Porträt Joe Chialo - Kein Publikumsliebling

Fr. 02.05.25 | 19:43 Uhr
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22.05.2023, Berlin: Joe Chialo (CDU), Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.05.2025 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Christoph Soeder

Joe Chialo kam als Quereinsteiger aus der Kultur in die Politik, wurde vom Musikmanager zum Kultursenator in Berlin. Aber der Applaus blieb aus: Stattdessen zog Chialo immer wieder Kritik auf sich. Auch ein Prestigeprojekt scheiterte.

Er sei nicht in die Politik gegangen, weil er einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen wolle - das hat Joe Chialo einmal über sich selbst gesagt. Allerdings wäre in seiner etwas mehr als zweijährigen Amtszeit wohl auch niemand darauf gekommen, dass Chialo deshalb in die Politik gewechselt wäre - dafür hat er sich dann doch zu oft unbeliebt gemacht. Zum einen bei denen, für die er zuständig war: den Kulturschaffenden in Berlin. Zum anderen aber auch bei Politikern aus seiner eigenen Koalition. Und sogar seiner eigenen Partei.

Viel Kritik entzündete sich daran, dass Chialo angesichts knapper Kassen massiv sparen musste. Sein Ressort für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt trafen die Einschnitte anteilig sogar härter als andere. Zwar versicherte Chialo, er suche nach den schonendsten Einsparmöglichkeiten. Die Ergebnisse die Suche waren allerdings ernüchternd: Unter dem Strich fallen allein 2025 für die Berliner Kultur etwa 130 Millionen Euro weg.

Chialo strich Fördermittel aus zweifelhaften Gründen

Die Folgen: Unter anderem höhere Ticketpreise und weniger Theaterpremieren. Viele Künstler:innen gingen wegen der massiven Sparvorgaben immer wieder auf die Straße. Aber nicht nur die kritisierten ihren Senator, sondern auch Monika Grütters, die ehemalige Kulturstaatsministerin des Bundes, die wie Chialo Mitglied der CDU ist. Und auch vom Koalitionspartner SPD kam vor allem Kritik: an zu wenig Kommunikation von Chialo. Denn in der Kultur muss weiter gespart werden.

Aber die Sparmaßnahmen waren nur ein Grund, warum viele in der Berliner Kultur-Szene mit ihm haderten. Der andere: sein Agieren nach dem 7. Oktober 2023, nach dem Massaker der Hamas und nach dem Beginn des Kriegs im Gaza-Streifen. So strich Chialo zum Beispiel einem Kulturzentrum in Neukölln die Fördermittel, seine Verwaltung begründete das mit Antisemitismus-Vorwürfen. Später stellte sich heraus: Die Vorwürfe waren so nicht haltbar. Gestrichen wurden die Gelder trotzdem - aus Formgründen.

Erst Sänger und Musikmanager, dann Politiker

Es folgten auch hier massive Proteste, Chialo wurde öffentlich angegangen, sein Wohnhaus mit Farbe beschmiert. Ein Riss, der nie wieder heilte. Dabei wurde Chialo doch einst Christdemokrat wegen Angela Merkels Umgang mit Geflüchteten 2016, wie er selbst betont. "Ich bewunderte ihre Haltung, zu sagen: Wir helfen Menschen in Not", so Chialo. "Das war für mich das C und deswegen bin ich in die CDU eingetreten."

Sich politisch für die Kultur zu engagieren, habe er dann wegen der Pandemie beschlossen. Es sei ihm damals um die die Situation der Künstlerinnen und Künstler gegangen: "Ich weiß, wie sie fühlen." Chialo war selbst Sänger in einer Band und Musikmanager, bevor er 2023 als Quereinsteiger in die Berliner Landespolitik wechselte.

Politik funktioniert anders als ein Kulturunternehmen

Joe Chialo wollte Akzente setzen, immer wieder auch auf unkonventionelle Art. Erst kurz im Amt, überraschte Chialo im Sommer 2023 seine Mitkoalitionäre etwa mit der Idee eines Umzugs der Zentral- und Landesbibliothek in das sogenannte Quartier 207. Das Lafayette-Kaufhausgebäude in der Friedrichstraße sah er als Jahrhundertchance für die Bibliothek.

Chialo stieß damit in der Stadt zwar auf offene Ohren, eckte aber in seiner eigenen Partei an, weil er unabgesprochen an die Öffentlichkeit ging. Die Signale an ihn lauteten, dass der politische Betrieb anders funktioniert als ein Kulturunternehmen in der freien Wirtschaft. Auch die nötige dreistellige Millionensumme fehlte ihm für einen Bibliotheksumzug.

Wollte Chialo Kulturstaatsminister des Bundes werden?

