Der neue Landtag im Praxis-Check - Die Krux mit den Türen

Sa 18.01.14 | 11:54 Uhr | Von Alex Krämer

Am Wochenende können die Brandenburger zum ersten Mal rein in den neuen Landtag. Von außen sieht er aus wie das frühere Stadtschloss: Sandstein, Putz und Skulpturen. Wer aber im Gebäude ebenfalls barocke Üppigkeit erwartet, liegt falsch. Ganz im Gegenteil, hier ist allerhand Technik versteckt. Und mit der kommen nicht alle klar. Von Alex Krämer.

Der Landtag ist weiß. Weiße Wände, weißer Boden - überall strahlendes Weiß. Im Foyer liegt Marmor -  genau wie auf den Treppen, die sich wie eine Skulptur nach oben strecken, in Richtung Plenarsaal und Fraktionen. Seit hier Menschen unterwegs sind, wirkt das viele Weiß auch nicht mehr steril: Der leuchtend helle Hintergrund lässt die Leute bunter aussehen. Ein Riesenkontrast zum alten Haus auf dem Brauhausberg, dort war Grau die vorherrschende Farbe.

Peter Ponikau kennt diesen Kontrast gut. Oben auf dem Berg hat er jahrelang mitgeholfen, die abenteuerliche Elektrik am Laufen zu halten. Jetzt steht er in der Cafeteria des neuen Parlaments. Eine Verwaltungsmitarbeiterin erzählt, dass ihre Ausschusssitzung auf den Monitoren am Eingang nicht angezeigt wurde. "Kinderkrankheiten", sagt er. Ponikaus Aufgabe ist es, genau diese Krankheiten zu heilen.

Die meisten seiner sechs Haustechniker-Kollegen haben bisher nicht im Landtag gearbeitet. Er aber - ein freundlicher Mann Ende 50, im grünen Poloshirt - hat seinen Job im öffentlichen Dienst aufgegeben und ist zum privaten Landtags-Betreiber BAM gewechselt. Von einem Haus mit Heizung und Elektrik aus der Kaiserzeit in ein komplett computergesteuertes High-Tech-Gebäude. "Man muss sehr viel lernen, aber es macht auch richtig Spaß. Es glaubt mir keiner, aber es ist so: Noch nie bin ich so gerne zur Arbeit gegangen wie jetzt. Jeden Tag eine neue Herausforderung. Das ist einfach interessant."

"Ich habe sie einfach nicht aufbekommen"

Seit drei Monaten arbeitet Peter Ponikau im neuen Landtagsgebäude. Größere Probleme gab es nicht, kleinere schon. Mensch trifft auf Technik - das klappt nicht immer. Peter Ponikau führt zum Tiefgaragen-Zugang, einer massiven Stahltür im Keller. Deren Klinke sollen Mitarbeiter und Abgeordnete gerade nicht benutzen - sie sollen sie vielmehr mithilfe eines Chips öffnen, den sie an ein Lesegerät in der Wand halten. "In den Moment, wo jemand diese Tür einfach mit der Hand betätigt und dagegen drückt, wird die Störung gemeldet, und der nächste kommt nicht mehr hinein. Wir müssen die Tür dann entriegeln, am Computer zurücksetzen. Das ist eine aufwendige Geschichte." Deshalb kleben nun neben der Klinke ausgedruckte Zettel: "Achtung: Automatiktür".

Überhaupt haben die Türen Tücken. Den kleinen elektronischen Chip, den Mitarbeiter bekommen hat, muss man ständig zum Aufschließen mitführen, auch bei den normalen Türen. Das ist ungewohnt. Zumal viele ohnehin noch mit suchendem Blick herumlaufen.

So wie Sylvia Lehmann von der SPD. "Ich war gestern zur Vorstandssitzung hier. Als ich danach in die Tiefgarage musste, da war es sehr schwer, sie zu finden. Ich stand dann vor der Tür und habe sie nicht aufbekommen."

"Nach einer halben Stunden hat man mich gefunden"

Christian Görke, Fraktionschef der Linken, hat sich auf dem Weg zur Garage sogar selbst eingeschlossen: Sein Chip öffnete eine Tür, die besser geschlossen geblieben wäre. Görke landete in einem Kellerverschlag, aus dem er nicht mehr rauskam. "Mein Handy hatte auch nur noch einen Prozent Akku. Ich habe dann zuerst meinen Fahrer infomiert. Ich wusste nicht mal, wo ich bin. Dann war der Akku leer, ich musste klopfen. Nach einer halben Stunde hat man mich gefunden."

Andere dagegen haben sich gründlich vorbereitet. CDU-Chef Michael Schierack etwa sagt, er habe den ersten Tag im neuen Gebäude genutzt, um sich "durch das Haus zu schleichen": "Ich habe geschaut, wo ich mit meinem Chip überall hinkomme. Es gibt einige Bereiche, da war es schwierig, zum Beispiel beim Landtagspräsidenten. Aber in den Fraktionssaal der SPD bin ich reingekommen."

