Fehlende Azubi-Stellen - Berliner Arbeitssenatorin Kiziltepe treibt die Ausbildungsplatzumlage voran

Berliner Betriebe müssen in einen Fonds einzahlen und wer ausbildet, bekommt daraus Geld zurück. So würde eine Ausbildugsplatzumlage funktionieren - die eingeführt werden könnte. Die Arbeitssenatorin hat jetzt den notwendigen Gesetzgebungsprozess dazu gestartet. Von Sabine Müller
- erste Pläne für Ausbildungsplatzumlage in Senatsabstimmung geschickt
- falls Berlins Unternehmen bis Jahresende nicht 2.000 neue Azubi-Stellen schaffen, müssten sie Umlage zahlen
- wer ausbildet, bekäme Geld zurück
- Berlins Regierender Bürgermeister Wegner kritisiert Vorbereitung der Umlage
Die Planungen für eine Ausbildungsplatzumlage in Berlin werden konkreter. Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hat am Mittwochvormittag ihren Referentenentwurf zur Stellungnahme an andere Senatsverwaltungen geschickt.
Berlins Ausbildungsmarkt sei "seit Jahren in einer Schieflage", sagte Kiziltepe in einem Pressegespräch, "die Zahlen belegen, dass sich etwas ändern muss". Im vergangenen Jahr seien mehr als 3.700 junge Menschen in der Hauptstadt ohne Ausbildungsplatz geblieben, die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze habe sich seit 2009 verfünffacht.
CDU und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, dass "in den Berliner Betrieben bedarfsgerecht ausgebildet wird". Im August 2023 wurde deshalb zusammen mit Wirtschaft, Gewerkschaften und anderen Akteuren ein "Bündnis für Ausbildung" ins Leben gerufen, um die Zahl der Azubi-Stellen in Berlin dauerhaft zu erhöhen. Vereinbart wurde, dass bis Ende dieses Jahres 2.000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden sollen – Zielmarke: 34.853. Falls dies nicht gelingt, soll eine verpflichtende Ausbildungsplatzumlage kommen.
So würde die Berliner Ausbildungsumlage aussehen
Arbeitssenatorin Kiziltepe lobt eine Umlage als "solidarische Umverteilung", die Unternehmen dabei unterstütze, "sich die Fachkräfte von morgen auszubilden". Aktuell bilden nur knapp elf Prozent der Berliner Betriebe aus, im Bundesdurchschnitt sind es fast doppelt so viele. "Wer nicht ausbildet, darf auch nicht über Fachkräftemangel klagen", nimmt Kiziltepe die Wirtschaft in die Pflicht.
So würde eine Umlage konkret funktionieren: Grundsätzlich müssten alle Berliner Betriebe in einen Fonds einzahlen und wer ausbildet, bekäme daraus Geld zurück. Ausgenommen wären sehr kleine Firmen sowie Branchen, in denen die Tarifparteien schon eine Ausbildungsplatzumlage vereinbart haben, etwa beim Bau oder den Schornsteinfegern. Eine neu zu schaffende Ausbildungskasse würde das Geld einziehen und verteilen. Sollte die Umlage kommen, versichert Arbeitssenatorin Kiziltepe, gehe das eingezogene Geld zu 100 Prozent zurück an die Wirtschaft.
Wie viel Geld Betriebe einzahlen müssten und wie viel sie pro Azubi-Stelle rausbekämen, muss laut der Arbeitssenatorin noch geklärt werden. "Mitberücksichtigt" werde dabei das Bremer Modell, so Kiziltepe.
Bremen als Vorbild für Berlins Ausbildungsumlage
Als bisher einziges Bundesland hat das kleine Bremen eine Ausbildungsabgabe eingeführt. Sie wurde im März 2023 vom Landesparlament beschlossen und wird seit diesem Jahr eingezogen. Betriebe zahlen aktuell 0,27 Prozent ihrer Arbeitnehmerbruttolohnsumme (das ist der Gesamtbetrag, den ein Arbeitgeber an die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auszahlt) in den Ausbildungsfonds ein. Betriebe, die ausbilden, bekommen daraus pro Azubi 2.250 Euro im Jahr.
