Zwei Jahre nach dem Mord an Burak Bektas - "Er hat direkt in die Gruppe geschossen"

Mi 03.04.13 | 08:00 Uhr

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Eigentlich wollten sie nur raus, ein bisschen abhängen, ein bisschen feiern: Alex, Jamal, Ömer und Seltunc waren am Abend des Mordes vor zwei Jahren gemeinsam mit Burak Bektas unterwegs. Alex und Jamal wurden bei dem Angriff angeschossen und schwer verletzt. Einige Monate nach der Tat, im August 2012, sprachen alle vier am Tatort in der Rudower Straße mit rbb-Reporter Torsten Mandalka noch einmal über die schwer fassbare Tat und ihre Folgen.

Nach dieser Tat - wie geht es Euch heute?

Ömer:
Es geht. Die ersten zwei Monate waren wir fast jeden Abend hier. Alle Freunde haben sich versammelt. Es war auch so was wie `ne Therapie. Es hat gut getan.
Alex: Mir geht es nicht so gut. Ich habe Schlafstörungen und psychische Probleme und so.
Seltunc: Meine Gefühle sind gemischt. Die Trauer ist ein bisschen zurückgegangen. Eigentlich ist es nur noch, dass ich meinen Freund vermisse.
Ömer: Wir denken jeden Tag an ihn, aber man kann nix machen. Das ist traurig.

In der Tatnacht: Wie ist der Abend vorher abgelaufen?

Alex:
Es war eigentlich alles zufällig. Ich habe mich mit meinem Freund getroffen, mit Jamal. Wir hatten Langeweile. Wir wollten ein bisschen raus gehen. Ein bisschen feiern und dann wieder nach Hause. Dann trafen wir die drei anderen zufällig, Seltunc, Ömer und Burak. So hat es angefangen, es war nix dabei. Die wollten eigentlich auch alle bald nach Hause. Es war nichts geplant, es war alles Zufall. Niemand hat was Schlechtes gedacht.
Und dann habt Ihr hier einfach angehalten, um noch ein bisschen zu reden?

Seltunc:
Genau. Wir waren auf dem Weg zum Bus und wollten zwei Freunde nach Hause begleiten, also auf ihren Bus warten. Und auf dem Weg haben wir hier einen Zwischenstopp gemacht, weswegen auch immer. Eine Raucherpause... und dann haben wir den Täter schon neben uns gesehen, irgendwann. Er hat seine Waffe gehoben und einfach auf uns geschossen.
Alex: Ohne Grund.

Hat er irgendwas gesagt?

Seltunc:
Nein, er hat keinen Ton von sich gegeben. Wir haben uns gerade mal zu ihm gedreht, da zog er schon die Waffe. Wir hatten noch nicht einmal die Zeit zu fragen, was er will oder sonst was.
Alex: Oder zu sehen wie er aussieht. Ich weiß nur wie er da stand - irgendwie vor mir. Ich habe immer nur dieses Bild. Wie er die Waffe hob, zielte und: bamm.
Ich weiß nur, wie ich dann auf die Knie fiel und das wars.
Ömer: Er ist auf uns zugegangen, ohne was zu sagen. Hat direkt angefangen zu schießen. Ich habe ihn erst bemerkt, als er zwei, drei Meter neben uns war. Als er auf uns zukam. Dann hat er schon direkt seine Waffe rausgezogen.
Jamal: Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich auf dem Boden lag. Dass ich irgendwie meinen Bruder erreichen konnte, dass ich ihm das erzählt habe – in einem Satz. Dann war ich auch schon im Krankenhaus. Ich habe hier die Schreie noch gehört. Das ging alles hintereinander, alles schnell.
Als der Mann geschossen hat, hattet Ihr da das Gefühl, er hat speziell auf jemanden gezielt?

Jamal:
Ich hatte nicht das Gefühl, dass er gezielt einen treffen wollte. Ich hatte eher das Gefühl, dass er blind auf die Gruppe losgeschossen hat. Das war nicht gegen eine Person gerichtet.
Ömer: Ja, er hat direkt in die Gruppe geschossen.

Und dann war der Täter wieder weg?

Seltunc:
Nein, der stand noch da und hat mich und Ömer beobachtet. Wir standen bei Burak. Ich habe ihn nicht mehr angeguckt.
Ömer: Ich kann mich noch erinnern, dass alle auf dem Boden lagen. Seltunc wollte mich wegziehen. Ich bin noch hiergeblieben. Als Seltunc weg war, stand der Mann noch paar Sekunden hier, als ob nichts wär. Dann hat er sich umgedreht. Ist ein paar Schritte gelaufen. Dann wurde er immer schneller – und dann war er wieder weg.

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