Anschläge in Berlin-Neukölln - Initiativen fordern Beteiligung am U-Ausschuss zu Anschlagsserie

Ein Untersuchungsausschuss soll die Hintergründe und Fehler bei den Ermittlungen zur Neuköllner Anschlagsserie aufarbeiten. 15 Initiativen gegen Rechtsextremismus fordern in einem offenen Brief, mitwirken zu können. Von Jo Goll
In einem offenen Brief an die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken im Berliner Abgeordnetenhaus fordern 15 Neuköllner Initiativen gegen Rechtsextremismus jetzt die Beteiligung am geplanten Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses war im Koalitionsvertrag verabredet worden. In dem Schreiben, das rbb24 Recherche vorliegt, heißt es, das Bedürfnis nach umfassender Aufklärung sei dringend und die Initiativen seien fest entschlossen, zu einem Erfolg beizutragen.
In dem Schreiben heißt es weiter, die Abgeordneten seien zur Aufklärung auf das Wissen der Initiativen angewiesen. Daher sei es dringend erforderlich, dass sämtliche Sitzungen des Untersuchungsausschusses öffentlich stattfinden.
Berliner LKA geht von etwa 70 Straftaten aus
Bereits bei der Festlegung des Untersuchungsauftrages sei die Einbindung der Initiativen in die Arbeit des Ausschusses dringend erforderlich. Außerdem sei der Untersuchungszeitraum zeitlich offen zu halten, da die Serie rechtsextremer Angriffe bis weit vor das Jahr 2016 zurückreiche.
Inbesondere sei zu berücksichtigen, dass dem "komplexen Charakter des Neuköllner Nazi-Terrors" durch eine kritische Betrachtung möglicher Verstrickungen Berliner Behörden in die rechtsextreme Anschlagsserie Rechnung getragen werde.
Das Berliner Landeskriminalamt rechnet der Neuköllner Anschlagsserie seit 2016 rund 70 Straftaten zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Die Opfer waren Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren.
Mutmaßliche Täter bald vor Gericht
Die mutmaßlichen Urheber der rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie müssen sich bald vor Gericht verantworten. Gegen die polizeibekannten und dringend tatverdächtigen Rechtsextremisten Sebastian T. und Tilo P. hatte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Frühjahr 2021 Anklage wegen schwerer Brandstiftung, Sachbeschädigungen und Bedrohungen erhoben. Sebastian T. wird zudem gewerbsmäßiger Betrug mit Transferleistungen vorgeworfen. Er soll sich vom Jobcenter finanzielle Unterstützung für eine untervermietete Wohnung erschlichen haben.
Laut Anklage sollen T. und P. mindestens für die Brandanschläge auf die Autos des Buchhändlers Heinz Ostermann und des Linken-Politikers Ferat Kocak am 1. Februar 2018 verantwortlich sein. Der Vorwurf beruht auf mehreren Indizien. Nach Auffassung der Ermittler spähten die Neonazis ihre Opfer vor den Anschlägen lange aus.
In der Wohnung des Beschuldigten Tilo P. fand die Polizei bei einer Durchsuchung unmittelbar nach dem Anschlag laut Anklage zudem eine Sturmhaube. Dies sei dies ein "klassisches Tatmittel", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg im Mai 2021 im Interview mit rbb24 Recherche. Die Auswertung des Rechners von P. lässt aus Sicht der Ankläger zudem vermuten, dass Tilo P. das Grundstück der Eltern von Ferat Kocak, also den späteren Anschlagsort, vor der Brandstiftung per Google Earth ausgespäht hatte.
Sendung: Inforadio, 11.01.2022, 15:00 Uhr
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