Matthias Platzeck im rbb-Interview - "Da ist hinten nicht mehr viel, wenn 60 weg sind"

Mi 31.07.13 | 12:00 Uhr

Wie geht es Matthias Platzeck am Tag nach seiner Rücktritts-Erklärung? Und was macht er ab Ende August mit mehr freier Zeit? Im Interview mit Antenne Brandenburg erklärt Platzeck, warum ihm seine Entscheidung so schwerfiel und warum er Dietmar Woidke für den besten Nachfolger hält.

Antenne Brandenburg: Herr Platzeck, wie geht es Ihnen heute? 

Es ist schon ein eigentümliches Gefühl. Das halte ich aber für normal, wenn man fast zweieinhalb Jahrzehnte mit Lust und Leidenschaft in der Politik tätig war. Es ist erst einmal auch schmerzhaft. Ich habe mich in den letzten sechs Wochen mit dieser Entscheidung schon schwer getan. Aus meiner Sicht ist sie für das Land und für die Menschen richtig und sinnvoll. Für das Amt des Ministerpräsidenten braucht man hundert Prozent, das heißt eine Sieben-Tage-Woche mit 80 Stunden. Auf der einen Seite tut es weh - auf der anderen Seite weiß man, dass es vernünftig ist.

Spüren Sie auch so etwas wie Erleichterung

Nein. (Platzeck lacht). Damit kann ich nicht dienen. Es ist ein noch sehr unbestimmtes Gefühl. Im Inneren wird sich das erst in den nächsten Monaten ordnen. Ich habe ja die Ämter als Minister in den 90er Jahren ebenso wie als Ministerpräsident in den letzten elf Jahren immer sehr voll angenommen. Ich habe dem alles untergeordnet. So hat sich das Leben dann auch eingerichtet. Das prägt sich als Muster ein. Das können Sie nicht innerhalb von einem Tag ablegen, das geht wahrscheinlich nicht. Da muss man ein bisschen abtrainieren.

Sie haben kurz nach Ihrem leichten Schlaganfall im Juni gesagt, Sie würden uneingeschränkt weitermachen. Im Urlaub haben Sie sich anders entschieden. Was war der Auslöser dafür

Ich habe damals gesagt, dass alles davon abhängig ist, ob ich mich in der Lage fühle, genau den Rhythmus sieben Tage und 80 Stunden weiterzumachen. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass das mit einem erheblichen Risiko verbunden wäre. Mit einem Risiko, das ich dem Land nicht zumuten will, aber auch meiner Frau und meiner Familie nicht. Die mussten in den letzten 25 Jahren sowieso eine Menge einstecken. Deshalb ist es zu dieser Entscheidung gekommen. Ich höre ja nicht auf, zu arbeiten. Ich will alles nur ein bisschen reduzieren. Ich bleibe Landtagsabgeordneter und werde noch dieses und jenes tun. Eine 40- oder 50-Stunden-Woche wird herauskommen, aber eben nicht mehr die andere.

und seine Frau Jeanette Jesorka empfangen Joachim Gauck und Daniela Schadt (Bild:dpa)
Platzecks Frau Jeanette Jesorka hat ihn bei offiziellen Anlässen wie hier beim Gauck-Besuch in Potsdam unterstützt.

Die Ärzte haben Ihnen geraten, zu tun, was Sie jetzt tun. Wie groß war die Rolle der Familie dabei, da gab es doch sicher Gespräche?

Ja klar, das hat den Urlaub geprägt. Ich habe vier selbstbewusste Töchter und vor allem meine Frau. Wir haben über alles geredet. Wir haben auch die letzten Jahre und Jahrzehnte einmal Revue passieren lassen. Man muss man sich ja auch im 60.Lebensjahr die Frage stellen: Das "Bandmaß" hat, wenn es gut geht und der liebe Gott es gut meint, 80 Jahre. Da ist hinten nicht mehr viel, wenn 60 weg sind. Da muss man sich sehr klar fragen, was man mit dieser restlichen Zeit noch anfangen will.

Sie bleiben Landtagsabgeordneter. Warum machen Sie nicht ganz Schluss mit Politik und machen etwas völlig Neues

Erstens bin ich in der Uckermark direkt gewählt worden. Die Region hat viele Probleme und braucht viel Einsatz und Aufmerksamkeit. Dieses Mandat nehme ich sehr ernst. Ich bin nicht über die Liste in den Landtag gekommen, sondern habe ein direktes Mandat. Das werde ich weiter wahrnehmen, das habe ich versprochen, als ich zur Wahl stand und das werde ich auch weiter tun. Das ist auch insgesamt angemessen. Man soll Menschen, die einem so direkt vertraut haben, nicht enttäuschen, wenn es möglich ist – und das ist ja möglich.

Wofür nehmen Sie sich sonst Zeit? Wir wissen, Sie sind der Einkäufer in der Familie, Sie sind Hobbygärtner. Was tun Sie, wenn Sie mehr Zeit haben?

Ich habe eine Menge Hobbies, die aber seit 20 Jahren brach liegen. Ich war zu DDR-Zeiten Regatta-Segler und bin gerne in den Bergen gewandert. Aber darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Im Moment ist noch viel zu tun. Ich werde bis Ende August als Ministerpräsident arbeiten. Dann werden wir Stück für Stück die neue Lage sondieren und dann wird sich bestimmt dies und jenes ergeben.

Dietmar Woidke wird Ihr Nachfolger. Es waren auch noch andere im Gespräch - Günther Baaske, Frank-Walter Steinmeier, Martina Münch. Warum ist er der Richtige?

Ich kenne Dietmar Woidke seit zwei Jahrzehnten. Wir arbeiten seitdem eng zusammen. Wir haben Höhen und Tiefen gemeinsam durchmessen. Ich kenne ihn als einen klugen, sehr überlegten Menschen. Er ist einer, der erst nachdenkt und dann redet. Das liegt mir. Er hat einen sehr guten Überblick und das meine ich nicht nur wegen seiner Körpergröße von fast zwei Metern. Politik ist ein Handwerk, das wird manchmal unterschätzt. Dietmar Woidke hat auf Kreisebene gelernt. Er hat mehrere Ministerien geführt. Er hat die Fraktion geführt und ist jetzt ein sehr erfolgreicher und beliebter Innenminister. Er kann auf Menschen zugehen und das ist für mich eine ganz wichtige Bedingung: Dass man Menschen mag, dass man früh raus geht und gerne etwas mit Menschen macht, auch wenn es Situationen mit Streit gibt. Das alles bündelt Dietmar Woidke in sich. Er passt in dieses Land und in diese Position.

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