"Gesichert rechtsextrem" - Was die Einstufung der Bundespartei für die Berliner AfD bedeutet

Do. 08.05.25 | 09:05 Uhr
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Kristin Brinker, Landesvorsitzende der AfD Berlin, hält eine Rede auf dem AfD Landesparteitag Berlin in Jüterbog im April 2025. Bild: picture alliance / Eventpress, Jeremy Knowles
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Die Bundes-AfD und der Brandenburger Landesverband werden bereits als gesichert rechtsextrem eingestuft. Für den Berliner Landesverband gilt das nicht - wie genau der Verfassungsschutz hier denkt, ist aber unklar. Von Sebastian Schöbel

Redaktioneller Hinweis, 08.05.2025, 13:30 Uhr: Wegen eines Rechtsstreits um die Einstufung der Bundes-AfD als "gesichert rechtsextrem" hat der Verfassungsschutz am Donnerstag eine Stillhaltezusage abgegeben. Deshalb wird er die Partei bis zu einer gerichtlichen Entscheidung öffentlich vorerst nicht so bezeichnen.

Postalisch sind der Berliner Landesverband der AfD und die Bundes-AfD bereits unzertrennlich: Beide teilen sich die gleiche Reinickendorfer Adresse. Doch geht es nach der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts, ist die AfD im Bund insgesamt gesichert rechtsextrem - während ihr regionaler Ableger in Berlin diese Einstufung bislang nicht hat.

Das unterscheidet die Berliner AfD auch von der Brandenburger, die seit Mitte April ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird.

Wie der Berliner Verfassungsschutz die AfD in der Bundeshauptstadt tatsächlich einschätzt, ist bislang nicht bekannt. Anders als in anderen Bundesländern darf die Sicherheitsbehörde hier nicht einmal öffentlich erklären, ob sie die Partei als Verdachtsfall beobachtet. Das Berliner Verfassungsschutzgesetz erlaubt die öffentliche Nennung von Verdachtsfällen nur, wenn die Verfassungsfeindlichkeit eindeutig nachgewiesen ist.

Brinker weist Vorwurf des Bundesverfassungsschutzes zurück

Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker hätte allerdings auch gar nichts dagegen, wenn der hiesige Verfassungsschutz öffentlich Stellung beziehen würde. "Nur wenn ich weiß, was uns vorgeworfen wird, dann kann ich natürlich auch intern agieren und Probleme lösen, wenn denn welche da sind", so Brinker im rbb-Interview. Allerdings weist Brinker den Vorwurf, ihre Partei sei rechtsextrem, ohnehin pauschal zurück. "Das stimmt einfach nicht, diese Einordnung", sagt sie.

Der Bundesverfassungsschutz habe laut der bislang bekannt gewordenen Teile des vertraulichen Gutachtens vor allem Aussagen einzelner Funktionäre der AfD unter die Lupe genommen, so Brinker. "Die sind aus meiner Sicht von der Meinungsfreiheit gedeckt." Zwar seien manche Aussagen "nicht immer appetitlich, auch überspitzt", aber aus Brinkers Sicht "bei weitem nicht rechtsextrem". Solche Zuschreibungen würden auch Wähler:innen der AfD diffamieren. Brinker kündigte an, rechtliche Schritte einzuleiten, sollte der Berliner AfD-Landesverband vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden.

Grünen-Fraktionschef Graf findet Berliner AfD "genauso schlimm"

"Die tun immer so scheinheilig, aber in Wahrheit sind die genauso schlimm wie alle anderen auch", erwidert Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Für ihn gibt es längst keinen Zweifel mehr, dass auch die Berliner AfD die Einstufung als rechtsextremistische Partei verdient habe. So sei etwa der neue innenpolitische Sprecher, Thorsten Weiß, ein Vertrauter des Thüringer Faschisten Björn Höcke, und Landeschefin Brinker sei nur mit Hilfe des extrem rechten Flügels ihrer Partei gewählt worden.

Die Einstufung auf Bundesebene sei ein Signal, "dass wir sie aus unserem Beamtentum rauskriegen". Graf verweist auf den Verfassungsstreue-Check für Beamte, den das Nachbarland Brandenburg bereits eingeführt hat, um vor allem Polizeidienststellen und Schulen vor der Unterwanderung durch AfD-Mitglieder zu schützen. Und Graf fordert, dass nun ein Verbotsverfahren eingeleitet wird. "Wir müssen als Staat endlich einen Schlussstrich ziehen."

Auch für SPD-Verfassungsschutzexperte Jan Lehmann ist das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes ein Schritt in diese Richtung. Allerdings müsse bei einem entsprechenden Antrag ein "aggressiv-kämpferisches Verhalten der AfD" nachgewiesen werden.

