Gedenkstätte Hohenschönhausen - U-Ausschuss-Bericht bescheinigt Hubertus Knabe Ignoranz und Uneinsichtigkeit

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses "Gedenkstätte Hohenschönhausen" dokumentiert massives Versagen des damaligen Direktors Knabe. Die Entlassung sei unumgänglich gewesen. Für die Opposition ist der Fall nicht so klar. Von Torsten Mandalka
Nach der Vernehmung von 24 Zeugen und Zeuginnen sowie Sichtung unzähliger Akten hat der Untersuchungsausschuss "Gedenkstätte Hohenschönhausen" am Dienstag nach anderthalb Jahren seinen Abschlussbericht vorgelegt. Das fast 300 Seiten dicke Dokument liegt der Redaktion rbb24-Recherche exklusiv vor.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass der Stiftungsrat der Gedenkstätte Hohenschönhausen im September 2018 kaum anders konnte, als den Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe zu entlassen. Knabe habe nicht nur die Frauen, die von seinem Stellvertreter Helmuth Frauendorfer belästigt wurden, nicht ausreichend geschützt, sondern auch in der Aufarbeitung der Affäre massiv versagt. Zudem wirft ihm die Mehrheit des Untersuchungsausschusses Management- und Organisationsversagen vor. Der Ausschuss stellt aber auch fest, dass es im Bereich der Kulturverwaltung Defizite bei der Umsetzung des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes gibt. Voraussichtlich im Spätsommer wird der Bericht im Berliner Abgeordnetenhaus abschließend beraten.
Sexuelle Belästigungen unumstritten
Ausgelöst wurde die Affäre im September 2018 durch die Berichterstattung des rbb. Sieben Frauen, die als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Volontärinnen oder Praktikantinnen in der Gedenkstätte tätig waren, hatten dem stellvertretenden Direktor der Gedenkstätte sexuelle Belästigung vorgeworfen. Die Vorfälle ereigneten sich zwischen 2014 und 2018. Helmuth Frauendorfer soll den Mitarbeiterinnen zu nahe getreten sein, indem er ihnen spätabendliche oder nächtliche SMS mit sexualisierten Inhalten geschrieben habe. Auch sei es zu körperlichen Annäherungen und unerwünschten Berichten über sexuelle Vorlieben gekommen. Frauendorfer hatte die Vorwürfe zum Teil eingeräumt, seine Kündigung wurde von den Arbeitsgerichten bestätigt. Auch seinem Chef Hubertus Knabe warfen die Frauen distanzloses Verhalten vor. Zu dessen Entlassung führte aber dann eher sein uneinsichtiger Umgang mit der Affäre.
Massive Versäumnisse von Gedenkstättendirektor Knabe
Der Bericht des Untersuchungsausschusses kommt zu dem Ergebnis, dass Hubertus Knabe seit Februar 2016 mehrfach über Beschwerden von Frauen über seinen Stellvertreter unterrichtet wurde. Die Kulturverwaltung - zunächst unter Tim Renner, dann unter Kultursenator Klaus Lederer (Linke) - habe ihn aufgefordert, eigenverantwortlich angemessene Maßnahmen (etwa die Berufung einer Frauenbeauftragten und die Einrichtung einer Beschwerdestelle) zu ergreifen, heißt es. Allerdings sei dabei auf die "Wahrung der Anonymität der Beschwerdeführerinnen" großer Wert gelegt worden.
Knabe habe die Beschwerden als "nicht substantiiert" zurückgewiesen. Strukturelle Präventionsmaßnahmen habe er trotz Aufforderung nicht ergriffen. Auch habe Knabe dem Kulturstaatssekretär gegenüber angeregt, eine "vertrauliche Lösung des 'heiklen Themas'" zu erreichen. Der Untersuchungsausschussbericht dazu: "Dies ist zweifellos kein adäquater Umgang mit den (…) Vorfällen, noch ein Hinweis auf die Bereitschaft, seine Verantwortung als Leiter einer Einrichtung wahrzunehmen." Er habe stattdessen mit "Vorwürfen der Verleumdung", "Verharmlosungen und Relativierungen" reagiert. Im Abschlussbericht wird außerdem festgestellt, "dass der ehemalige Direktor selbst zuweilen distanzlos agierte und keinerlei Sensibilität für übergriffiges Verhalten hatte".
