Neue Initiative von "Rettet Brandenburg" - Das Ziel sind 80.000 Unterschriften - gegen Windräder

Sa 09.01.16 | 16:37 Uhr | Von Andrea Marshall
ARCHIV - Eine Windkraftanlage mit einem Windrad (Quelle: dpa)
Video: Brandenburg aktuell | 09.01.2016 | Karsten Zummack | Bild: dpa

Seit vielen Jahren kämpfen Initiativen gegen Windkraftanlagen in Brandenburg. Nun hat das Bündnis "Rettet Brandenburg" ein Volksbegehren gestartet. Bis Juli sollen 80.000 Menschen unterschreiben. Doch wer steckt hinter der Initiative und was sind die Argumente für und gegen Windräder? Von Andrea Marshall

Das Bündnis "Rettet Brandenburg" hat ein Volksbegehren gestartet, um schärfere Auflagen bei der Errichtung neuer Windräder zu erreichen. Nach bereits zwei Volksinitiativen mit bis zu 30.000 Unterschriften von Bürgern stünden die Chancen gut, nun die nötigen 80.000 Unterschriften für ein Volksbegehren zu erreichen, sagte Initiativensprecher Thomas Jacob am Samstag in Potsdam.

Seit Donnerstag können sich Bürger in die Unterschriftenlisten eintragen, die auf Ämtern ausliegen. Kommen innerhalb von sechs Monaten - bis zum 6. Juli - mindestens 80.000 Unterschriften zusammen, gilt das Volksbegehren als erfolgreich. In diesem Fall muss sich der Brandenburger Landtag noch einmal mit den Forderungen beschäftigen. Im September hatte das Parlament die Initiative abgelehnt.  

1. Was fordert "Rettet Brandenburg"?

Grundsätzlich scheint das Bündnis wenig von Windenergie zu halten – dieser Eindruck entsteht auf einer eigenen Internetseite, und das sagte Sprecher Thomas Jacob auch im Gespräch mit rbb online. Die Energiewende sei allgemein "eklektisch, dilettantisch und unausgegoren", so Jacob.

Das Volksbegehren richtet sich aber – wie zuvor schon die Volksinitiative – nur gegen zwei Einzelpunkte: Der Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern soll vergrößert, Windkraftanlagen im Wald sollen verboten werden. "An diesen zwei Punkten kann man das Grundsätzliche ablesen", sagt Jacob.

Größerer Mindestabstand zu Häusern

 

Mit dem Volksbegehren soll erreicht werden, dass der Mindestabstand von Windrädern bis zum nächsten Wohnhaus der zehnfachen Höhe des Windrades entsprechen muss (10-H-Regelung). Bei 200 Meter hohen Windrädern wären dies 2.000 Meter. Bisher wird ein Mindestabstand von 1.000 Metern empfohlen - ältere Anlagen wurden allerdings auch schon näher an Siedlungen gebaut.

Keine Windräder im Wald

 

Windräder in Wäldern sollen nach Vorstellung von "Rettet Brandenburg" verboten werden.  Wald gehöre zu den effektivsten CO2-Speichern und Kühlsystemen und müsse aus Klimaschutzgründen erhalten bleiben. Windräder zerstörten die vielfältigen Waldfunktionen jedoch nachhaltig, heißt es im Text des Volksbegehrens.

Je näher die Windräder an Wohnbauten stehen, argumentiert "Rettet Brandenburg", desto mehr stören die Optik und die Geräusche der Rotorblätter. Auch befürchtet man gesundheitliche Auswirkungen durch Infraschall: Frequenzen, die für das menschliche Ohr nicht hörbar sind. Sie könnten bei sensiblen Menschen den Blutdruck erhöhen und Schlafstörungen hervorrufen.

2. Was sagen andere zu den Forderungen?

Setze man die Forderungen um, würde die Fläche, die in Brandenburg für Windenergie genutzt werden kann, drastisch verringert, sagt Brandenburgs SPD. Damit wäre der Ausbau der Windkraft, den die Energiestrategie 2030 der rot-roten Landesregierung vorsieht, praktisch unmöglich. Die Energiestrategie sieht zwei Prozent der Landesfläche als "Eignungsgebiete" für Windenergie vor. "Da wir in Brandenburg viel Wald haben, müssen wir auch diese Flächen in Betracht ziehen", sagt Hans-Joachim Wersin-Sielaff vom Brandenburger Umweltministerium.

Auch die Grünen im Land sehen einen "faktischen Ausbaustopp" der Windenergie, sollte der Mindestabstand zu Wohnhäusern wie gefordert vergrößert werden. "Das ist aus unserer Sicht indiskutabel", sagte die energiepolitische Sprecherin Heide Schinowsky. An einer "forcierten Energiewende" führe kein Weg vorbeiführe, wie der Pariser Klimagipfel gerade gezeigt habe.  

Die CDU Brandenburg verlangt dagegen eine "vernünftige" Abstandsregelung. Sie kritisiert zudem den "Raubbau am Wald" durch Windenergieanlagen. Das Volksbegehren wird von der CDU, der AfD und den Abgeordneten von BVB/Freie Wähler im Landtag unterstützt.

