BSW in Brandenburg - Steckt noch mehr hinter Crumbachs Rückzug vom Landesparteivorsitz?

Do. 17.04.25 | 18:01 Uhr
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Robert Crumbach ist Brandenburgs Finanzminister (dpa/Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 17.04.2025 | Christoph Hölscher | Bild: dpa

Der Brandenburger Finanzminister Robert Crumbrach hat seinen Rücktritt als Landesvorsitzender des BSW angekündigt. Zur Begründung heißt es: Überlastung. Aber es gibt vielleicht noch weitere Gründe. Von Markus Woller

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wollte BSW-Landeschef Robert Crumbach unbedingt im Kabinett aus den beiden Parteien haben. Zu unberechenbar sind schließlich Parteichefs, die ohne Einbindung ins Regierungsgeschehen an der Seitenlinie stehen und sich bei unpopulären Entscheidungen laut und kritisch zu Wort melden. Woidke soll deshalb Crumbach, der sich nach eigener Aussage nicht unbedingt als Minister gesehen hatte, mehr oder weniger ins Amt gedrängt haben.

Die plötzliche Rückzugs-Entscheidung des BSW-Parteichefs dürfte der Ministerpräsident deshalb mit Skepsis zur Kenntnis nehmen. Bringt sie doch noch mehr Unsicherheit in eine ohnehin schon ungewöhnlich geräuschvolle Regierungskoalition.

Ist alles zu viel?

Überlastung, sagt Crumbach, stehe hinter der Entscheidung. Die Haushaltsverhandlungen im Finanzministerium, die Zuständigkeit für Europapolitik, die Verantwortung als Vize-Ministerpräsident, das Amt als Chef einer jungen Partei im Aufbau: Das alles sei zu viel.

Auf den ersten Blick leuchtet die Entscheidung ein. Das BSW war in den letzten Wochen unter Druck geraten. Unpopuläre Entscheidungen rund um die Haushaltsverhandlungen schlugen auf die Partei zurück. Die Streichungen im Bildungsbereich zum Beispiel, obwohl man doch im Wahlkampf bessere Bildung versprochen hatte. Kürzungen bei den Kommunalfinanzen, obwohl man doch mehr Geld für eigenständigere Kommunen versprochen hatte. Die Debatte um Wohnraumförderung, obwohl doch mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt versprochen worden war.

Einen Mahner von der Seitenlinie, der die Kürzungen kritisch begleiten kann, statt sie im Gesetzgebungsprozess mit abnicken zu müssen, das ergibt Sinn. Für einen Finanzminister, der den Haushaltsentwurf selbst geschrieben hat, ist das unmöglich.

Auch die Partei an sich braucht dringend einen Kümmerer: Die Strukturen sind seit der Gründung im Mai 2024 vor lauter Wahlkampf und parteieigenem Berlin-Zentralismus nicht aufgebaut worden. Es braucht jemanden, der mit voller Kraft und beherzt vorankommt, endlich neue Mitglieder in die Partei lässt.

Der Landesverband hat seit der Gründung nur 20 neue Mitglieder zugelassen, rund 60 sollen es aktuell insgesamt sein. Es gibt noch immer keine bekannten festen Strukturen in Kreisen oder Regionen. Viel Arbeit also für einen Parteichef – in Teilzeit vielleicht nicht zu erledigen.

Spekulationen um Signal nach Thüringen

Wenn das alles so sehr drängt: Warum dann aber bis zum Spätsommer warten? Crumbach sagt, man wolle die Mitglieder-Basis bis zum Parteitag im Spätsommer/Herbst verdreifacht, vielleicht sogar verfünffacht haben. Also warten, bis ein wichtiger Teil der Arbeit getan ist? Das leuchtet nicht ein.

Näher liegen dann schon die Spekulationen darum, dass mit dem Rückzug ein Signal innerhalb der Partei gesendet werden soll – und zwar direkt nach Thüringen. Dort tobt ein Machtkampf zwischen dem Lager, das Parteichefin Sahra Wagenknecht nahesteht, und dem der Landeschefin und Vizeministerpräsidentin Katja Wolf.