Die CDU hat ihre Räume unter dem Dach. Hier sind die Decken recht niedrig, mit Dachschrägen. Im Fraktionssaal hängt ein Kreuz an der Wand. Es zu befestigen war kompliziert, berichtet der parlamentarische Geschäftsführer Ingo Senftleben. "Man hat uns untersagt, dort eine Schraube in die Wand zu bohren. Es war nicht klar, wie dieses Kreuz befestigt wird. Jetzt ist es – mit Segen von Landtagspräsident Fritsch – an die Wand geklebt worden und wird da eine Weile hängen."

Mit einer Andacht hat die CDU ihren neuen Saal eingeweiht, inklusive Kirchenlied und kleiner Textunsicherheiten. Eine Etage tiefer bei der Linken geht es nicht so weihevoll zu - hier gibt es Rotkäppchen-Sekt und viele Umarmungen. Einen Super-Raum hat die kleinere Regierungsfraktion abbekommen: ein Eckzimmer mit hoher Decke und weitem Blick in die Stadt. Die Sonne scheint hinein und lässt den roten Teppichboden leuchten, der in allen Sitzungssälen und Büros liegt. Margitta Mächtig aber, die stellvertretende Fraktionschefin, sieht nicht ganz glücklich aus. "Ich komme mit diesem Raum nicht klar. Er ist mir zu groß und zu unpersönlich. Die Tische stehen zu weit auseinander."

Doch da ist diese eine noch ungelöste Frage

Aber es funktioniert alles, die Planung scheint in Ordnung gewesen zu sein. Nur einen Planungsfehler hat Haustechniker Peter Ponikau schon ausgemacht, und das ausgerechnet im Plenarsaal. Der ist weit und licht, heller Holzfußboden, rote Stühle, mit einer zwölf Meter hohen Decke, in der eine Menge Lampen leuchten. Noch leuchten sie. Ponikau zeigt nach oben und stellt die entscheidende, bisher ungelöste Frage. "Wie kommen wir da nur ran, wenn einige Lampen defekt sind?"

Der Landtag hat zwar eine Hebebühne. Aber die kann man ausgerechnet hier nicht aufstellen. Die Tische der Abgeordneten stehen im Weg, fest verschraubt und verkabelt - alles abzubauen, wegen jeder einzelnen kaputten Leuchte wäre ein Riesenaufwand. "Es soll eine Lösung geben. Wir wissen zwar noch nicht, wie die aussieht." Ein bisschen Zeit ist noch - normalerweise halten die Leuchten zwei Jahre lang durch.

Nur das Treppenhaus ist historisch

Aus dem Plenarsaal blicken die Abgeordneten direkt auf die viel befahrene Lange Brücke. Autos, Laster, Straßenbahnen und Busse rauschen vorbei, in Massen, nur wenige Meter hinter den Fenstern. Die aber halten den Lärm tatsächlich ab.

Auch in den Büros der Abgeordneten. Kein Krach, kein eisiger Luftzug unter dem Fenster, kein Heizungsgeruch nach verbranntem Staub wie im alten Landtag. Nüchterne 15 Quadratmeter hat jeder bekommen, die Schreibtische sind elektrisch höhenverstellbar. Bei Marieluise von Halem von den Grünen stehen noch ein paar Umzugskisten in der Ecke. "Mir ist es wirklich gelungen, schon beim Auspacken eine Menge wegzuschmeißen."

Wie überall gibt es auch hier neben der Tür ein schmales Fenster. Jeder, der auf dem Flur vorbeiläuft, kann reingucken - die CDU denkt schon drüber nach, hier was zuzukleben. Die Grünen nicht. "Wir stehen für Transparenz. Wir haben nichts zu verbergen. Wir finden es sogar schön, wenn man sich ab und zu mal zuwinken kann."

Wenn von Halem aus dem Fenster nach unten schaut, kann sie die vielen Besucher sehen, die schon jetzt in den Hof des Landtags kommen. Und ins historische Treppenhaus. Es ist der einzige Innenraum, der vereinfacht wieder aufgebaut wurde, mit viel Weiß natürlich, und einigen Sandstein-Skulpturen, die 1960 aus den Trümmern des abgerissenen Stadtschlosses gerettet wurden. Niels Höbbel, ein älterer Herr aus Berlin, schaut sich jedes Detail sehr gründlich an. "Ich habe das Gefühl, dass hier noch nie etwas anderes war. Ich kenne es als Ruine, bin hier mit der Straßenbahn vorbeigefahren. Das sind Erinnerungen."

Das aber gilt nur für die Fassade – durch das Treppenhaus-Fenster neben Niels Höbel leuchtet das weiße Foyer vor dem Plenarsaal. Weiße Wände, schlicht und modern. Es ist eben doch kein Schloss. Sondern ein Landtag.

Die Geschichte des Potsdamer Stadtschlosses in Bildern

Beitrag von Alex Krämer