Einschätzung - Entlassung des Verfassungsschutzchefs: Ein Geschenk für die AfD

Mi. 07.05.25 | 20:31 Uhr | Von Hanno Christ
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Katrin Lange (SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales, bereitet sich in einer Pause der Sitzung des Landtags-Ausschusses für Inneres und Kommunales auf die Fortsetzung vor. Hinter ihr geht Lena Kotre (AfD) vorbei. (Quelle: dpa/Stache)
Bild: dpa/Stache

Mitten in der Debatte um ein AfD-Verbot feuert die Brandenburger Innenministerin Lange ihren renommierten Verfassungsschutzleiter - und verkündet offiziell die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch". Das politische Manöver lässt viele Fragen offen - und sendet fatale Signale. Von Hanno Christ

Jetzt also doch: Die AfD in Brandenburg wird als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Was intern im Ministerium schon länger die Runde machte, ist nun seit Mittwoch offiziell, wenngleich sich die SPD-Innenministerin Katrin Lange damit sichtlich schwer tat. Im Innenausschuss bestätigte sie, was bislang nur Medien erzählten: Dass die Verfassungsschutz-Abteilung zu diesem Schluss gekommen sei. Das gelte jetzt vorerst so, sagt sie. Fragen, ob sie das befürworte, ließ sie unbeantwortet.

Weiß Lange mehr als sie zugibt?

Lange gibt recht unverstellt zu erkennen, dass sie von derlei Einstufungen nicht viel hält. Sie hatte sie zuletzt eher kritisiert. Die neue Einstufung im Land ist ein - von ihr ungeliebtes - Erbe ihres nun geschassten Verfassungsschutzchefs Jörg Müller. Der soll Lange zufolge bereits Mitte April die AfD in Brandenburg als gesichert rechtsextremistisch besiegelt haben, die Innenministerin aber vermeintlich erst am Montag davon in Kenntnis gesetzt haben. Sie selbst will die Materialsammlung noch nicht einmal studiert haben. Keine Zeit, meint sie. Eine Darstellung der Ministerin, an der Zweifel angebracht sein dürften.

AfD-Neubewertung schon länger Thema

Bereits seit Dezember vergangenes Jahr gibt es Berichte, wonach die AfD auch in Brandenburg als erwiesen rechtsextremistisch hochgestuft werden sollte, dies aber mit Rücksicht auf Wahlen zurückgestellt wurde. Es war also klar, dass die Neubewertung der AfD eine der Hauptaufgaben der neuen Innenministerin Lange werden würde. Es fällt schwer zu glauben, dass sie sich damit mehr als fünf Monate nicht beschäftigt haben will, zumal eine Entscheidung fallen musste.

Seit fast fünf Jahren gilt die AfD in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall. Damals war Brandenburg das erste Bundesland, in dem das passierte. Juristisch muss dieser Schwebezustand allerdings irgendwann entschieden werden. Ist die AfD nun eine rechtsextremistische Partei oder nicht? Brandenburg hat sich lange um eine Antwort gedrückt – bis jetzt.

Indizien, dass Müller überparteilich einen guten Job machte

Am Freitag vergangener Woche teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, die AfD im Bund nun auf Grundlage eines mehr als 1.100-seitigen Gutachtens als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Brandenburg war fortan unter Zugzwang, auch seinen Landesverband entsprechend einzustufen, zumal in dem nicht-öffentlichen Gutachten des Bundesamtes die AfD Brandenburg eine gewichtige Rolle spielen soll.

Eine treibende Rolle bei der Anhäufung von Beweismaterialien kam dabei dem damaligen Leiter des Verfassungsschutzes Müller zu. Der machte nie einen Hehl daraus, dass er die AfD für immer extremistischer und auch gefährlich hielt. Dass nun ausgerechnet er seinen Schlapphut nehmen muss, ist für die AfD ein Geschenk, verschnürt und überreicht von seiner einstigen Vorgesetzten Lange.

Dabei galt Müller als verlässlicher Beamter. Er arbeitete einst als Büroleiter des damaligen SPD-Innenministers Karl-Heinz Schröter, wurde danach unter einem CDU-Innenminister zum Leiter des Verfassungsschutzes berufen - alles Indizien, dass der Mann überparteilich einen guten Job gemacht haben muss. Nur die Chemie zwischen Lange und Müller stimmte offenbar nicht.

