetzt nicht vertraut werden, dass eine grundlegende Reform der Schuldenbremse zu einem späteren Zeitpunkt kommt."
AfD erwägt rechtliche Schritte
Die Kritik der Bundes-FDP zielte in eine andere Richtung. Sie warnte vor einer Aufweichung der Schuldenbremse. Die FDP wäre aber bereit, "über ein Sondervermögen für die Bundeswehr sprechen, damit Beschaffung und Modernisierung verlässlich sichergestellt sind", sagte Fraktionsvize Christoph Meyer. Er warnte vor "exorbitanten Schulden" und warf CDU und CSU vor, sich von der SPD "über den Tisch ziehen zu lassen".
Die AfD gab an, sie erwäge rechtliche Schritte. "Fest steht, dass sich eine ganze Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken ergeben, ob der 20. Bundestag in der angedachten Form überhaupt über eine solche langfristige, haushalterische Bindung des 21. Bundestages entscheiden darf", sagt Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, der Nachrichtenagentur Reuters. Der neugewählte Bundestag trete noch im März zusammen, deshalb sei keine Eile nötig. "Wir befinden uns deshalb aktuell in einer rechtlichen Vorprüfung und behalten uns rechtliche Schritte vor", so Baumann.
Was die Region jetzt braucht
Der Bedarf an Infrastruktur-Investitionen in der Region ist groß. So steht im Landkreis Barnim die Sicherung von Schulplätzen an erster Stelle. Ein Neubauprogramm im Wert von über 300 Millionen Euro sei bereits in Planung, erklärte Sprecher Robert Bachmann. Finanzielle Unterstützung sei willkommen. Auch die Handwerkskammer Frankfurt (Oder) fordert mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur Ostbrandenburgs, insbesondere in Oberstufenzentren und Weiterbildungseinrichtungen für das Handwerk. Zudem solle der öffentliche Wohnungsbau stärker gefördert werden. Daran hat das Handwerk ein besonderes Interesse, da zunehmend Fachkräfte fehlen.
In der Uckermark sieht Landrätin Karina Dörk dringenden Finanzierungsbedarf für die Krankenhausstandorte der Grundversorgung. Auch Pflegeeinrichtungen müssten ausreichend finanziert werden, ohne Angehörige und Pflegebedürftige mit hohen Zuzahlungen zu belasten.
Mehrere Wirtschaftsvertreter und Gewerkschaften mahnen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur an. Die IHK Ostbrandenburg fordert den Ausbau von Straßen und Autobahnen, insbesondere der A12, sowie die Elektrifizierung und Erweiterung des Schienen- und Wasserstraßennetzes. Laut IHK-Pressesprecherin Norma Groß sei zudem eine Wasserstoffpipeline notwendig, um die Zementproduktion in Rüdersdorf und das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt anzubinden.
Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) setzt sich für mehr Investitionen in den Schienenverkehr ein. Ihr Landesvorsitzender Sebastian Rüter warnt jedoch: "Bestehende Schienen-Projekte wie das Berlin-Brandenburger Ausbauvorhaben i2030 werden sich nicht mit Geld alleine umsetzen lassen." Ohne bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für den Streckenausbau könnten Investitionen ins Leere laufen. Rüter fordert daher dringend eine Anpassung der Regularien.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.02.2025, 11 Uhr