Stickstoffdioxid-Problem - Berlin will Tempo 30 auf 85 Straßenabschnitten einführen

Mo 18.03.19 | 20:33 Uhr | Von Dominik Wurnig
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21.01.2019, Berlin: Ein Tempo-30-Verkehrsschild in der Manteuffelstraße. (Quelle: dpa/Kalaene)
Video: rbb24 | 18.03.2019 | Florian Eckardt | Bild: rbb

Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin will eine Vielzahl neuer Tempo-30-Abschnitte einführen - stadtweit auf insgesamt mehr als zehn Kilometern Länge. Außerdem sollen auf neun Straßen Fahrverbote für Lkw und viele Dieselautos kommen. Von Dominik Wurnig

Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther plant, auf 36 Straßen in der Hauptstadt Tempo 30 einzuführen. Das geht aus dem neuen Luftreinhalteplan hervor, den die parteilose Senatorin (für Grüne) am Montag offiziell vorstellte. Aneinander gereiht, würden die Zonen eine Länge von mehr als zehn Kilometern ergeben. Da manche Straßen mehrfach betroffen sind, geht es insgesamt um 85 Straßenabschnitte mit gedrosseltem Tempo.

Durchfahrverbote für Diesel und Lkw

Außerdem sollen an neun Straßen auf insgesamt 2,4 Kilometern Länge Durchfahrverbote für Lkw und Diesel-Pkw bis zur Abgasklasse Euro-Norm 5 kommen. Vorgesehen sind die Fahrverbote an folgenden Straßen:

- Leipziger Straße
- Brückenstraße
- Reinhardstraße
- Alt-Moabit
- Stromstraße
- Hermannstraße
- Silbersteinstraße
- Spandauer Damm
- Friedrichstraße

Insgesamt ergibt sich eine Streckenlänge von 2,4 Kilometern. Obwohl das im Vergleich mit der Gesamtlänge des Berliner Straßennetzes (5.400 Kilometer) nur sehr wenig ist, glaubt die Verkehrssenatorin, dass die Fahrverbote in Kombination mit den anderen Instrumenten Wirkung zeigen werden: "Wir haben Modellierrechnungen gemacht, womit wir genau zeigen, was wir mit unseren Maßnahmen erreichen", sagte die Verkehrssenatorin am Montag der Abendschau. "Wenn die Menschen sich dran halten, werden wir dadurch die Grenzwerte natürlich einhalten", so Günther.

Maxime des Senats sei es, die Grenzwerte schnellstmöglich zu erreichen und "damit die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner zu schützen", so Günther. Sowohl Tempo 30 als auch die Fahrverbote sollen Anfang Juli überall umgesetzt sein.

Anlieger sind grundsätzlich ausgenommen

Im nun startetenden Beteiligungsverfahren sind aber noch Änderungen möglich. Insbesondere an den letzten beiden Straßen ist das Durchfahrverbot noch nicht fix. Ausgenommen vom Durchfahrverbot sind laut Umweltsenatsverwaltung alle Anlieger. Das sind beispielweise Anwohner und deren Gäste, Handwerker, Lieferverkehr, Pflegedienste sowie Personen, die ihren Arbeitsplatz an dieser Strecke haben.

Wenn die Polizei Dieselfahrer in der Durchfahrverbotszone erwischt, wird ein Bußgeld fällig. Bei Lkw kostet dies 75 Euro, für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen mit Anhänger 25 Euro, für normale Autos 20 Euro.

Bürgerinnen und Bürger können sich bis Ende Mai mit Einwendungen und Anregungen einbringen. Voraussichtlich Ende Mai soll dann die überarbeitete Version des Luftreinhalteplans im Senat und im Rat der Bürgermeister diskutiert werden.

Geplant: Durchfahrverbot für Lkw und Diesel-Pkw bis Euro5

 

Quelle: Luftreinhalteplan-Entwurf/ Sen UVK

Doch kein Fahrverbot an Kapweg und Leonorenstraße

Seit 2010 wurde der Stickstoffdioxid-Grenzwert im Jahresmittel an vielen Stellen in Berlin immer wieder überschritten. Das Verwaltungsgericht hatte deshalb im Oktober die Landesregierung zum Handeln gezwungen und eine Überarbeitung des Luftreinhalteplans angeordnet.

Das Verwaltungsgericht hatte Berlin auch aufgetragen, am Reinickendorfer Kapweg sowie der Lankwitzer Leonorenstraße Durchfahrverbote einzuführen. Umweltsenatorin Günther setzt sich nun aber über das Urteil hinweg und wird an beiden Straßen weiterhin Diesel-Autos die Durchfahrt gestatten. Die Begründung laut den Presseunterlagen: Am Kapweg würden keine Anwohner leben und somit würde ein Durchfahrverbot Ausweichverkehre in Wohngebiete verursachen. In der Leonorenstraße würden die Werte auch ohne Durchfahrverbot erreicht werden.

Man dürfe nicht nicht vergessen, dass Dieselkäufer und -käuferinnen von den Autounternehmen "betrogen" wurden, sagte Senatorin Günther am Montag. "Deshalb werden wir nur solche Maßnahmen einführen, die zwingend notwendig sind". Grundsätzlich gehe es darum, "die Nutzung des Autos auch weiterhin zu ermöglichen".

Weitere zehn Kilometer Tempo 30

Schon in den vergangenen zwölf Monaten hatte die Senatsverwaltung an einigen Hauptverkehrsachsen Tempo 30 eingeführt: Leipziger Straße, Potsdamer Straße, Hauptstraße, Tempelhofer Damm und Kantstraße. Nun soll auf insgesamt 36 Straßen mit 10,5 Kilometer Länge Tempo 30 kommen. Dadurch sollen sich besonders schadstoffintensive Beschleunigungsvorgänge deutlich verringern. Die Verwaltung rechnet durch die Geschwindigkeitsbeschränkung mit einer Reduktion der NO2-Belastung um fünf Mikrogramm im Jahresmittel.