Vorwurf politischer Einflussnahme

Der machtbewussten Lange ist die Hackordnung innerhalb ihres Hauses wichtig, nach außen hin richtet sie mit der Entlassung großen Schaden an. Wichtige politische Entscheidungen trifft fortan wieder die Ministerin, nicht mehr der Verfassungsschutzchef im Alleingang. Devise fortan: kurze Leine.

Den Kritikern des Verfassungsschutzes hat Lange nun neue Nahrung gegeben, Instrument der Regierenden zu sein – ein Lieblingsargument von AfD wie Linken. Lange stellt damit nicht nur ihre eigenen Leute, sondern auch deren Arbeit infrage. Das Gegenteil müsste der Fall sein: Die Verfassungsschutzabteilung hat offenbar über Jahre immer mehr Material über die AfD gesammelt. Die Politik muss ihre konsequenten Schlüsse daraus ziehen und handeln. Sonst ist die Arbeit umsonst.

Wie politisch relevant ist die Einstufung durch den Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz, seine Arbeit und seine Befugnisse werden immer wieder kritisch gesehen, nicht nur in Brandenburg. Auch die Einstufung von Organisationen oder Parteien als extremistisch durch die Behörden werden immer wieder hinterfragt, können aber auch gerichtlich geprüft werden. Politisch gesehen ist im Fall der AfD fraglich, ob die Einstufung durch den Verfassungsschutz der Partei womöglich sogar in die Karten gespielt hat. Die oft wiederholte Erzählung der AfD vom „Regierungsschutz“ passt jedenfalls bestens in ihre Erzählung von der Anti-Eliten-Partei. Die Wahlergebnisse geben ihr Recht. Sie zeigen, dass sich die Wählerinnen und Wähler nicht von Urteilen des Verfassungsschutzes abschrecken lassen, auch dann nicht, wenn sie gerichtlich bestätigt sind. Die AfD erfreut sich regen Zuspruchs in Ost wie West.

SPD hadert mit Müller-Entlassung

Nun grätscht Lange einen der anerkanntesten Mitarbeiter ihres Hauses weg, mitten in der Debatte um den künftigen Umgang mit der AfD. Die einen fordern ein Verbot, die anderen eine reine Auseinandersetzung mit politischen Mitteln. Lange glaubt, dass es weder Verbote noch Einstufungen braucht. Sie gilt in der SPD als erzkonservative Politikerin, die zum Beispiel mit einer beinharten Migrationspolitik punkten möchte.

Damit eckt sie aber in ihrer SPD an, einer Partei, von der sich Lange vielleicht auch einmal zur Ministerpräsidentin küren lassen möchte. Die Prignitzerin wird immer wieder als Nachfolgerin von Dietmar Woidke gehandelt. Doch in der SPD kommt ihr konservativer Rechts-Kurs nicht überall gut an. Die Entlassung des Verfassungsschutzchefs bringt die Genossen nun noch mehr auf. Woidke hat Lange freie Hand gelassen, hat die Entlassung mitgetragen. Dabei hatte Woidke noch im Wahlkampf die SPD als Bastion gegen Rechtsextremismus gelobt. Wie passt das zusammen, wenn die Regierung einen renommierten Beamten feuert, der sich immer gegen Extremismus stark gemacht hatte?

Für ihre Personalentscheidung hat Lange bereits viel Beifall bekommen - von der AfD. Ironie der Geschichte: Einst hatte die AfD in einer Sitzung des Innenausschusses offen gedroht, wenn die AfD erst an der Macht sei, wäre Jörg Müller seinen Posten sofort los. Diesen Job hat nun eine SPD-Ministerin besorgt.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.05.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

70 Kommentare

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  1. 70.

    Hä ?! ... Natürlich hat eine Behörde oder ein Nachrichtendienst Vorgesetzte ... Ja, was denn sonst ?! ... Die agieren doch nicht ohne dass da Jemand persönlich verantwortlich ist ... Beim Bauamt, Bürgeramt nicht anders ... Und bei uns werden diese Vorgesetzten von DEMOKRATISCH (immer wieder neu) legitimierten Regierungen ernannt oder bestätigt... Ey ... Was faselt die AfD da für einen Schwachsinn ?! ... Die würden die o.g. Vorgesetzten also wie bitte einsetzen ?! ... Was für eine blöööde Argumentation ... Das man sich damit überhaupt beschäftigen muss tut richtig weh und ist schlimme Zeitverschwendung.

