Umfassende Mietsenkungen - Städtische Wohnungsbaugesellschaft zahlt für Fehler des Vorbesitzers im Kosmosviertel

Nach Urteilen zur fehlerhaften Abrechnung von Modernisierungen im Berliner Kosmosviertel nimmt die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mieterhöhungen für fast 600 Wohnungen zurück. Ein teures Erbe, übernommen vom Vorbesitzer. Von Jana Göbel
Für den Rentner Roland P. ist es eine gute Nachricht. Er zahlt für seine Drei-Zimmer-Wohnung im Kosmosviertel in Berlin-Altglienicke bald 90 Euro weniger. Und er bekommt sogar noch Geld zurück von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft "Stadt und Land". Das Unternehmen hatte das Viertel 2019 zurückgekauft. Die Modernisierungen, um die es hier nun geht, hatte der Vorbesitzer 2017 durchführen lassen. Auch von diesem Vorbesitzer erhält Roland P. Rückzahlungen.
Der Grund für die nun fälligen Rückzahlungen sind Gerichtsentscheide. Sie erklärten die Abrechnung der Modernisierung und die daraus folgende Mieterhöhung für ungültig, weil der Vorbesitzer die Kosten für Erhaltungsmaßnahmen und Modernisierung nicht sauber getrennt hatte.
"Alle Rechte und Ansprüche des Käufers ausgeschlossen"
Obwohl der Abrechnungsfehler durch den privaten Vorbesitzer verursacht wurde, muss die städtische Wohnungsbaugesellschaft "Stadt und Land" nun dafür geradestehen. Mehrere Hunderttausend Euro jährlich gehen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft dadurch verloren. Vom Vorbesitzer kann sie jedoch keinen Schadenersatz verlangen. Ein Passus im Kaufvertrag, der rbb24 Recherche exklusiv vorliegt, macht dies unmöglich. Darin wurden "alle Rechte und Ansprüche des Käufers wegen etwaiger Mängel ausgeschlossen“ und das geschah, obwohl es schon vor dem Ankauf Anwohnerproteste gegen die Modernisierungsumlage gab, Mieter-Anwälte dagegen vorgingen und auch der rbb mehrfach berichtet hatte.
Doch warum hat "Stadt und Land" den Vertrag trotzdem unterschrieben? - Auf diese Frage möchte die Wohnungsbaugesellschaft "aufgrund der vertraglich vereinbarten Vertraulichkeit" keine Antwort geben.
Dass es gerechtfertigt wäre, das Geld vom Vorbesitzer zurückzufordern, hat Roland P. bewiesen. Der Rentner bekommt nicht nur die zu viel bezahlte Modernisierungsumlage ab 2019 von "Stadt und Land" zurück, sondern auch vom Vorbesitzer für die Jahre 2017 bis 2019.
Jahrelang wurde nur das Nötigste repariert
Peter Schmidt ist Sprecher der Initiative "Mieterprotest Kosmosviertel". Ihn ärgert, dass "Stadt und Land" diesen "Knebelvertrag sehenden Auges unterschrieben hat". Die Wohnungsbaugesellschaft habe vorher genug Zeit gehabt, alles zu prüfen: "Sie wusste auch von den Problemen mit der Modernisierung." Es würde dringend Geld gebraucht, denn "in der gesamten Siedlung gibt es einen sehr hohen Sanierungsbedarf". Der Vorbesitzer habe seiner Meinung nach in den Plattenbauten jahrzehntelang nur das Nötigste gemacht.
Mieterin Katrin Gassan wohnt in einer der etwa 1.200 noch nicht modernisierten Wohnungen im Kosmosviertel. "Seit 30 Jahren ist nichts gemacht worden an den Häusern hier, die Balkone sind teilweise bröselig, die Wasserrohre müssten ausgetauscht werden, die Stromleitungen sind - gelinde gesagt - das Letzte", erzählt sie und knipst an ihrem Küchen-Lichtschalter, der manchmal angeht und manchmal nicht. Katrin Gassan berichtet auch von veralteten Heizungen, undichten Fenstern, maroden Fahrstühlen und Ratten im Hof.
Hoffnung auf Besserung nach dem Rückkauf
Als die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft "Stadt und Land" das Viertel 2019 zurückgekauft hatte, hofften viele Mieterinnen und Mieter, dass sich die Wohnqualität verbessert. Tatsächlich gab es dann auch mehrere Sofortmaßnahmen, wie "Stadt und Land" schreibt, darunter neue Schließsysteme, neue Brandschutztüren, Reparaturen bei der Warmwasserversorgung, neue Bänke und Spielgeräte.
"Wir kommen unseren Verpflichtungen nach", erklärt die Wohnungsbaugesellschaft auf Anfrage von rbb24 Recherche. "Viel mehr aber auch nicht", erwidert Peter Schmidt von "Mieterprotest Kosmosviertel". Häuser und Wohnungen seien auch zweieinhalb Jahre nach dem Ankauf durch "Stadt und Land" in keinem besseren Zustand.
Ankäufe belasten Wohnungsbaugesellschaften
Anfang der 1990er Jahre hatte ein älterer Herr aus München alle 1.800 Wohnungen gekauft - als Geschäftsführer und -inhaber des Unternehmens "Schönefeld Wohnen". Für den Rückkauf des Kosmosviertels zahlte "Stadt und Land" 250 Millionen Euro – etwa 2.000 Euro pro Quadratmeter. Dem stehen vergleichsweise niedrige Mieten von aktuell etwa sechs Euro gegenüber.
Diese Differenz zwischen Kaufpreis und Mieteinnahmen sei "ein Spagat, der betriebswirtschaftlich schwer zu stemmen ist“ erklärt Konstantin A. Kholodilin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) die Situation. Der Wissenschaftler erforscht die Folgen staatlicher Eingriffe in den Wohnungsmarkt. So wie "Stadt und Land" sind auch andere städtische Wohnungsbaugesellschaften durch politisch gewollten Ankauf ganzer Wohnsiedlungen starken finanziellen Belastungen ausgesetzt. Beispielsweise plant die Gewobag in Spandau und Reinickendorf in den kommenden Jahren 50 Millionen Euro unter anderem für Instandhaltung, Sanierung und Modernisierung auszugeben. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hatte hier fast 6.000 Wohnungen zurückgekauft, viele darunter sind asbestbelastet. Die Mieten liegen hier bei sechs Euro je Quadratmeter kalt.
Spagat zwischen hohen Erwerbskosten und begrenzten Mieteinnahmen
Wenn städtische Wohnungsbaugesellschaften Tausende Wohnungen zu Marktpreisen erwerben, aber gleichzeitig zu günstigen Mieten verpflichtet werden, bedeute das niedrige Einnahmen bei hohen Kosten. Auf die Dauer funktioniere das nicht, fürchtet Konstantin A. Kholodilin. Mieter und Mieterinnen würden zwar zunächst von günstigen Mieten in den angekauften Wohnungen profitieren, doch irgendwo müsse dann gespart werden. Wirtschaftsexperte Kholodilin warnt: Langfristig könnte die Qualität der angekauften Häuser und das Wohnumfeld leiden, wenn der Sanierungsbedarf sehr groß sei und Investitionen gestreckt werden müssten.
Sendung: Inforadio, 02.09.2021, 6 Uhr