Auf der Website des Bremer Ausbildungsfonds werden verschiedene Beispielrechnungen präsentiert, unter anderem diese: Ein Handwerksbetrieb hat fünf Beschäftigte und einen Azubi, die Arbeitnehmerbruttolohnsumme beträgt 266.296,30 Euro. Dieser Betrieb muss pro Jahr 719 Euro in den Ausbildungsfonds einzahlen und erhält für den Azubi 2.250 Euro zurück. In der Gesamtrechnung stünde damit ein Plus von 1.531 Euro. Wenn dieser Betrieb allerdings nicht ausbildete, entstünden ihm durch den Fonds Mehrkosten von 719 Euro.
Im Referentenentwurf von Arbeitssenatorin Kiziltepe ist davon die Rede, von Berliner Unternehmen eine Bruttolohnsumme zwischen 0,1 und 0,4 Prozent für einen Ausbildungsförderfonds zu verlangen. Die genaue Höhe soll jährlich neu festgelegt werden, je nachdem, wie viel Geld gebraucht wird, um auszubildende Betriebe zu unterstützen.
Wirtschaft kritisiert Entwurf der Berliner Ausbildungsumlage
Während die Senatorin die Ausbildungsplatzumlage als Chance und Unterstützung für die Betriebe anpreist, warnen Wirtschaftsverbände vor der "Strafabgabe". Die Umlage sei ein "falsches Instrument", das an der "Realität des Ausbildungsmarktes vorbeigehe", heißt es etwa auf der Internetseite der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK).
Sie kritisiert unter anderem, dass die Umlage Firmen zusätzlich belaste und Betriebe bestrafe, die ausbilden wollten, aber keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber fänden. Solange diese "Matching"-Probleme nicht gelöst seien, schaffe eine Umlage keine zusätzlichen Ausbildungsplätze, schreibt die IHK. Zudem warnt sie, eine Umlage schaffe "einen immensen Verwaltungsapparat und Personalkosten". Arbeitssenatorin Kiziltepe sagte dazu: "Wir wollen ein bürokratiearmes Verfahren."
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner von der CDU übt deutliche Kritik am Handeln der SPD-Senatorin: "Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet", teilte Wegner per Presse-Statement mit. Er appellierte an alle Beteiligten, sich auf die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze zu konzentrieren.
So geht es weiter mit Berlins Ausbildungumlage
Andere Senatsverwaltungen wie Bildung oder Wirtschaft haben nun einen Monat Zeit, zum Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Danach kommt die Verbändeanhörung, bei der Wirtschaft und Gewerkschaften ihre Meinung äußern dürfen. Bis Ende 2025/Anfang 2026 soll laut Planung der Arbeitsverwaltung dann ein vom Senat verabschiedeter, fertiger Gesetzentwurf vorliegen. Falls die Wirtschaft bis dahin nicht genug neue Ausbildungsplätze geschaffen hat, wäre dann das Parlament am Zug, wo der Gesetzentwurf vor der Sommerpause beschlossen werden könnte. Dann wäre die Berliner Politik allerdings schon mitten im Wahlkampf für die nächste Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2026. Ob die CDU, wo viele die Ausbildungsplatzumlage skeptisch sehen, dann noch mitzieht? SPD-Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe setzt darauf, schließlich sei die Umlage im Koalitionsvertrag vereinbart.
Ab wann die Ausbildungsumlage dann gezahlt werden müsste, steht noch nicht abschließend fest. Falls auch hier Bremen Vorbild wäre, könnte es nach der Verabschiedung im Parlament etwa anderthalb bis zwei Jahre dauern.
Sendung: rbb 88.8, 23.04.2025, 11:30 Uhr