Dass Windräder dem Wald oder den Waldtieren tatsächlich Schaden zufügen - abgesehen von gefällten Bäumen -, ist umstritten, weil wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen - ebenso wenig wie befürchtete Gesundheitsschäden durch Windräder.  

Viele Bürger fühlen sich dennoch subjektiv vom Anblick von Windrädern gestört. Über eine "Verspargelung der Landschaft" klagten allerdings vorwiegend ältere Menschen - junge Leute, die mit Windparks aufgewachsen seien, empfänden die Türme eher als Fortschrittssymbole denn als Störfaktor, sagt etwa die Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke (Grüne).

Windräder im Wald wiederum erzeugen jedoch offenbar durch die Bank Widerstand: Laut einer Umfrage vom Sommer 2015 im Auftrag der Deutschen Wildtierstiftung stimmten knapp 80 Prozent der Befragten der Forderung zu, dass "für den Ausbau der Windenergie generell keine Waldgebiete verschwinden oder zerschnitten werden sollten".

3. Wer sind die Initiatoren?

"Rettet Brandenburg" ist nach eigenen Angaben ein Zusammenschluss von knapp 100 Bürgerinitiativen, die sich an verschiedenen Orten Brandenburgs gegen Windparks wenden und für eine "besonnene Energiepolitik" einsetzen (Karte der BI). Vorsitzender ist der frühere Film- und Fernsehregisseur ("Polizeiruf 110") und Drehbuchautor Thomas Jacob (72). Er wohnt in der südbrandenburgischen Gemeinde Märkische Heide – etwa 2,5 Kilometer entfernt vom nächsten Windrad, wie er sagt.

Jacob hat nach eigenen Angaben bereits 2008, kurz nach Gründung der Initiative, eine Unterschriftenaktion gegen Windräder gestartet. Etwa 27.000 Menschen hätten damals binnen weniger Monate unterschrieben, sagt Jacob. Inzwischen sei jedoch vielen anderen klar geworden, dass die Energiewende "dilettantisch" und "irrsinnig" sei – die Politik gehe vor der Windkraftlobby in die Knie. Deshalb sei er zuversichtlich, dass am aktuellen Volksbegehren sehr viele Menschen teilnehmen.

4. Wie läuft das Volksbegehren ab?

Die Unterschriften für das Volksbegehren werden nicht auf der Straße gesammelt - vielmehr können sich Brandenburger ab dem 16. Lebensjahr in Ämtern in der Nähe ihres Wohnorts in Unterschriftenlisten eintragen. Eine Eintragung ist auch mit einem zuvor beantragten Eintragungsschein per Brief möglich.

Die erste Stufe dieses Verfahrens - die Volksinitiative - hatte "Rettet Brandenburg" vergangenes Jahr gestartet. Nach der Vorlage von rund 34.000 Unterschriften musste sich der Landtag mit den Forderungen beschäftigen. Das Parlament lehnte die Volksinitiative jedoch mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition und der Grünen ab.

Kommen für die zweite Stufe, eben das jetzt gestartete Volksbegehren, genügend Unterschriften zusammen - mindestens 80.000 bis zum 6. Juli - dann muss sich das Parlament wieder mit den selben Forderungen befassen. Lehnen die Abgeordneten sie erneut ab, kommt es zur dritten Stufe: dem Volksentscheid. Für diesen müssten noch einmal die Bürger abstimmen. Wenn die Mehrheit der Teilnehmer - und zugleich mindestens ein Viertel aller Stimmberechtigten - dafür ist, gilt die Vorlage als angenommen. [Terminplan auf der Website der Landeswahlleitung]

5. Wie viele Windräder hat Brandenburg derzeit?

Brandenburg zählt beim Ausbau der Windenergie zu den führenden Bundesländern. Derzeit drehen sich laut Umweltministerium exakt 3.332 Windturbinen im Land (Stand Dezember 2015), nur etwa ein Dutzend mehr als im Jahr zuvor. Zugleich sind 427 Anlagen immissionsrechtlich genehmigt, aber noch nicht am Netz. Für rund 1.000 weitere Windräder laufen derzeit Genehmigungsverfahren.

Dass in den nächsten Jahren zur heutigen Gesamtzahl noch 3.000 weitere Windräder dazukommen, wie Thomas Jacob von "Rettet Brandenburg" sagt, wollte das Ministerium nicht bestätigen. Laut "Energiestrategie 2030“ sollen Windräder bis 2030 mehr als doppelt so viel Stromleistung bringen als 2013. Wie viele Windräder dafür benötigt werden, hängt unter anderem von den eingesetzten Modellen ab.

Pro Windenergie

  • Arbeitsplätze

  • Klima- und Umweltschutz

  • Unendlich viel Wind

  • Unabhängigkeit von Rohstoffen

  • Wertschöpfung vor Ort

Contra Windenergie

  • "Verspargelung" der Landschaft

  • Unbeständigkeit und Dezentralität

  • Goldgräber und Heuschrecken

  • Nebenwirkungen für Anlieger

  • Wertverluste

  • Naturschutz

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