Verlängerung der U-Bahnlinie 3 - Nur 800 Meter – und doch ein weiter Weg zum Mexikoplatz

Die U3 soll von Krumme Lanke bis zum Mexikoplatz verlängert werden. Politik und Verkehrsbetriebe feiern den Plan – doch Anwohnerinnen und Anwohner fürchten jahrelange Baustellen und halten das Projekt für unwirtschaftlich. Von Thorsten Gabriel
- Bislang endet die U-Bahn-Linie 3 stadtauswärts an der Station Krumme Lanke in Zehlendorf
- Anfang 2024 beschloss der Berliner Senat, die Linie um 800 Meter bis zum Mexikoplatz zu verlängern, um einen direkten Umstieg zur S-Bahn zu ermöglichen
- Aus Politik und Verbänden gibt es überwiegend Zustimmung, die Initiative "Rettet den Mexikoplatz" kämpft allerdings gegen die aus ihrer Sicht unnötige Erweiterung
Für die einen ist der symbolische erste Spatenstich unweit des U-Bahnhofs Krumme Lanke der Beginn einer neuen Ära: Es tut sich was im Berliner Untergrund. Für andere ist es der Startschuss für ein schöngerechnetes und obendrein überflüssiges Projekt.
Aber der Reihe nach: Grundsätzlich klingt es so naheliegend wie simpel. Es geht um die Verbindung zwischen zwei Bahnhöfen unterschiedlicher Systeme. Gerade mal 800 Meter liegt der derzeitige Endbahnhof Krumme Lanke der U-Bahn-Linie 3 vom S-Bahnhof Mexikoplatz entfernt. Würde diese Lücke geschlossen, wäre es ein Zugewinn an Komfort im Öffentlichen Nahverkehr am südwestlichen Berliner Stadtrand. Kein Umsteigen mehr am U-Bahnhof Krumme Lanke in den Bus, um wenige hundert Meter weiter wieder umzusteigen in die S-Bahn.
Doch was für viele regelmäßige Bahnreisende im Südwesten wie ein Traum klingt – zu schön, um wahr zu sein –, fühlt sich für andere wie ein Albtraum an, der nun wahr werden könnte.
Symbolischer Spatenstich – doch noch nicht für die neue Strecke
Am Montag erfolgte der erste Spatenstich. Fest steht zunächst: Der Spatenstich, den Senat und Berliner Verkehrsbetriebe als Startsignal für den U-Bahn-Ausbau gedeutet wissen wollen, ist in Wirklichkeit erstmal nur der Beginn einer Baumaßnahme, die es wahrscheinlich auch ohne Verlängerungspläne gegeben hätte. Es geht um den teilweisen Abriss und Neubau eines Tunnels mit zwei Gleisen, der bereits vor rund 100 Jahren vom U-Bahnhof Krumme Lanke aus in Richtung Mexikoplatz gebaut wurde. Der ist allerdings keine 800 Meter lang, sondern endet schon nach nur 150 Metern unvermittelt an einer Ziegelwand, ungefähr auf Höhe des Ausstellungsortes Haus am Waldsee.
Schon beim Bau der U-Bahn-Strecke vor 100 Jahren war darüber nachgedacht worden, die Linie einmal bis Kleinmachnow zu verlängern. Immer wieder gab es auch in den letzten Jahrzehnten Überlegungen dazu. Doch es blieb beim kurzen Überlegen. Der Tunnelstummel dient derweil seit Jahrzehnten nachts als dringend benötigte Abstellfläche für U-Bahnzüge. Vor drei Jahren dann ergab eine Prüfung, dass das unterirdische Bauwerk an Standsicherheit verloren hat und erneuert, werden müsste. Das soll nun geschehen.
Aus dem Tunnelstummel zur Verlängerung
Geht es nach Senat und BVG, sollen durch diesen Tunnel aber in der Tat künftig wieder Züge rollen – nicht nur bis zur Ziegelwand. Die Grundsatzentscheidung, die Linie U3 bis zum Mexikoplatz zu verlängern, traf die Berliner Landesregierung bereits Anfang 2024. Der Planfeststellungsbeschluss wird für Mitte dieses Jahres erwartet. Weil für die bloße Sanierung des bestehenden Tunnels aber noch keine neue Planfeststellung nötig ist, kann damit schon jetzt begonnen werden.
