Rechtsstreit um Kosmosviertel - Wohnungsbaugesellschaft muss Mieterhöhung zurücknehmen

Das Kosmosviertel in Altglienicke war einer der größten Ankäufe durch eine städtische Wohnungsbaugesellschaft in Berlin. Jetzt haftet die Gesellschaft für Modernisierungsfehler der Vorbesitzer. Mieter können auf Rückzahlung hoffen. Von Jana Göbel
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land erwarb 2019 rund 1.800 Plattenbau-Wohnungen im Kosmosviertel in Berlin-Altglienicke. Der Kaufpreis: 250 Millionen Euro. Schon damals war klar, dass die Modernisierung Hunderter Wohnungen durch den Vorbesitzer mangelhaft war. Trotzdem hatte der Eigentümer nach der Modernisierung die Mieten erhöht.
Jetzt hat das Landgericht Berlin in einem ersten Fall bestätigt, dass die Mieterhöhung ungerechtfertigt war. Allerdings aus formalen Gründen: Die Modernisierungsumlage sei nicht richtig ausgewiesen worden. Die Konsequenzen trägt jetzt die Stadt und Land, sie haftet für die Fehler des Vorbesitzers.
Für die klagende Familie ging es um fast 100 Euro im Monat wegen der Modernisierungsmaßnahmen im Jahr 2017. Zwei Jahre dauerte der Rechtsstreit. Die Familie braucht nun 2.000 Euro einbehaltene Modernisierungsumlage an Stadt und Land nicht nachzuzahlen.
Die Initiative "Mieterprotest Kosmosviertel" hat gegenüber rbb24 Recherche bereits angekündigt, die Modernisierungsumlage für etwa 600 weitere betroffene Mietparteien zurückzufordern. Auf die Wohnungsbaugesellschaft kämen damit nicht nur Nachforderungen in Millionenhöhe zu. Außerdem würden die künftigen Mieteinnahmen sinken.
Modernisierungsumlage war nicht rechtens
Stolz, durchgehalten zu haben, aber auch etwas erschöpft wirken die Kläger nach dem Ende des Rechtsstreits. Es sei aber ein gutes Gefühl, sich nicht alles gefallen zu lassen. Zwischendurch habe es manchmal Zweifel gegeben, denn bislang hatte es noch kein anderer vergleichbarer Fall aus dem Viertel bis zum Landgericht geschafft.
In den Jahren 2015 bis 2018 wurden in der Hochhaussiedlung in Altglienicke etwa 600 Wohnungen energetisch saniert. Daraufhin stiegen die Mieten um 80 bis 180 Euro. Viele Mieter waren entsetzt, denn die angeblich energetische Modernisierung brachte nur geringe bis gar keine Einspareffekte bei Heizkosten. Wie der rbb berichtete, soll der damalige Privat-Eigentümer aus München ein neues Dämm-Verfahren ausprobiert haben, das kaum Wirkung zeigte.
Weitere Mieter und Mieterinnen wollen Geld zurück
Die Mietsteigerungen trafen seinerzeit viele einkommensschwache Bewohnerinnen und Bewohner hart. Nachdem die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft das Viertel erworben hatte, hofften viele Bewohner, dass die Gesellschaft die Mieterhöhungen zurücknimmt. Doch das Unternehmen ist verpflichtet, sorgsam zu wirtschaften und keine Einnahmen zu verschenken. Es blieb nur der Rechtsweg.
Andere Mieter und Mieterinnen aus dem Kosmosviertel werden sich nun auf diesen Gerichtsbeschluss berufen, vermutet Peter Schmidt von "Mieterprotest Kosmosviertel". Nach dem juristischen Erfolg will er sich dafür einsetzen, dass die betroffenen Mietparteien jetzt geschlossen die Erstattungen beantragen. "Wir wollen nicht, dass jede und jeder einzeln klagt, denn Stadt und Land würde diese Kosten am Ende wohl aus den Mieteinnahmen bestreiten. Und dann fehlt das Geld beispielsweise für dringend nötige Reparaturen und Sanierungsarbeiten."
Landesgesellschaft haftet für Fehler des Vorbesitzers
Für die Stadt und Land ist das Urteil ein schwerer Schlag. Nach dem Rückkauf müssen die Häuser aufwändig saniert werden. Und jetzt kommen noch Mietrückzahlungen sowie eventuelle Mietsenkungen dazu. Bislang ging das Unternehmen davon aus, mit der Siedlung bis 2028 die "schwarze Null" zu erreichen.
Denn bis dahin sind laut Plan die großen Sanierungen abgeschlossen, die Kreditbelastung sinkt und die Mieten sollen moderat steigen. Ab dem Jahr 2038 wurde sogar mit Gewinnen gerechnet. Durch die aktuelle Gerichtsentscheidung könnte dieser Finanzplan ins Rutschen kommen.
Rechtsanwalt Henrik Solf, der die Familie vor Gericht vertrat, erklärt: "Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land muss nun als neue Eigentümerin für die Fehler des Alteigentümers aufkommen." Der Anwalt setzte in dem Verfahren auf die fehlende Trennung von Modernisierungs- und Instandsetzungskosten in der Mieterhöhungserklärung. Laut Bundesgerichtshof müssen Instandsetzungskosten in der Mieterhöhungserklärung extra aufgeführt werden. Da dies nicht geschehen war, ist die Modernisierungsumlage in Gänze hinfällig.
Das Unternehmen möchte sich noch nicht zu dem Gerichtsbeschluss äußern, man werde die Begründung juristisch prüfen.
Senat will kaufen und bauen
Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Dietl erklärt, das Kosmosviertel sei ein Beispiel dafür, dass der Mietendruck auch den Stadtrand erreicht habe. Im Südosten Berlins steige durch den BER auch der Verdrängungsdruck extrem. "Das Land will die Bewohner mit dem Kauf der Siedlung vor Verdrängung schützen."
Angesichts der hohen Kosten für die städtische Wohnungsbaugesellschaft stellt sich allerdings die Frage, ob mit dem Geld nicht besser neue Wohnungen hätten gebaut werden sollen. Denn durch den Ankauf oder Rückkauf von Beständen entsteht kein neuer Wohnraum.
Dietl rechtfertigt, Berlin mache beides, kaufen und bauen, so stünde es auch im Koalitionsvertrag.
Sendung: Inforadio, 18.06.2021, 6 Uhr