Auf rbb-Nachfrage teilte Knabe mit, dass die "Behauptungen" der Regierungsfraktionen im Untersuchungsausschuss falsch seien. "In Wirklichkeit war die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen die erste Erinnerungsstätte in Deutschland, die mit ihrem Personalrat eine Dienstvereinbarung zum Beschäftigtenschutz und respektvollen Umgang am Arbeitsplatz abgeschlossen hat", so Knabe. Während seiner 18-jährigen Tätigkeit als Direktor der Gedenkstätte habe "sich niemals eine Mitarbeiterin über irgendeine Form der Belästigung beschwert".
Der Abschlussbericht verweist indes auf die entscheidende Stiftungsratssitzung am 25. September 2018. Dort sei Hubertus Knabe ausführlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, er habe aber "keinerlei Zeichen der Einsicht" erkennen lassen. Ihm sei es einzig darum gegangen, "Schaden von seiner Person und der Gedenkstätte abzuwenden". "Weder äußerte er Verständnis für die betroffenen Frauen oder Worte des Bedauerns, noch übernahm er die Verantwortung für die Vorfälle in der Gedenkstätte." Erst als das deutlich wurde, habe der Stiftungsrat parteiübergreifend einstimmig für die Demission des Gedenkstättenleiters votiert. Für eine politisch motivierte Kündigung sieht die Mehrheit der drei Berliner Regierungsparteien keine Anzeichen.
Opposition gibt Sondervoten ab
Die CDU hat gemeinsam mit der FDP ein Sondervotum formuliert und auch von der AfD wird es ein derartiges Votum geben. Alle werden dem Bericht beigefügt, liegen aktuell aber noch nicht vor. Nach Aussage von Stefan Förster (FDP) würden sich aus den Akten Indizien dafür ergeben, dass die unbestrittenen Übergriffigkeiten des Knabe-Stellvertreters gezielt instrumentalisiert worden seien, um letztlich den Chef loszuwerden. "Herr Knabe war ein Dorn im Auge. Es ist die Geschichte einer lang geplanten Absetzung, die sich über viele Jahre hinzieht", lautet Försters Analyse.
Hintergrund ist nach übereinstimmender Auffassung der Opposition nicht nur die offensichtliche politische Gegnerschaft zwischen dem "Kommunisten-Fresser" Knabe und dem linken Kultursenator Lederer, sondern auch ein persönlich belastetes Verhältnis der beiden. Indiz dafür sei zum Beispiel, dass die Frauenvertreterin in der Kulturverwaltung in einer Mail an den zuständigen Staatssekretär von einer "strategischen Platzierung" geschrieben habe, als es um die Frage ging, wann und wie eine von den betroffenen Frauen verfasste Erklärung dem Stiftungsrat vorgelegt werden solle. Die Repräsentantinnen und Repräsentanten der CDU im Stiftungsrat schließlich, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und der Stasi-Opfervertreter und ehemalige stellvertretende brandenburgische Landtagspräsident Dieter Dombrowski seien bei ihrer Zustimmung zur Entlassung Knabes hinters Licht geführt worden.
Für Kultursenator Klaus Lederer (Linke) ist diese Art von Votum ein "politisches Kampfinstrument", sein Verhältnis zu Hubertus Knabe sei "rein professionell" gewesen. Er selber habe gehandelt, wie er handeln musste: "fünfmal sorgfältiger und genauer als in anderen Fällen".
Die Beweislast gegen Hubertus Knabe sei "erdrückend", sagt auch die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Sabine Bangert (Grüne): "Wir haben wirklich Zeuginnen und Zeugen gehört, die deckungsgleich die Vorwürfe und die Defizite bestätigt haben. Und insofern kann man da, glaube ich, nicht zu einem anderen Schluss kommen."
Ausschuss empfiehlt Sanktion und Prävention
Im Abschlussbericht wird die "teils diffamierende Kommentierung des Geschehens in der Öffentlichkeit" kritisiert. Das zeige, dass von sexueller Belästigung Betroffene weiter Unterstützung brauchten – auch wenn es im Zuge der Metoo-Debatte gesellschaftliche Fortschritte gebe. Der Ausschuss formuliert zum Schluss eindeutige Empfehlungen für Maßnahmen, die in der Vergangenheit auch von der Kulturverwaltung versäumt worden sind: Die Gleichstellungsgesetze von Bund und Land müssten verpflichtend umgesetzt werden, öffentliche Einrichtungen sollten darüber in Zukunft regelmäßig berichten.