Liefe alles nach Plan, könnten ab Ende 2030 die ersten U-Bahnzüge auf der erweiterten Linie rollen. Liefe, könnte. Der Konjunktiv ist hier wichtig. Denn wie bei fast allen Bauprojekten größeren Ausmaßes ist auch dieses mit einigen Unsicherheitsfaktoren versehen, die das ganze Vorhaben nicht nur in die Länge ziehen, sondern vor allem auch deutlich verteuern könnten. Bislang liegen die geschätzten Baukosten für das Projekt bei etwas über 100 Millionen Euro – verbunden mit der Hoffnung darauf, dass der Bund den größten Teil davon übernimmt.
Gegenwind von Anwohnerinnen und Anwohnern
Doch genau das bezweifelt die Initiative "Rettet den Mexikoplatz", die sich vehement gegen die Erweiterungspläne stellt. Es sind vor allem Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Argentinischen und Lindenthaler Allee, die das Projekt stoppen wollen – was insofern kaum überrascht, als dass auf sie mindestens in den nächsten Jahren erhebliche Belastungen zukommen. Von einer "Horrorbaustelle" sprechen sie. Der Tunnel bis zum Mexikoplatz soll in "offener Bauweise", also nicht etwa rein unterirdisch gebaut werden, der Autoverkehr auf der Argentinischen Allee würde in dieser Zeit auf eine Fahrspur je Richtung eingeengt, weil das Pflaster aufgerissen werden muss. Vom Baulärm ganz zu schweigen.
Noch dazu ginge es auch hinter dem denkmalgeschützten Mexikoplatz mit den Bauarbeiten weiter. Denn an den dann neuen U-Bahnhof Mexikoplatz südlich der S-Bahn-Trasse soll sich nach den Plänen der BVG noch eine rund 500 Meter lange Kehr- und Aufstellanlage für vier U-Bahnzüge anschließen. Die gesamte Baustelle zöge sich also auf einer Länge von gut 1,3 Kilometern entlang der beiden Alleen.
Gutachten spricht von "erheblichen Fehlern" in der Nutzen-Kosten-Analyse
Ein Gutachten zu dem Projekt [rettet-de-mexikoplatz.de], dass die Initiative beim Verkehrsplanungsbüro Interlink in Auftrag gab, liefert Argumente, weshalb die U-Bahn-Verlängerung keine gute Idee sein könnte. Ins Visier gerät dabei vor allem die Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU), die aus Sicht von Senat und BVG nachweist, dass die Verlängerung nicht nur wirtschaftlich vernünftig ist, sondern auch mit Bundesgeld gefördert werden kann.
Das Gutachten spricht hier von "erheblichen Fehlern", einerseits weil bestimmte Teile des Bauvorhabens nicht berücksichtigt, andererseits weil angenommene Kosten zu niedrig angesetzt worden seien. Dies führe dazu, dass das ganze Unternehmen eben nicht wirtschaftlich machbar sei. Die Gesamtkosten dürften sich nicht, wie von BVG und Landesregierung beziffert auf rund 100 Millionen belaufen, sondern in Summe auf das Dreifache.
"Es gibt gar keine Lücke und kein Verkehrsproblem"
Das würde auch dazu führen, dass der Bund das Bauvorhaben nicht mit fördern könne. „Da müssen nämlich Kosten und Nutzen im bestimmten Verhältnis stehen, das wird hier nicht erreicht“, sagt Hubertus Primus von der Bürgerinitiative. "Wenn die 60 Prozent Förderung durch den Bund wegfallen, müsste das Land Berlin die 300 Millionen alleine zahlen und damit allein ist das Projekt aus unserer Sicht schon gestorben. Es wäre Harakiri, das dann noch zu machen."
Primus ist der prominenteste Kopf der Initiative "Rettet den Mexikoplatz". Der 69-jährige war bis vor anderthalb Jahren noch Vorstand der Stiftung Warentest. Er kämpft gegen die U3-Verlängerung, weil er sie für überflüssig hält. Zwischen beiden Bahnhöfen seien schließlich zwei Buslinien unterwegs. "Es ist also gar keine Lücke da und kein Verkehrsproblem", findet Primus.
