Corona-Folgen im Mittelstand - Wie sich ein Familienunternehmen gegen die Krise stemmt

Mo 16.11.20 | 13:55 Uhr | Von Ute Barthel und Jana Göbel
Bild: rbb Presse & Information

Mit Corona kam im Frühjahr der Umsatzeinbruch. Bisher hat Familie Arnold ihre Druckerei in Großbeeren einigermaßen gut durch die Krise gesteuert. Doch der erneute Teil-Lockdown setzt die Unternehmerfamilie zunehmend unter Druck. Von Ute Barthel und Jana Göbel

Stürmische Zeiten und Krisen bringen Andreas Arnold so schnell nicht aus der Ruhe. Gemeinsam mit seiner Frau Kerstin und Sohn Max Arnold führt er das Familienunternehmen, die Druckerei Arnold in Großbeeren. Doch nun reagiert die Familie mit großer Sorge auf den neuen Teil-Lockdown, der seit dem 2. November gilt. Denn viele ihrer Kunden kommen aus Kunst und Kultur, sind Gastronomen und Hoteliers. Und die ziehen nun ihre Aufträge wieder zurück. "Wir bekommen jetzt viele Stornierungen. Was für das nächste halbe Jahr geplant war, ist wieder gestrichen", berichtet Andreas Arnold. "Alles, was an Messen und Veranstaltungen in den Hotels war, ist weg. Das führt zu einer Riesenkatastrophe in meinen Augen."

Als im März die erste Corona-Welle über das Land rollte, war die Devise der Arnolds: Keine Panik, wir machen weiter. Der Einbruch kam vier Wochenspäter: Auftragsflaute. Bis zu 40 Prozent weniger Umsatz bedeutete dieser verordnete Stillstand für die Druckerei. "Das ist ein Riesenbrocken", erklärt Max Arnold. Aktuell könnten sie den noch über Rücklagen und über Hilfen kompensieren. "Aber was ist morgen? Das ist es, was uns schlaflose Nächte bereitet."

Corona durchkreuzt die Pläne für eine neue Druckmaschine

Dieses Jahr macht die Druckerei wegen Corona Verluste. Die Familie beantragte im Frühjahr die Corona-Soforthilfe. Zwei Wochen später war das Geld da. Auch das Kurzarbeitergeld für sechs Mitarbeiter kam schnell – das die Arnolds zugleich aus eigener Kasse aufstockten. Besonders dramatisch: Corona durchkreuzte Mitte März ihre Pläne für den Kauf einer neuen Druckmaschine, mit der sie ihren Energieverbrauch um ein Drittel reduzieren wollten. "300.000 Kilowattstunden, damit könnte man eine kleine Stadt beleuchten", erklärt Andreas Arnold. Die Maschine sei effizienter und umweltfreundlicher – und sie kostet 3,5 Millionen, die größte Einzelinvestition in der Geschichte der Firma.

Just an dem Tag, als sie den Kreditvertrag unterschreiben wollten, zog die Bank sich zurück. "Es war eine ziemliche Katastrophe", sagt Arnold. Der Vorstand hatte entschieden, keine Finanzierung mehr über eine halbe Million Euro zu machen. "Damit fielen wir praktisch ins Anfangsstadium zurück und begannen, in der schwierigen Phase der Corona-Pandemie, eine neue Bank zu suchen", berichtet der Seniorchef.

Firmengründung in der DDR – kurz vor dem Mauerfall

Kerstin Arnold ist in der Geschäftsführung für die Finanzen verantwortlich. In den 30 Jahren seit Bestehen des Familienunternehmens, ist es nicht das erste Mal, dass sie schwierige Zeiten meistern mussten. "Aber wir sind jedes Mal durchgekommen und da kommen wir auch diesmal durch", sagt sie.

Gegründet haben Andreas und Kerstin Arnold ihr Unternehmen noch in der DDR in einer Zeit des Umbruchs – im Juli 1989. Andreas Arnold hatte seine gut bezahlte Stelle als Betriebsleiter in der Verpackungsindustrie gekündigt. Er wollte sich selbständig machen und eine Druckwerkstatt aufbauen. Dann fiel im November 1989 die Mauer und nach und nach wanderten die potenziellen Kunden nach Westberlin ab. "Und dann saßen wir da und hatten ein richtiges Problem an der Backe. Ich hatte keinen Job mehr, kein Einkommen mehr und war gefühlt der erste Arbeitslose der DDR", erinnert sich der heute 59-jährige Andreas Arnold.

