Reiseeinschränkungen und Hacker-Angriffe - Wie Russland deutschen Wissenschaftlern die Arbeit erschwert

Do. 17.04.25 | 06:29 Uhr | Von Torsten Mandalka
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Symbolbild:Zwei Studentinnen arbeiten in der Bibliothek der Europa-Universität Viadrina.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 17.04.2025 | Torsten Mandalka | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Zwei Berliner Wissenschafts-Gesellschaften sind von russischen Behörden als "unerwünscht" beziehungsweise "extremistisch" eingestuft worden. Das hat massive Folgen für Wissenschaftler in der Region. Von Torsten Mandalka

  • Auswärtiges Amt bittet russischen Botschafter zum Gespräch
  • Wissenschaftler verzichten auf Reisen in russlandfreundliche Staaten
  • Russische Kooperationspartner und ihre Familien stehen unter besonderem Druck

Mitte vergangenen Jahres fand sich eine schlichte Mitteilung im Internet: Der Oberste Gerichtshof in Moskau hatte die renommierte Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) als "extremistisch" eingestuft. Mitte März traf es dann die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die russische Generalstaatsanwaltschaft bewertete sie als "unerwünschte Organisation" [epp.genproc.gov.ru].

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes handelt es sich bei all dem um "ein systematisches Vorgehen Russlands gegen deutsche Institutionen mit Osteuropa-Expertise". Es fordere von der russischen Seite, "die Kriminalisierung und Verfolgung wissenschaftlicher Arbeit einzustellen", teilte das Ministerium auf Anfrage von rbb24 Recherche mit. Der russische Botschafter sei zuletzt am 27. März zu einem "dringenden Gespräch" darüber ins Auswärtige Amt gebeten worden.

Haftstrafen bis zu zwölf Jahren drohen

Die Einstufung "extremistisch" hat massive Folgen für alle, die mit der DGO zusammenarbeiten. Russland bedroht sie mit Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren. Deutsche Sicherheitskreise haben zudem Erkenntnisse darüber, dass jede Person, die der Zusammenarbeit mit der DGO bezichtigt wird, finanziell belangt werden kann: Ihr Vermögen kann eingefroren werden, sie darf dann keinerlei finanzielle Transaktionen mehr tätigen. Selbst die Nutzung einer Bankkarte kann verboten werden. Auch die Konten von Verwandten solcher Personen können gesperrt werden. Betroffen sind davon vor allem die russischen Kooperationspartner.

Auch die Brandenburger Forscherin Susan Worschech setzt sich mit der neuen Lage auseinander. Worschech ist Koordinatorin des Kompetenz-Netzwerks Ukraine an der Viadrina in Frankfurt (Oder) und Mitglied im Vorstand der DGO. "Ich würde auf keinen Fall jetzt in Richtung Russland, Belarus, Kasachstan, Georgien oder in andere Länder reisen, bei denen ich damit rechnen muss, dass beispielsweise Auslieferungsabkommen oder eben eine geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Russland stattfindet", sagt sie. "Das ist wirklich gefährlich."

Das Auswärtige Amt bestätigt eine solche Gefährdung: "Es wird bewusst eine Atmosphäre der Angst und der Isolation geschaffen", heißt es auf Anfrage.

"Wie in den 30er Jahren unter Stalin"

Konkrete Fälle gibt es bereits: Jan Claas Behrends, ein auf Russland spezialisierter Historiker an der Viadrina, bekam im Dezember eine Morddrohung per Brief. Die Urheber sind bis heute nicht ermittelt. Auch Behrends ist Mitglied der DGO. Für den Historiker haben die aktuellen Maßnahmen der russischen Regierung ein Vorbild: "Das ist im Prinzip eine Situation wie in den 30er Jahren unter Stalin. Wir haben sowas 50, 60 Jahre nicht mehr gehabt."

