Rechtsextremismus-Verdacht - Berliner Elsengrund-Schule droht Aufhebung der Unterrichts-Genehmigung

Nach dem Vorwurf der rechtsextremen Unterwanderung einer freien Schule in Berlin-Mahlsdorf sollten dort umfassende Reformen beginnen. Doch Lehrkräfte und Eltern stellen sich gegen die Pläne der neuen Geschäftsführung. Von Tina Friedrich und Torsten Mandalka
Zur "Freigeist-Schule" hat sich die vormalige Schule am Elsengrund in Berlin-Mahlsdorf (Marzahn-Hellersdorf) inzwischen umbenannt. Doch hinter der neuen Fassade sei der Geist der rechtsextremen Unterwanderung an der Schule nicht auszutreiben. Das ist der zentrale Vorwurf, den führende Mitarbeiterinnen der Schule in E-Mails an Parlamentarierinnen und die Senatsverwaltung für Bildung erheben. Die Schreiben liegen rbb24 Recherche vor.
Mangelnde Reflektion
Zur Erinnerung: Vor einem halben Jahr berichtete der WDR [ardmediathek.de] über die damalige Freie Schule am Elsengrund. Die Schulleitung soll Kontakte zum Holocaustleugner Bernhard Schaub gepflegt haben, was sich auch im Schulalltag widergespiegelt haben soll. So soll beispielsweise rechtes Gedankengut in den Geschichtsunterricht eingeflossen sein. Die Schule bestritt damals die Vorwürfe. Nach massivem öffentlichem Druck traten im März dann Schulleitung und Geschäftsführung zurück, eine neue Geschäftsführerin übernahm. Sie wollte den Reform- und Entwicklungsprozess der Schule einleiten. So kündigte sie beispielsweise einem Lehrer, der der rechtsextremen "Identitären Bewegung" nahestehen soll.
Wenn man den Hilferufen der Mitarbeiter*innen der Schule Glauben schenken darf, wollen nicht alle an der Schule diesen Reformprozess fortsetzen. In den Mails heißt es: "Das Kollegium reflektiert sich nicht, sieht sich in der Opferrolle. Es übernimmt niemand die Verantwortung für das Wegsehen über Jahre."
Verworrene Kommunikation
Auch sei die "Freistellung" des mutmaßlich rechtsextremen Lehrers, die die neue Geschäftsführung veranlasst habe, von der Schulleitung und dem Kollegium hintertrieben worden. Diesem Vorwurf jedoch widerspricht die Schulleiterin Tatiana Weber: "Die Entlassung des Lehrers aus dem Dienst der Schule war nach Bekanntwerden der Vorwürfe zu jeder Zeit unstrittig", schreibt sie in einer Stellungnahme, die von der Elternsprecherin übermittelt wird.
Warum die Schulleiterin nicht direkt antwortet, bleibt unklar: Von technischen Problemen ist die Rede. Geschäftsführerin Susann Zittlau wiederum antwortet auf die rbb-Anfrage, man möge diese Stellungnahme bitte ignorieren. Sie sei nicht autorisiert. Sie selbst will das alles nicht kommentieren. Dabei steht sie in dem Konflikt im Mittelpunkt: Die reformfreudige Geschäftsführerin soll auf der nächsten Gesellschafterversammlung der "Forum Pädagogik am Elsengrund GmbH" am Donnerstag wieder abberufen werden.
Schulleitung wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Forderung kommt sowohl vom Lehrerkollegium wie von der Elternvertretung. Entsprechende Stellungnahmen und Chats liegen rbb24 Recherche vor. Darin wehren sie sich gegen den Vorwurf, nicht zu Veränderungen bereit zu sein, und sich nicht ausreichend von Rechtsextremismus zu distanzieren. Sie werfen der neuen Geschäftsführerin Intransparenz vor.
Auch die aktuelle Schulleiterin Tatiana Weber tritt dem erneuten Rechtsextremismus-Vorwurf entgegen. "Eine derartige Unterwanderung ist seit der Abwahl der ehemals Verantwortlichen nicht bekannt und das gesamte Kollegium hat sich mehrfach vehement gegen eine anderslautende Darstellung ausgesprochen", schreibt sie.