CDU ist skeptisch in Bezug auf Verbotsverfahren

Auf den Berliner AfD-Landesverband lasse sich das Gutachten der Bundesbehörde nicht so einfach herunterbrechen, so Lehmann. Er verwies auf die geplante Reform des Verfassungsschutzgesetzes. Es soll der Berliner Sicherheitsbehörde die Möglichkeit geben, offen zu kommunizieren, welche Gruppierungen beobachtet werden und warum. Nach rbb-Informationen soll die Reform schon bald im Senat beschlossen und noch vor der Sommerpause im Parlament beraten werden. Er selbst aber sei überzeugt, dass die AfD insgesamt rechtsextrem ist: "Wie hat Hape Kerkeling so schön gesagt? Wenn man ein wenig Mist in ein Glas Wasser gibt, ist das ganze Wasser ungenießbar."

Bei Lehmanns Koalitionspartner CDU ist man da vorsichtiger. Deren Sprecher für Verfassungsschutz, Stephan Lenz, sieht bei der Berliner AfD durchaus andere Akteure als auf Bundesebene. Auch beim Thema Verbotsverfahren ist der gelernte Anwalt zurückhaltend. "Meines Erachtens lagen bislang die Voraussetzungen dafür nicht vor", so Lenz. Die Entscheidung, eine Partei – noch dazu die aktuell größte Oppositionspartei – zu verbieten, sei heikel. "Stellen Sie sich vor, es ist nicht erfolgreich", sagt Lenz. Auch Meinungen, die man nicht vertritt, müssten in einer Demokratie ihren Platz haben – sofern die Grenzen der Verfassung nicht verletzt werden. Allerdings könnte der Bericht des Bundesverfassungsschutzes durchaus die Grundlage sein, so Lenz, das im Fall der AfD neu zu bewerten.

Keine Konsequenzen für verbeamtete AfD Mitglieder in Berlin

Konsequenzen für Beamte im Berliner Landesdienst, die Mitglieder der AfD sind, hat die Einstufung der Partei auf Bundesebene zunächst keine. "Gemäß dem Landesbeamtengesetz ergibt sich die Pflicht zur Neutralität und Verfassungstreue für die Beamtinnen und Beamten", teilte die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen dem rbb mit. Verstöße würden geprüft und gegebenenfalls geahndet, allerdings stets als Einzelfallentscheidung. "Eine Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Parteimitgliedschaft mitzuteilen, besteht jedoch nicht", heißt es.

Auch der Sprecher der Berliner Polizei, Florian Nath, verwies auf den Diensteid sowie weitere Verhaltenspflichten. "Disziplinar- oder beamtenrechtliche Maßnahmen setzen individuelle Verfehlungen und Pflichtverletzungen voraus", so Nath, "die ausschließliche Mitgliedschaft in einer Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft wurde und nicht verboten ist, begründen diese nicht automatisch."

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.05.2025, 19:30 Uhr

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43 Kommentare

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  1. 42.

    Was Sie als Lüge bezeichnen, ist m. E. genau diese Veränderung, genau diese Abweichung vom ursprünglichem Vorhaben, von dem ich sprach. Gerade das ist in einer Demokratie VERNÜNFTIGERWEISE die Regel - sprich: dass es anders kommt als vorher behauptet und versprochen.

    Die einzige Lösung bei derlei sehe ich darin, von vollmundigen Versprechungen zu lassen, die eh nicht gehalten werden können. Das Zeitalter der Absolutheiten ist vorbei, außer bei Orban, Milei und Trump. ;-

    Menschen sind sehr wohl in der Lage, glaubwürdig veränderte eigene Überzeugungen kundzutun oder die Umstände darzulegen, die bei gebildeten Koalitionen zu Veränderungen führen.

    In Brandenburg fällt mir Matthias Platzeck dazu ein, zu Thüringen Bodo Ramelow, in München Christian Ude und in Bremen Henning Scherf. Keine Taktiker, die heute so, morgen anders und übermorgen wiederum ganz anders reden und ihr Fähnchen überaus freiwillig nach dem Wind hängen, damit die Parteiflagge auch im Sturm noch erkennbar ist.

  2. 41.

    Warum lädt man noch, diese rechtsextremen Politikereliten, wie Chrupalla, Weidel oder Berndt in Talkshows oder Interviews ein und gibt ihnen ,,Sendezeit“? Das ist der Skandal!

  3. 40.

    Ach Gottchen, Sie versuchens schon wieder? Schauen, hören und lesen Sie sich diesen rechtsextremen Mist an, durch. Allseits bekannt, nur Ihnen nicht, fällt Ihnen was auf?

  4. 39.

    Nee, die Medien drücken sich eigentlich klar aus. Bei vielen Konsument:innen scheitert es aber am Textverständnis. Den Eindruck rechtsextrem zu sein, hat die AFD selber zu verantworten. Diverse Landesverbände sind auch gesichert rechtsextrem. Ich habe auch kaum Zweifel, dass die Rechtmäßigkeit der Hochstufung der Bundes-AFD gerichtlich bestätigt wird. Ich persönlich finde es mittlerweile auch nur noch albern, den Rechtsextremismus der AFD zu leugnen. Wer die wählt, sollte auch bitte dazu stehen, Rechtsextremisten zu wählen.