Sollten jetzt deutsche Wissenschaftler auf Reisen oder russische Kooperationspartner in Schwierigkeiten geraten, gibt es außerhalb der oft wenig aussichtsreichen konsularischen Bemühungen kaum Möglichkeiten zu helfen. "Wir haben es mit einer bestimmten Form skrupelloser hybrider Kriegsführung zu tun", sagt Ruprecht Polenz, ehemaliger CDU-Politiker und derzeitiger Präsident der DGO.

Einschüchterung, Drohung, Abschottung

Dass die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) als "unerwünscht" gelistet wurde, ist für ihre Mitglieder und Kooperationspartner ähnlich gefährlich. Die DGAP stehe damit auf einer wachsende Liste von inzwischen 207 Organisationen, die in Russland "unerwünscht" seien, heißt es in einer Pressemitteilung der Gesellschaft. Aktuell seien 27 deutsche Einrichtungen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft betroffen.

DGAP-Direktor Thomas Kleine-Brockhoff, ein ehemaliger Politikberater und Journalist, wurde bis heute nicht offiziell über die Maßnahme informiert, wie er sagt. "Es ist nicht so, dass man da einen Brief kriegt von der Moskauer Staatsanwaltschaft. Die setzen das einfach in die Welt. Das ist dann so."

Für Kleine-Brockhoff ist die Einstufung vor allem ein Repressionsinstrument nach innen: "Es richtet sich nicht so sehr gegen uns, denn sie haben ja nicht den Zugriff auf uns in der Bundesrepublik, sondern gegen unsere Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Die sollen eingeschüchtert werden. Die müssen nun Repressalien fürchten, wenn sie mit uns zu tun haben." Die russische Gesellschaft werde auf diese Weise von der Außenwelt abgeschottet. Zwar sei man in Russland noch nicht in einer völlig geschlossenen Gesellschaft, "aber die Korridore", so Kleine-Brockhoff, "werden doch sehr eng und sind für russische Staatsbürger noch viel enger".

Im Fokus der russischen Nachrichtendienste

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schätzt ein, dass die kriminalisierten Organisationen inzwischen konkrete Ziele russischer Agenten sind: "Grundsätzlich stehen solche Organisationen auch im Fokus russischer Nachrichtendienste. Dabei ist zum Beispiel mit Phishing-Angriffen, Spionage mit menschlichen Quellen oder Desinformation zu rechnen." Das BfV betont aber auch, dass es nicht nur gelistete Institutionen treffen kann, sondern alle deutschen Stellen, "die zu Fragen tätig sind, die zum Beispiel Machtabsicherung oder Expansionsabsichten des Kremls tangieren".

Die DGO jedenfalls hat in den vergangenen Monaten bereits mit zwei Hacker-Angriffen zu tun gehabt, die nach Aussagen von Experten aus dem "Umfeld russischer Dienste" kamen. "Das sind direkte Versuche, Forschung zu verhindern, die in Russland als missliebig betrachtet wird, weil sie kritisch, weil sie offen, weil sie ehrlich ist, weil sie hinterfragt und auch, weil sie deutlich ist", sagt DGO-Vorstandsmitglied Susann Worschech.

Auswärtiges Amt wichtigster Geldgeber der DGAP

Zur Einstufung der DGO äußert sich die russische Botschaft in Berlin auf Anfrage von rbb24 Recherche nicht. Zur Listung der DGAP als "unerwünscht" verweist sie auf eine Erklärung der russischen Generalstaatsanwaltschaft: "Seit Beginn der militärischen Sonderoperation fordert die Organisation eine Erhöhung des Sanktionsdrucks auf unser Land", heißt es dort, "und versucht, die innenpolitische Situation in Russland zu untergraben". Dass die DGAP die politische Führung in Deutschland berät, findet in der Erklärung explizit Erwähnung.

Die DGAP wird zu 27 Prozent durch Bundeszuschüsse gefördert. Für die DGO ist das Auswärtige Amt der wichtigste Geldgeber. "Nach russischer Gesetzgebung macht sich damit auch das Auswärtige Amt strafbar, indem es uns mitfinanziert", sagt Susann Worschech. "Ich glaube, da braucht es sowohl beim Auswärtigen Amt als auch in der Politik ein Bewusstsein dafür, dass es sich hier nicht nur um Angriffe auf einzelne Organisationen handelt, sondern in letzter Konsequenz um Angriffe gegen die Regierung."