Letztere hatte sich während der Bildung einer Koalition mit CDU und SPD im Freistaat öffentliche Auseinandersetzungen mit Wagenknecht geliefert. Diese und ihre Getreuen wiederrum versuchen es nun mit einem Vorstoß zur Trennung von Ämtern und Mandat. Wolf soll so zum Rückzug gedrängt werden.

Dass nun Crumbach in Brandenburg genau diesen Schritt geht, obwohl es hier im Land bislang überhaupt keine Diskussion um ihn oder eine Mandatstrennung gegeben hat, könnte man als Signal der Parteichefin werten: Es gebe keine Ausreden. Jetzt müsse auch Wolf gehen. So wie ihr Brandenburger Kollege.

Nachfolge: Zwei Namen im Gespräch

Für Brandenburg gilt: Viel Auswahl bei der Nachfolge gibt es angesichts des übersichtlichen Personaltableaus nicht. Zwei Namen drängen sich auf. Der parlamentarische Geschäftsführer Stefan Roth, der schon bei der Gründung der Partei eine gewichtige Rolle gespielt, das erhoffte Bundestagsmandat aber verpasst hatte. Letzteres gilt auch für die damalige Spitzenkandidatin Friederike Benda. Sie ist die stellvertretende Bundesvorsitzende. Auch ihr wird die Parteiführung im Land zugetraut, nachdem sie bereits an den Koalitionsverhandlungen in Brandenburg beteiligt war.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.04.2025, 18:20 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ich freue mich schon darauf, wenn Frau Wagenknecht aus ihrer eigenen Partei austritt. Jede Wette, dass das passiert.

  2. 19.

    In Thüringen beginnt bereits der prognostizierte Zerfallsprozess.
    Das BSW oder besser die Wagenknecht-Sekte war nur ein Sammelbecken von Typen, die schnell auf Kosten der Linken an die Macht wollten.
    Tja, Rechnung ist bloß nicht aufgegangen, Reichinnek rockt die Linke in den Bundestag und die Stalinistin ist raus. Der Rest ist Formsache. Alle lieben den Verrat aber niemand den Verräter.

  3. 18.

    Mich würde nicht wundern, wenn er wieder zur SPD zurückwechselt. Er kommt ja von der SPD, wurde nur im Westen nichts mit einer Parteikariere, jetzt hat er es über den Umweg BSW im Osten geschafft und könnte zur SPD zurückkehren.

  4. 17.

    Dieser BSW spielt mit nostalgischen Gefühlen derjenigen, die den Untergang der DDR nach 35 Jahren noch immer nicht verwunden oder wirklich verstanden haben.
    Niemand braucht diese Truppe.

  5. 16.

    Das Projekt BSW ist leider gescheitert, da ist nichts fraglich und auch nichts mehr möglich. Eigentlich wäre eine solche Partei dringend nötig gewesen, aber interne Streitigkeiten haben alle positiven Ansätze zunichte gemacht.

  6. 15.

    Spätestens seit der Bundestagswahl, ist das wohl so. Ohne parlamentarische Vertretung sinkt das BSW auf den Status einer Splittergruppe. Das ist bedauerlich, denn eigentlich hätte diese Partei viel Potential gehabt. Der unnötige und dazu öffentlich ausgetragene Streit über die Regierungsbeteiligung in Thüringen hat der Partei jedoch das Genick gebrochen.

  7. 14.

    Über die tatsächliche persönliche Überlastung (# 4) hinausgehend denke ich, dass das BSW aus der selbstgeschaffenen Zwickmühle nicht herauskommt - damit meine ich die Zwickmühle zwischen in Teilen durchaus zutreffender, klarer Analyse, einer Art der Brandrede, bei der die eigene Zunge verbrannt wird auf der einen Seite und einem Pragmatismus im Rahmen von Regierungshandeln auf der anderen Seite.

    Ohne Regierungsbeteiligung kann scharf analysiert werden und über die dumpfen Parolen der AfD hinausgegangen werden, ein Teil der aus purer Verhärmtheit AfD Wählenden also gewonnen werden. Jede Art von Regierungsbeteiligung führt aber immer zu einer Enttäuschung Derjenigen, die von der hundertprozentigen Richtigkeit der eigenen Meinung überzeugt sind. Und davon gibt es im BSW eine ganze Menge.

  8. 13.

