Parlamente ohne Parteien - "Da wird nach Nase gewählt"

Di 13.05.14 | 11:45 Uhr | Von Alex Krämer
Audio: Inforadio | 13.05.2014 | Alex Krämer

Kommunalwahlen gehen auch ganz ohne Parteien, wie das Gemeindeparlament von Gusow-Platkow in Märkisch Oderland zeigt. Die Abgeordneten gehören der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Sportverein an. Entscheidend ist aber nicht, wer auf welcher Liste antritt, sondern wichtig ist, welche Personen sich zur Wahl aufstellen. Von Alex Krämer

In Gusow stehen in den stillen Straßen auffallend schöne alte Bäume, in Platkow auf dem breiten Dorfanger frisch gepflanzte, junge Linden. 1.200 Menschen leben in den beiden Ortsteilen - und die sind, vermutet Gemeindevertreter Joachim Krebs, alle parteilos - und "wenn, dann ist derjenige anonym."

Krebs sitzt für den Sportverein SV Preussen Gusow 24 in der Gemeindevertretung Gusow-Platkow. Die anderen Abgeordneten gehören der Freiwilligen Feuerwehr, den Geschichtsfreunden und dem Bauernverband an.

Aber auf welcher Liste jemand antritt, ist unwichtig, sagt Thomas Drewing von den Geschichtsfreunden, denn wichtig ist, wer antritt. "Da wird nach Nase gewählt. Man kennt sich, gewählt werden die Leute, von denen man meint, die sind gut fürs Dorf und da geht es rein nach Person und nicht mehr nach Parteien oder Wählergruppen."

Hitzige Debatte über Grabplatten

Auch im Parlament stimmen die Vertreter der Feuerwehr oder des Sportvereins keineswegs immer geschlossen ab - und wenn der eigene Verein Geld kriegen soll, verlassen sie den Saal.

In den letzten Jahren war vor allem der Bau von Parkplätzen am Bahnhof Gusow wichtig. Diese Entscheidung fanden alle Abgeordneten gut - hoch umstritten war dagagen eine ganz andere: Wie sollen die Grabplatten auf dem halb-anonymen Teil des Friedhofs aussehen? Hier ging es keineswegs um Sportverein gegen Feuerwehr, sondern vielmehr um Jung gegen Alt. "Da haben wir uns wirklich extrem gestritten", sagt ein Abgeordneter. Knapp sei es ausgegangen, die Älteren hatten am Ende die Nase vorn. "Wir warten die neue Gemeindevertretung ab und bringen es auf den Plan."

Den Ausschlag gab die Stimme des Bürgermeisters. Karlheinz Klein, Vertreter der Feuerwehr, kandidiert diesmal wieder. Er kann mit seinem Parlament aus Vereins-Vertretern sehr gut leben: "Die Parteien haben ja ihr Programm. Und dieses Programm der Parteien muss dann irgendwie durchgesetzt werden. Und das haben wir nicht. Wir vertreten durch die Vereine die Interessen der Bürger, und jeder kennt jeden."

"Vom Biertrinken bis zur Politik"

Wahlprogramme gibt es in Gusow-Platkow nicht, einen Wahlkampf auch nicht. Und keinen Kandidatenmangel. Die Liste war schnell voll, sagt Joachim Krebs vom SV Preußen 24.

"Wir sind eine ziemlich starke Gruppe. Plus ein paar jungsche Bengels, die eigentlich unsere Söhne beziehungsweise Ziehsöhne sind. Mit denen macht man ja eigentlich alles, vom Biertrinken bis zur Politik."

In der Gemeindevertretung könnte in den nächsten Jahren mindestens eine sehr unangenehme Frage anstehen: Möglicherweise muss die letzte Kita in Gusow wegen Kindermangels schließen. Darüber entscheiden dann die Vereins-Vertreter: Feuerwehr, Sportverein und Geschichtsfreunde treten wieder an, der Bauernverband nicht mehr - aber dafür wollen zusätzlich auch noch die Frauensportgruppe und der Dorfclub ins Parlament von Gusow-Platkow.

Beitrag von Alex Krämer

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