Sendung: rbb24 Inforadiio, 17.04.2025, 6:10 Uhr

Beitrag von Torsten Mandalka

44 Kommentare

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  1. 44.

    Das war mal, ist vorbei. Na und was hat das jetzt mit dem russischen hybriden Krieg der Destruktion unserer Gesellschaft, der Wissenschaft und der Socialmedia zu tun?

  2. 43.

    Papier ist geduldig. Die Freiheit der Wissenschaft mag im GG stehen . Wenn allerdings die Ansichten mancher Wissenschafter nicht die richtigen sind dann kann es mit der Wissenschaft und der Freiheit ganz schnell zu Ende sein, hier in Deutschland. Wir sollten erst einmal vor unserer Haustür kehren und es besser machen.

  3. 42.

    >"Falsch! Russische Soldaten waren auch in der Stadt unterwegs!"
    Aber nicht nur russische. Es waren auch Littauische, Lettische, Ukrainische, Aserbeidschanische usw. Soldaten in der DDR stationiert. Die Sowjetarmee hatte Soldaten aller Nationalitäten der damaligen großen Sowjetunion.
    Ach ja historischer Rückblick: Eigenständig unterwegs auf unseren Straßen durften nur Dienstgrade der Sowjettruppen sein. Der einfache Soldat (volksmdl. Muschkot) durfte aus den Kasernen allein nicht raus. Die einfachen Soldaten wurden in Kasernen "gehalten" unter nicht gerade menschenwürdigen Bedingungen.

  4. 41.
    Antwort auf [Brandenburger] vom 17.04.2025 um 12:36

    Was bekommen Sie von der Realität nicht mit? Können Sie das mal erklären?

  5. 40.
    Antwort auf [Brandenburger] vom 17.04.2025 um 12:33

    Sie betreiben pro russische Propaganda, die mit welchen seriösen Quellen zu unterstützen wäre?

    Russland ist für mich persönlich eine große existenzielle Gefahr, auch für Sie, oder etwa nicht?

  6. 39.

    "Sie sollten mit seriösen Quellen belegen können, dass es nicht so ist." Das würde auf Beweislastumkehr hinauslaufen, wenn man belgen sollte, daß etwas nicht ist - das ist nahezu unmöglich und deshalb unzulässig, es können (und müssen) regelmäßig nur Beweise dafür gebracht werden, daß es etwas wie unterstellt ist.

  7. 38.

    Unterm Strich waren wir auch keine Freunde der DDR, egal ob Russen oder sonst wer für euch die Briketts aus dem Keller geholt hatten! Hier geht es nicht um die Ossis, die von den Russen am leben gehalten wurden! Hier geht es um größeres!

  8. 37.
    Antwort auf [Brandenburger] vom 17.04.2025 um 12:30

    Dieser große Bruder Sowjetunion hat nicht nur als Besatzungsmacht in der DDR fungiert. Er hat auch aktiv die Politik der DDR mitgestaltet und bis Gorbatschow verhindert, dass die sozialistischen Bruderländer ihren eigenen Weg gehen konnten.

    Neben dem großen Bruder USA konnte die BRD ihre eigene Europapolitik machen. Wir haben uns freiwillig militärisch von den USA abhängig gemacht, indem wir in einem pazifistischen Traum glaubten nichts mehr für unsere Sicherheit tun zu müssen. Selbst Schuld.

  9. 36.

    Können Sie erklären, wieso es keine AfD Schwurbelei ist? So funktionieren nämlich Diskussionen, Sie sollten mit seriösen Quellen belegen können, dass es nicht so ist.

    Können Sie das oder nicht?

  10. 35.

    Falsch! Russische Soldaten waren auch in der Stadt unterwegs! Aber wir wollen aktuell nichts mehr mit Russland zu tun haben. Wir stehen mit denen im Krieg.