    Ich kann und will seine bisherige Arbeit nicht bewerten, dazu ist die Zeit zu kurz. Fest steht jedoch, dass das BSW ein Sammelsurium von Politikern ist, die in diversen Parteien schon mal Mitglied waren und auch dort nicht allzu viel bewegt haben. Sicher haben viele auf ein Pöstchen gehofft, dass das mit reichlich Arbeit verbunden sein könnte, war für den einen oder anderen sicherlich neu.

  9. 12.

    Außer Sven Hornauf könnte doch die ganze BSW-Fraktion geschlossen zur SPD übertreten , das BSW vertritt doch klassisch-sozialdemokratische Positionen.

  10. 11.

    Die BSW-Fraktion sollte sich auflösen und ausgenommen Sven Hornauf der SPD-Fraktion beitreten.

  11. 10.

    Stimmt! Die sind doch völlig Blutarm. Ich kann den Mann verstehen, wenn es keine Mitglieder gibt auf die man die Arbeit verteilen kann, dann wird das wohl nicht einmal ein Strohfeuer gewesen sein. Ich würde dann aber trotz allem das Original bevorzugen.

  12. 9.

    Das BSW und vor allem seine Chefin Wagenknecht, hat den großen Fehler gemacht, das Aufbauen von Parteistrukturen und vorab das Aufnehmen von neuen Mitgliedern vollkommen zu vernachlässigen. Die ganze Partei sollte, so schien es, nur auserwählte Mitglieder haben. In Wahrheit stammen die Mitglieder zum Großteil von den Linken und diese erhofften sich sehr schnell neue Posten in den zu besetzenden Ämtern. Das hat so nicht geklappt, für den Bundestag reichte es nicht. Ob sie nun in der Lage sind, Strukturen aufzubauen und nachzuholen, was verpasst wurde, ist recht fraglich.

  13. 8.

    Ich finde für diesen Schritt brauch man Mut, wer gibt schon freiwillig zu das man zu viel an den Hacken hat.
    Persönlich finde ich das gut.

  14. 7.

    Mein Eindruck, BSW scheint keine Zukunft zu haben. Respekt fürs Mitregieren in Brandenburg wäre angesagt, denn gesichert Rechtsextreme sind verhindert worden.

  15. 6.

    Wenn diese Vermutungen stimmen, bestätigt dies wieder einmal den Eindruck, dass das BSW keine demokratische Partei ist, sondern ein autoritär geführtes Politgebilde zur Narzissmusbefriedigung von Sahra W.

  16. 5.

    Wetten, das der BSW nur eine kurze Episode sein wird?

  17. 4.

    Gegebenenfalls hat sich die seinerzeitige und ehrlich vorgetragene Überlastung Matthias Platzecks herumgesprochen und ist bis zum heutigen Tag erinnerbar geblieben. Er wurde mit den Worten zitiert: "Mein Arzt sagte mir, dass 40 Std./Woche an Arbeit für mich in Ordnung sei, 80 Stunden nicht."

    Meines Erachtens herrscht über so etwas ein ganzes Bündel an Vorurteilen. Auch werden Minister für alle möglichen Termine angefragt und eingeladen und wer nicht zusagt, gerät in Gefahr, zu kneifen. Dabei können die Staatssekretäre, die ja inhaltlich die Arbeit machen, beredter Auskunft geben als die Minister/innen, auch wenn sie nur die Arbeit erläutern, aber eben nichts definitiv entscheiden können. In aller Regel nicht so bekannte Staatssekretäre einzuladen, sich inhaltliche Positionen anzuhören, das aber macht seitens der einladenden Initiativen, Verbände und Vereinigungen nicht so viel her.

    Vor Jedem und Jeder, der sich MENSCHLICH dieser Mühle entzieht, ziehe ich meinen Hut. ;-

  18. 3.

    Mein Eindruck wäre, BSW scheint keine Zukunft zu haben. Respekt fürs Mitregieren in Brandenburg wäre angesagt, denn gesichert Rechtsextreme sind verhindert worden.

  19. 2.

    Die harte Realität der täglichen Landespolitik einschließlich schwieriger Kompromisse ist eben nichts für das BSW. Da machen Fundamentalopposition und interne Intrigen mehr Spaß. Typisch BSW!

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