  2. 69.

    Dem muss ich zustimmen. Wer persönliche Befindlichkeiten über die Sicherheitsinteressen seines Landes stellt, schadet ihm. Frau Lange hat allerdings einen Eid geschworen bei ihrer Amtseinführung, nämlich den, Schaden vom Land abzuwenden. Damit gehört sie für mich entlassen.

  3. 68.

    Ihre Darstellung ist so nicht richtig. Zumal Sie ja anschließend sogar noch die Unabhängigkeit der Gerichte ("dem Papier nach") anzweifeln. Sie verbreiten lediglich die Narrative der Rechtsextremen.

  4. 67.

    Sie sollten sich ernsthaft mit unserer Geschichte beschäftigen, bevor sie so einen Stuss schreiben. Es war die SPD, die als EINZIGE demokratische Partei eine Zusammenarbeit in jeglicher Form mit der NSDAP ablehnte, deswegen waren ihre Mitglieder auch die ersten, zusammen mit den Kommunisten, die Hitler in Zuchthäuser oder schlimmer in KZ's stecken und umbringen ließ.

  5. 66.

    Das ändert aber nichts an dem Fakt, daß die gesamte Afd rechtsextremistisch ist. Und die muß jetzt noch genauer observiert werden.

  6. 65.

    "Der Verfassungsschutz ist ein unabhängiges Überwachungsorgan zum Schutz unserer Verfassung." das ist von den Gebrüdern Grimm? Eine dem Innenministerium unterstellte Behörde kann nicht unabhängig sein. Der Behördenleiter untersteht disziplinarisch seiner Dienstherrin und ist Weisungsgebunden. Unabhängig, zumindest dem Papier nach, sind nur die Gerichte.

  7. 64.

    Sie verwechseln hier was! Nicht die SPD, sondern die Afd-Eliten stopfen sich mit unseren Steuergeldern die Taschen voll. Das muß aufhören. Die Parteienfinanzierung dieser Extremisten muß entzogen werden. Holoch und Berndt sind extrem rechte Hetzer, die in der Vergangenheit immer wieder damit auffielen.

  8. 63.

    Seit 100 Jahren steigbügelhalter der rechten.
    Danke

  9. 62.

    Frau Lange hat mit ihrer Aktion der Demokratie schwer geschadet. Immer hieß es und was es auch sein soll: Der Verfassungsschutz ist ein unabhängiges Überwachungsorgan zum Schutz unserer Verfassung. Dass der Verfassungsschutz in Brandenbug auf Grund von Beobachtungen und Bewertungen der AfD Parteiarbeit nun quasi geköpft wurde, verschlägt mir als Demokraten schon die Sprache. Für mich ist dies eine untragbare Situation und hinterlässt Zweifel an der fachlichen Leistungsfähigkeit der Innenministerin Lange. Satirisch könnte man auch formulieren: Frau Lange ist eine IM der AfD.

  10. 61.

    „ Genau dort, nämlich unter Hildebrandt und Stolpe begann der Rechtsextremismus und somit die AfD stark zu werden.“

    Solche Kommentare sind unerträglich. Wann wurde denn die AfD gegründet und die beiden Politiker waren noch lupenreine Sozialdemokraten. Die hätten sich nie mit diesem rechten Pö..el gemein gemacht, wie übrigens die gesamte SPD.
    Aber Brandenburg zeigt, dass diese eiserne Tradition, sich nie mit Extremisten gemein zu machen, stark ins Wanken gerät.
    Innenministerin Lange ist wirklich eine Schande für Deutschlands älteste demokratische Partei.

  11. 60.

    Herr Müller muß wieder zurück auf den Chefposten des brandenburger VS! Das ist eine fatale Fehleinschätzung von Frau Lange. Sie schadet ganz Brandenburg damit. Nicht umsonst versuchen die Rechtsextremisten der Alternativen heute mit Jammern und Wehklagen und Beteuerungen, das Urteil anzufechten. Lustig dabei, wenn ein bekannter Rechtsextremist, Holoch, behauptet, daß es keinen Rechtsextremismus in der Alternativen gibt! Der traut sich auch noch offen in die Kameras zu lügen, dabei ist bei ihm und auch Berndt, alles dokumentiert und bewiesen!