  11. 34.
    Antwort auf [Brandenburger] vom 17.04.2025 um 12:30

    Sie sollten sich mit der Wissenschaft besser vertraut machen. Diktatur mit Demokratie zu verwechseln ist schon recht heftig am Lernziel vorbei.

    Außerdem wiederholen Sie AfR Schwurbelei.

  12. 33.

    Muss Politik immer was mit Freundschaft zu tun haben? Da stehen wichtigere Sachen drüber!

  13. 32.

    „Wie aber Rußland derzeit dem deutschen Maler Caspar David Friedrich huldigt…“

    Und diese Ausstellung soll das Gemorde in der Ukraine rechtfertigen? Interessante Logik. Was kommt als nächstes? Russland überfällt das Baltikum und weil es aber Beethoven huldigt, müssen wir Deutschen mit dem Überfall einverstanden sein? Wie kommt man auf sowas?

  14. 31.

    Du glaubst auch, dass Schröder Putins Freund ist, haha.

    Geheimagenten haben keine Freunde.

  15. 30.

    In der DDR gab es einen Witz: "Einen Freund kann man sich aussuchen, einen großen Bruder (Die Sowjetunion) nicht."

    Wir hatten mehrere hunderttausend Sowjetsoldaten mit ihren Familien in der DDR stationiert. Die waren kaserniert und von uns getrennt. Organisierten Kontakt gab es nur zu offiziellen Anlässen.

  16. 29.

    "Sie schwurbeln exakt nach dem Drehbuch der AfD." Können Sie das erläutern? Was ist sachlich an der Aussage von Brandenburger falsch?

  17. 28.

    Wir leben in einer freien Gesellschaft in der die Freiheit der Meinung und der Wissenschaft von der Verfassung geschützt ist. Jeder Wissenschaftler kann seine Meinung äußern, auch wenn das der russischen Regierung nicht passt.
    Diese Institutionen sind als Politikberatung notwendig, um Fehlauffassungen, wie sie gerade der US-Regierung unterlaufen, zu vermeiden. Dazu braucht man Kontakt zur russischen Zivilgesellschaft. Das will die russische Regierung verhindern.

  18. 27.

    Bei aller Liebe zum Humanismus, man konnte auch die Deutschen nicht wirklich gut leiden, als sie andere Länder, um ihnen das Land und Leben zu nehmen, überfiel, da wird man skeptisch und wenn dann der verlängerte Arm Putins, die AfD, die von der globalen Macht des Geldes träumt, Reichtum und Macht allen Oligarchen, ihre Wahlzettel auf Russisch druckt, weiß man, dass viele Russen nie wirklich angekommen sind, obwohl sie herkamen, und für ihre Kinder ein besseres Leben wollten. Bekannt ist, dass gerade russische Migranten überwiegend pro-russisch wählen, für den diktatorischen Umbau der Demokratie. Das ist absolut enttäuschend. Warum kamen Sie her, wenn Sie genau das haben wollen, vor dem sie wegliefen?
    Ich verstehe das nicht.

  19. 26.

    Welche Freundschaft? Sowjetisierung und Besatzung nennen Sie Freundschaft? Plünderung und Kontrolle, Überwachung? Diktatur, Menschenrechtsverletzungen, welchen Freund meinen Sie?

    Ich empfinde Freunde in demokratischen Strukturen, nicht in eingemauerten und verminten Gebieten mit Schießbefehl.

  20. 25.

    Es ging doch einfach nur darum, das Schröder und Putin Anfang 2000 andere Pläne hatten wie Völkermord, oder sonstiges was in die Richtung geht! Putin wollte in allen Belangen die Rolle der USA übernehmen, für Deutschland und Europa. Sich nicht nur als Lieferant für billige Rohstoffe zur Verfügung stellen und ausnutzen lassen. Als Antwort hatte Er die Nato vor die Tür gesetzt bekommen. Und Er hatte Recht! Was erleben wir denn jetzt mit den USA? An die wo Mutti erlaubt hat Kommentare zu schreiben, das liegt fast 30 Jahre zurück!!!

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