Hoffen, dass sich die Investition rentiert

Mit der Hand schrieb er ein Konzept und reichte es bei der Deutschen Bank ein. Vier Wochen später hatte er einen Kredit von einer halben Million DM auf dem Konto. Kurz darauf stand die erste Maschine in der Kelleretage ihres Wohnhauses in Potsdam, 1997 errichteten sie ihr Druckhaus in Großbeeren.

Vierzig Menschen arbeiten mittlerweile in der Druckerei, die rbb24 Recherche seit dem Frühjahr begleitet.

Von Beginn an setzte die Familie auf umweltfreundliche Technik – "Greenprinting" nennen sie es heute. Sei es bei den Druckplatten, der Farbe oder den Maschinen – sie wollen so nachhaltig wie möglich produzieren, mit wenig Müll- und Schadstoffen, geringem Strom- und Wasserverbrauch und C02-Ausstoß. Mit ihrem ökologischen Konzept konnten sie auch eine neue Bank überzeugen und die Maschine kaufen. Damit sich die Investition rentiert, muss sich jedoch die Auftragslage der Druckerei wieder bessern.

Bis heute kein Kredit aus dem Corona-Konjunkturprogramm

Um sich ein Liquiditätspuffer zu verschaffen, hatten die Arnolds Anfang April einen Kredit aus dem Corona-Konjunkturprogramm beantragt. Das Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist aber an bestimmte Auflagen gebunden. "Einerseits sind wir erst würdig, diesen Kredit zu bekommen, wenn wir finanziell auf Null sind" erklärt Juniorchef Max Arnold. Aber dann sei es schon zu spät. "Gleichzeitig muss ich aber voraussagen, ab wann ich wieder so gut und so liquide bin, dass ich das zurückzahlen kann." Die Gespräche mit der Bank ziehen sich seit Monaten. Bis heute haben sie die benötigte Finanzspritze nicht bekommen.

Unverständnis für den erneuten Lockdown

Die Arnolds befürchten nun, dass der neue Teil-Lockdown die zaghafte wirtschaftliche Erholung ihres Unternehmens wieder zunichtemachen könnte. Aus ihrer Sicht sind die Maßnahmen purer Aktionismus. Sie finden es ungerecht, dass ausgerechnet diejenigen, die sich an alle Hygieneregeln gehalten haben, wieder schließen müssen. Die versprochenen neuen Novemberhilfsprogramme seien nur ein schwacher Trost. Und sie selbst könnten ihren Umsatzausfall nicht geltend machen. "Wir stehen da und sagen: Was wird mit uns?" fragt Kerstin Arnold. "Wenn die Kulturbranche wieder lahmgelegt wird, wir aber Programmhefte produzieren – was wird denn dann mit den Betrieben, die da dranhängen?"

Sie rechnen damit, dass die Umsätze zum Jahresende weiter abstürzen. Trotzdem wollen sie keine Mitarbeiter entlassen und hoffen, dass es dabei bleibt. "Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren 40 Mitarbeitern und deren Familien", sagt Andreas Arnold. "Wenn man das zusammenrechnet, sind es 100 Menschen, die von uns und unserem Rückhalt leben – und davon, dass wir sagen: Wir machen weiter."

Sendung: rbb Fernsehen, 16.11.2020, 21:00 Uhr

Das könnte Sie auch interessieren

Symbolbild: Panorama vom Zentrum Berlin Mitte. (Quelle: imago images/Sattler)
imago images/Sattler
5 min

Berlin und Umland - Hier sind die Mietpreise besonders hoch

In allen Berliner Bezirken sind die Preise der angebotenen Mietwohnungen 2023 stark angestiegen. In welchen Ecken in Berlin es besonders teuer und wo es noch günstig ist, zeigt der neue Wohnungsmarktreport. Von A. Bordel und G. Gringmuth-Dallmer

Bild in groß
Bildunterschrift