  12. 59.

    Ich teile Ihre Beschreibung - nicht aber die Schlussfrage. Genau dort, nämlich unter Hildebrandt und Stolpe begann der Rechtsextremismus und somit die AfD stark zu werden. Man hat dem „kleinen Bürger in der kleinen DDR“ immer eingeredet, dass der Westen schlecht ist und in diese Lausitz damals schon Millionen gepumpt. Ein Glück gibt es den Westen mit seinen großen Städten und dem Intellekt der Menschen - siehe Wahlergebnisse.

  13. 58.

    Liest sich so, als sei diese Frau womöglich inkompetent, mindestens der Größe und Verantwortung ihres Amtes nicht gewachsen.

  14. 57.

    In Deutschland darf eine Partei nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden, und das gut so, da Parteien nicht unabhängig sind!

    Übrigens, alle Verfassungsschutzbehörden sind nicht unabhängige Behörden, was das aktuelle Beispiel "Brandenburg" ganz anschaulich skiziert.

  15. 56.

    Falsch. Sie verwechseln hier was! Nicht die SPD, sondern die Afd-Eliten stopfen sich mit unseren Steuergeldern die Taschen voll. Das muß aufhören. Die Parteienfinanzierung dieser Extremisten muß entzogen werden. Holoch und Berndt sind extrem rechte Hetzer, die in der Vergangenheit immer wieder damit auffielen.

  16. 55.

    Wie gesagt, ich kann Ihnen nur raten, dass Sie sich informieren. Und an Ihrem Textverständnis pfeilen...

  17. 54.

    Also ich hab genauso viel Angst vor gewaltbereiten extremen Linken wie vor extremen Rechten. Das hat mit Ihrer Hufeisentheorie garrnichts zu tun.
    Die etablierten Parteien sollen vernünftige Politik machen, dann schafft man es auch, diese extremen Kräfte klein zu halten. Gutes Beispiel dafür ist Dänemark, wo die Rechten massiv verloren haben.Gewalt und Extremismus sind von jeder Seite schlimm, egal aus welchen Gründen auch immer.

  18. 53.

    Soso, die Ministerin hat also: "Keine Zeit, meint sie." - *#@&; Sie übt schon mal die Hemdsärmlichkeit ihres Chefs, Bauer Woidke, den sie ja gerne beerben würde. Die SPD in Brandenburg ist von der AfD kaum mehr zu unterscheiden. Entsetzlich!

  19. 52.

    Kann man machen, solange die sog. Klassischen Werte nicht die freien Werte anderer ausschließt. Gesellschaftliche Werte, die einengen & freiheitliche Werte nicht zulassen, gab es in der Geschichte genug. Solange Menschlichkeit, Solidarität, Gleichberechtigung, Toleranz, Gleichstellung usw. Priorität haben, steht einem friedlichen Miteinander nichts im Weg. Sie sind ein hohes Gut & wurden hart erkämpft. Rechte Werte schließen die genannten Punkte aus. Für mich reichen die eigenen Aussagen der AfD aus, ich brauche kein Urteil, um sie für mich als gesichert rechtsextrem einzustufen. Allerdings sollte sie nicht durch Verbote zum Schweigen gebracht werden, sondern durch o. g. Werte. Ich hoffe sehr, dass wir nie wieder autokratische Regierungen erleben. Ich bin in der DDR groß geworden, das reichte…

  20. 51.

    Die aktuelle Wählerbfragungen haben einen Zuwachs an Stimmen für die AFD ergeben. Um über den Wähler zu sprechen müssen keine Wahlen abgehalten worden sein. Und ja, der Wähler hat sich nicht durch die Veröffentlichung und medialen Feuers des interen Vorgangs abschrecken lassen. Die eigentliche Frage ist doch warum nur in Berlin die Veröffentlichung unzulässig ist. Immerhin ist es doch ein schwerer ermittlungstaktischer Fehler das Überwachungsziel zu informieren. ist eine Folge aus der Serie Denk mal nach!

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