Angst vor Rückkehr zum Status Quo
Der Streit zwischen Eltern, Lehrer*innen, der Schulleiterin auf der einen und der neuen Geschäftsführung auf der anderen Seite ist inzwischen eskaliert. Die Autor*innen der Hilferufe haben nun die Sorge, dass die eingeleiteten Reformen keinen Bestand haben.
Und sie erheben weitere schwere Vorwürfe: Das Schulklima wirke sich auf die Leistungen der Kinder aus. So sollen etliche Schüler*innen der vierten und fünften Klasse kaum lesen und schreiben können. Auch ihre Mathematik-Kenntnisse sollen nicht ausreichen für die Vermittlung an eine weiterführende Schule. Hierzu schreibt die Schulleitung: "Es gibt Einzelfälle, in denen nun durch Überstunden, Förderunterricht und den Einsatz einer Sonderpädagogin Defizite behoben werden."
Vorwurf der Kindeswohlgefährdung
Die Kritik betrifft auch die Hortbetreuung. Mobbing sei an der Tagesordnung, es werde "Kindeswohlgefährdung betrieben". Jahrelang seien "bewusst Beobachtungen oder Anzeichen ignoriert und unter den Teppich gekehrt" worden. Ein Kinderschutzkonzept gebe es nicht, die meisten Mitarbeiter*innen wüssten noch nicht einmal, was das sei. "Die pädagogische Qualifikation jedes einzelnen Mitarbeiters, sowie die Sicherstellung des Kindeswohls stelle ich hiermit in Frage", schreibt eine Mitarbeiterin. Sie spricht von "dringendem Fortbildungsbedarf".
Schulleiterin Weber verweist in ihrem Schreiben an den rbb darauf, dass dafür die alte Hortleitung verantwortlich sei. Aber "aktuell und zukünftig wird so etwas nicht vorkommen", heißt es mehrmals. "Ein Fortbildungskonzept wurde erstellt, Stellenausschreibungen erfolgen noch in dieser Woche." Und ein Kinderschutzkonzept sei in Arbeit.
Aufhebung der Schulgenehmigung droht
In der zuständigen Senatsverwaltung von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sind die Vorgänge bekannt. Die Pläne der Geschäftsführung, mithilfe eines externen Beraters die Schule weiterzuentwickeln, sah man dort bislang positiv. Sie würden "kontinuierlich geprüft und begleitet", erklärt ein Sprecher der Senatsverwaltung auf Anfrage von rbb24 Recherche. Auch wenn die Senatsverwaltung eigentlich nicht in interne Vorgänge eines freien Trägers eingreifen darf, heißt es weiter: "Die Aufhebung der Genehmigung der Ersatzschule kann nur durch Abhilfe der festgestellten Mängel vermieden werden." Die aktuell betriebene Ablösung der Geschäftsführung dürfte da wenig hilfreich sein.
Die Schulaufsicht sähe es dabei dezidiert lieber, wenn die rund 150 Schulplätze erhalten bleiben könnten. Dafür sei "die begonnene Neubesetzung der Schulträgergesellschaft und des Kollegiums mit anschließender schriftlicher Vereinbarung zum Schulentwicklungsprozess" für die nächsten Jahre erstrebenswert.
Linke fordert "Tiefenprüfung"
Der Freigeist-Schule die Genehmigung zu entziehen, wäre ganz im Sinne der schulpolitischen Sprecherin und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken, Regina Kittler. Der Hilferuf mache deutlich, dass es bisher keinen wirklichen Neuanfang in der Schule gegeben habe, sagt sie rbb24 Recherche.
Sie erwarte nun eine "Tiefenprüfung" des Senats. "Ich befürchte", so Kittler, "dass der Träger seinem Bildungsauftrag nicht gerecht wird. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, muss konsequent gehandelt werden und für die Schüler*innen der Schule Hilfe vermittelt werden."