  5. 38.

    "...sondern eine Sammlung von Aussagen, Verleumdungen, verbalen Straftaten, Hetzreden..." Welche strafbewährten Aussagen sollen das gewesen sein? Die hätten ja wohl längst zu rechtskräftigen Verurteilungen geführt. Das gern verwendete Wort "Hetze" ist genau so inhaltsleer, weil weder juristisch definiert, noch messbar. Es hängt von den persönlichen Ansichten ab, was man als Hetze empfindet. Was bisher der Presse zu entnehmen war, war teils scharfe Polemik, die man durchaus ablehnen kann und darf, aber weder umstürzlerisch, noch strafbar. Das müsste es aber sein, um als extremistisch zu gelten.

  6. 37.

    Dieser vorsätzlich erweckte Eindruck ist kein zufälliges Produkt, sondern mit wird Kalkül zur Meinungsmache missbraucht.
    Die große Zahl von uninformierten Personen glaubt das auch noch ernsthaft!

  7. 36.

    Sie verwechseln hier BND mit VS. So wie viele VS mit BVerfG verwechseln. Die Rolle der Medien ist im Umgang mit behördlichen Aussagen sehr unglücklich. Es wird der Eindruck erweckt die AFD sei rechtsextrem und dieses sei gerichtlich festgestellt worden. Man darf dieses zwar sagen, aber auch nur aus Gründen der Meinungsfreiheit, sonst wäre die Partei als Organisation verboten.

  8. 35.

    Chrupalla und Weidel sollten den Hut nehmen und gehen…!

  9. 33.

    Es gab schon mal einen von und zu der den Nazis den Weg geebnet hatte. Von Papen.

    Aber bei einer cSU wundert mich überhaupt nichts mehr. Die Keimzelle aller rechtsextremen Parteien. Von Reps bis DVU.

  10. 32.

    Gerade legt der BND seine Einstufung "auf Eis".
    Ausgang offen.

    Mich persönlich befremdet die Geheimhaltung des Berichtes.
    Sind die Argumente nicht ausreichend? Warum werden die 1.100 Seiten des Berichtes nicht allen zugänglich gemacht?

  11. 31.

    Wenn Sie wüssten, Wem Sie alles Ihre Steuern schenken. Sie würden staunen. Kann man Alles nachlesen.

  12. 30.

    Zu Guttenberg wird ähnlich wie Merz, auch noch mal sein Ego befriedigen wollen. Merz hätte schon längst Kanzler sein können, wenn er sich nicht selbst ins Abseits gestellt hätte. Nicht ohne Grund hat Merkel ihn seinerzeit geliftet ! Spahn und zu Guttenberg könnten nach dem Abgang von Merz einer neuen und geläuterten CDU vorstehen. Die könnte schneller kommen, als man denkt.

  13. 29.

    Auch Halbwahrheiten sind ein gefundenes Fressen für die AfD. Wenn sich ein Hubertus Heil vor das Volk stellt und allen verkündet, die 48% bei der Rentenberechnung sind unantastbar, dann ist das so eine Halbwahrheit. Die 48% bleiben, nur das die Rente nach Punkten berechnet wird, und dieser Rentenpunkt von 40 Tausend auf 50 Tausend Euro im Jahr einkommen erhöht wurde, das wird verschwiegen. Oder täglich verkünden das er für die Rentenerhöhung 2025 gesorgt hat. Das System Rentenerhöhung ist uralt, gekoppelt an die Einkommen.

  14. 28.

    Die infantilen Erklärungsversuche von Afd-Eliten, wie Berndt, Holoch oder Chrupalla sprechen Bände und sind entlarvend. Die denken such, die Bürger im Land sind zu blöd, das zu merken, halt Elitedenken‘

  15. 27.

    CDU/AfD Koalition? Glaube ich auch. KT zu Guttenberg äußerte, das er dies 2029 für möglich halte. Kluger Mann. Vorausgesetzt die GroKo hält solange durch.

  16. 26.

    Falsch, das ist keine ,,Studie“,sondern eine Sammlung von Aussagen, Verleumdungen, verbalen Straftaten, Hetzreden, die in den Social Media-Kanälen dokumentiert sind! Lesen Sie mal, das ist der Horror.

  17. 25.

    Falsch-Dieser ,,Partei“ müssen alle Gelder entzogen werden! Ich will Extremisten und Nazis keine Steuern schenken!

  18. 24.

    Ein Parteiverbot bringt keinen Sinn. Vielmehr sind die neue Bundesregierung und die anderen Parteien aufgerufen, eine Politik zu machen, die alle Bürger mitnimmt und überzeugt. Sie haben es in der Hand.

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