Zuletzt fiel Chialo vor allem als Objekt von Spekulationen auf: Ihm wurden Ambitionen auf das Amt des Kulturstaatsminister des Bundes nachgesagt. Er wollte also ein Nachfolger werden von Monika Grütters - der Frau, die ihn für die vielen Kürzungen in Berlin kritisiert hatte, und die Frau, die sich in ihrer Zeit als Kulturstaatsministerin über Parteigrenzen hinweg einen guten Ruf erarbeitet hatte.

Es sollte nicht dazu kommen: Statt Chialo bekam Wolfram Weimer Ende April den Job. Keine Woche später tritt Joe Chialo als Berliner Kultursenator zurück. Im Theater würde man wohl rückblickend sagen: Ein Publikumsliebling war er nicht.

Mit Informationen von Kirsten Buchmann und Klaas-Wilhelm Brandenburg

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.05.2025, 18:15 Uhr

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10 Kommentare

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  1. 10.

    Die Gesetze der Marktwirtschaft gelten (... ) - definitiv NICHT für die Kultur, von ihrem Wesen her.
    Das ist auch ein Grund dafür, weshalb es in Deutschland über 50 Welterbestätten gibt, in Frankreich, Italien, Niederlanden, Tschechien ist es anteilsmäßig nicht minder, in den großen USA aber bedeutend weniger.

    Kultur lässt sich nicht nach dem Gewinnmaximierungsprinzip bespielen, das war nie der Grund ihrer Entstehung, noch ist es der Grund ihrer Erhaltung, wer denn das zusammengewürfelte Las Vegas nicht als Inbegriff von Kultur missverstehen will. Die kulturelle Förderung und das Zugänglichmachen von Kultur für breitere "Schichten" ist in Europa mehr oder minder Konsens, in den USA z. B. hingegen nicht.

  2. 9.

    Wer sich Kultur leisten will, soll dafür selbst bezahlen. Die Gesetze der Marktwirtschaft gelten. Auch für Herrn Cialo.

  3. 8.

    „ Was hat Leipzig's Museen und deren freier Eintritt mit dem geschriebenen Artikel zu tun?“

    Vielleicht ging es dem Kommentator um die Tatsache, dass der eintrittsfreie Sonntag gestrichen wurde.
    Sollte lt. Chialos Berechnungen Einsparungen in Millionenhöhe bringen.
    Als Experten nachrechneten, waren es nur 250.000 €.
    Eben irgenendwie typisch für die fehlende Kompetenz des Ex-Senators.

  4. 7.

    Wegen des "C" im Namen in die CDU einzutreten ist für mich unfassbar. Mit christlicher Nächstenliebe hat die CDU bei Gott nichts zu tun. Meines Erachtens ist und war die CDU immer die Partei, die Chancen für Newcomer blockiert und die Reichen beschützt.

  5. 6.

    Na ich glaube, dass die Nachverhandlungen ihm das Genick brachen und deswegen viele Kulturschaffende ihm den ernsthaften Willen, für sein Ressource zu kämpfen, absprechen.
    Ich kann es nicht beurteilen, aber sich ein Sparkonzept im Nachgang nochmals zusammenstreichen zu lassen, wirft ja nie ein gutes Licht auf eine nachhaltige Arbeit.

  6. 4.

    In Berlin läuft das anders, Herr Wegner fährt voll den Merkel-Kurs nach der Devise „Wir schaffen das…..nicht“. Alles ordnet sich der Migration unter, dafür sind Milliarden Steuergelder der Berliner da, notfalls wird man dafür neu verschuldet. Vielleicht ist er eher in der SPD/Grüne/Linke besser aufgehoben.

  7. 3.

    Verfrühte Öffentlichkeitsarbeit für den Bibliotheksumzug (Millionenprojekt), Gelder kürzen für einen Verein - verstehe trotzdem noch nicht so ganz, warum er darüber hinaus als kritisch angesehen wird.

    „Viel Kritik entzündete sich daran, dass Chialo angesichts knapper Kassen massiv sparen musste.“ - Ist das nicht leider ein tägliches Problem oder ein Spagat, dass alle PolitikerInnen lösen müssen? Die Vorgabe zu sparen und die Höhe der Summe, kommt doch nicht aus einer privaten Laune heraus.Die Kassen sind auch für andere Bereiche leer.
    Ich habe es nicht verfolgt, wie man merkt, aber hatte die Vorgängerin mit einer ähnlichen Vorgabe zu arbeiten und hat es deutlich besser gemacht?

  8. 2.

    Ich vermute, der Herr Chialo hatte eh nur darauf spekuliert von Land Berlin aus auf den Bundespisten springen zu können.
    Hat nicht geklappt, also jetzt die unausweichliche Kündigung by himself.

  9. 1.

    In Leipzig sind viele Museen die ganze Woche über kostenlos.

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