Umweltverband zweifelt an Prioritätensetzung
So weit geht der Bund für Umwelt und Naturschutz nicht. Der BUND sieht "grundsätzlich einen verkehrlichen Nutzen" in dem geplanten Lückenschluss – stellt allerdings die Frage, ob angesichts eines nur geringen Zuwachses an Fahrgästen, der erwartet wird, die Prioritäten richtig gesetzt werden. Sinnvoller sei es, die Millionenbeträge lieber anderweitig in den Ausbau von Radwegen und Tramlinien zu investieren, befindet der Verband.
Auf der politischen Ebene gibt es dagegen viel Zustimmung für das Projekt. Von einer "erheblichen Netzwirkung" spricht etwa der CDU-Abgeordnete Johannes Kraft. "Eine Direktverbindung zur S-Bahn und am Ende auch zur Regionalbahn am S-Bahnhof Wannsee – diese Erweiterung zum Mexikoplatz halten wir für das Netz zwingend notwendig", befindet er für seine Fraktion.
Auch von den Grünen werden die Verlängerungspläne unterstützt. Die verkehrspolitische Sprecherin der Abgeordnetenhausfraktion, Antje Kapek, denkt da allerdings gleich weiter. "Grundsätzlich wäre es sogar möglich, die U3 noch weiter, zum Beispiel Richtung Düppel, zu verlängern und hier mit der Planung der Regionalbahn zu verbinden oder auch die Regionalbahn von Potsdam am Mexikoplatz mit S-Bahn und U-Bahn zu verbinden."
Einstimmig forderte Anfang April auch der Stadtplanungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf, die U-Bahnstrecke bis Kleinmachnow oder Stahnsdorf weiterzuführen. Anfangs hatten sich SPD und FDP auf Bezirksebene dafür stark gemacht, am Ende votierten auch die anderen Fraktionen dafür.
U-Bahn-Ausbau als politisches Projekt
So oder so bleibt das Projekt nicht zuletzt angesichts der klammen Haushaltssituation ein Politikum. Doch davon wollen BVG-Vorstandschef Henrik Falk sowie Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und dessen Verkehrssenatorin Ute Bonde (beide CDU) erstmal nichts wissen. Sie alle gelten grundsätzlich als große Fans des U-Bahnausbaus.
Falk sieht sich hier in der Position des Machers. In Berlin werde viel zu oft und zu lang geredet, "aber was ist eigentlich umgesetzt worden in den letzten Jahren?“, fragte der 55-Jährige im rbb kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr. Die U-Bahn-Verlängerung im Südwesten sei deshalb eine "wunderbare Möglichkeit zu üben" – und zu zeigen, dass man "all die großen Pläne, die man hat, auch wirklich in die Tat umsetzen kann".
Ein BVG-Chef, der aufs Tempo drückt
Der Rückendeckung aus der Politik kann er sich dabei sicher sein. Verkehrssenatorin Ute Bonde und er kennen sich gut aus gemeinsamen Zeiten bei der BVG. In den vergangenen Monaten machte Bonde immer wieder deutlich, dass zwischen Falk und sie kein Blatt passt – freundschaftliche statt kritische Begleitung, könnte man sagen. Das gilt auch für die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Dort ist Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz verkehrspolitischer Sprecher explizit nur für die BVG – und damit für das Unternehmen, deren Aufsichtsratschef er als Finanzsenator einst war. Auch er zeigte sich bislang in seiner parlamentarischen Funktion dem BVG-Vorstandschef eng verbunden.
Spannend dürfte sein, wie Falk mit den Widerständen gegen das U3-Projekt aus der Anwohnerschaft umgeht. Gut 800 Einwendungen wurden im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gegen die Verlängerung eingereicht und tausende Unterschriften mit Petitionen gesammelt. Angesprochen darauf, dass es auch Ablehnung gegen die Verlängerung gebe, reagierte der BVG-Chef im vergangenen Jahr schroff: "Das sind so Diskussionen, die ich gar nicht mehr führe."
Ob er diese Linie durchhält, wird sich zeigen. Die Initiative "Rettet den Mexikoplatz" hat jedenfalls parallel zum Spatenstich schon mal eine Protestkundgebung angekündigt – und schon mal angedroht, gegebenenfalls auch gerichtlich gegen die Verlängerung vorgehen zu wollen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.04.2025, 06:30 Uhr