Ob die Tempodrosselung aber wirklich so viel bringt, ist in Fachkreisen umstritten. Eine Evaluierung von Tempo 30 in der Leipziger Straße ist für April 2019 geplant.

Karte: Hier soll ab Juli nur noch Tempo 30 erlaubt sein

Quelle: Luftreinhalteplan-Entwurf/Senat UVK

Mehr Parkraumbewirtschaftung

Neben Durchfahrverboten und Tempo 30 setzt die Senatsverwaltung bei der Verbesserung der Luftqualität auch auf die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. Je nach Straßenabschnitt soll so die Belastung um bis zu zwei Mikrogramm Stickstoffdioxid sinken. Sie gehe davon aus, "dass weniger Verkehr in diese Zone einfährt", sagte Umweltsenatorin Günther dem rbb. Dadurch würden mehr Parkplätze für die Anwohner und Anwohnerinnen zur Verfügung stehen, die dann weniger fahren müssen, um einen Parkplatz zu suchen. "Damit werden die Emissionen gesenkt."

Bekanntermaßen sollen außerdem Linienbusse und Kommunalfahrzeuge mit NO2-Filtern nachgerüstet werden bzw. ausgestauscht werden. Bis Ende 2019 sollen alle älteren BVG-Busse mit Stickoxidminderungssystemen ausgerüstet werden.

Gericht verurteilte Berlin zu Fahrverboten

Im Oktober 2018 hatte das Berliner Verwaltungsgericht die Landesregierung zur Anordnung von Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge an acht Straßen verurteilt. Die NGO Deutsche Umwelthilfe hatte das Land geklagt, da seit Jahren die Stickstoffdioxidbelastung an vielen Stellen in Berlin über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel liegt. In Folge hatte der Senat auf die Berufung verzichtet, da Umweltsenatorin Günther ein noch strengeres Urteil befürchtete. Auch im Jahr 2018 lag die NO2-Belastung an sechs von 16 Messstellen über dem Grenzwert.

Die aktuelle Belastung im rbb24-Stickstoffdioxidmonitor

Beitrag von Dominik Wurnig

65 Kommentare

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  1. 65.

    Benutzen nicht Menschen die Maschinen?

    Sind Autofahrer, die 30 km/h fahren, auch rücksichtslos und unsozial?

    Können E-Autofahrer auch aus Statussymbol fahren?

    Sind E-Autos keine Maschinen?

    Können innerhalb des Stadtring fahrende E-Autos, mit über 30 km/h, eine Ausnahme sein?

    Können innerhalb des Stadtring fahrende Fahradfahrer, mit über 30 km/h (ja, möglich), eine Ausnahme sein?

  2. 64.

    Eine unsinnige Politik, die naive Wähler verwirrt. Langsamer zu fahren hat nicht gleich die Bedeutung, dass man weniger verbraucht. In niedrigeren Gängen verbraucht man mehr, sollte die Drehzahl höher sein, als im höheren Gang. Dass hier einige im 4. Gang mit 30 km/h fahren fühlt sich schon erlogen an, da der Motor da schon ausgehen würde. Zumal würde man wieder mehr verbrauchen, da der Motor diese Geschwindigkeit nicht halten kann. Also: Man muss in einer gewissen Norm fahren. Dass nicht jeder manuell schaltet, ist nochmal ein neues Thema. Viele Grünenwähler würden leider nicht mehr mitkommen, deswegen höre ich hier lieber auf.

  3. 63.

    Grundsätzlich Tempo 30 innerhalb des S-Bahnrings. Keine Ausnahmen! Dann hört das Verwirrspiel auf. Anzahl der Radarkontrollen erhöhen. Parkraumbewirtschaftung komplett und teuer! Es muss sich lohnen den PKW stehen zu lassen. Wer mit dem Mofa, Motorrad, Privatauto, Bus oder LKW in der Stadt unterwegs ist muss dafür zahlen, dass Anderen die Luft weg bleibt. Wohl gemerkt, ich bin selbst Autofahrer, nur Profilierungsfahrten, Schwerlastverkehr, Touristenbussen und Lustfahrten muss der Garaus gemacht werden, sonst nimmt die Lebensqulität der Stadt ab. Wer einen Verbrennungsmotor aus Bequemlichkeit, Statussymbol, Waffe oder einfach nur aus Gewohnheit benutzt, ist rücksichtslos und unsozial. Stadt den Menschen, nicht den Maschinen!

  4. 61.

    Was hält der Senat von GRÜNEN Wellen ? Und mit guten Beispiel voran, Der Rot Rot Grüne Senat fährt Fahrrad!!!
    Wenn diese Senatorin sich so was ausdenkt, läuft sie doch sicher zur Arbeit , oder nimmt das Fahrrad? Sollte sie Das Auto nehmen fährt Sie der Umwelt zu liebe mit 30 Km/h durch die Stadt. Und zum Parken holt sie sich ein Parkschein. Ach ich vergaß, man kann sich ja kurz auf ein Radwegstellen. Arbeite ja beim Senat.

  5. 59.

    Ich bin zwar ein Sozi, aber was sich dieser Senat hier ausgedacht hat, ist einfach nur am Thema vorbei.
    Die 30er-Zonen werden einfach auf Neben- bzw. Parallelstraßen umfahren und die ganzen Abgase dann dort ausgestoßen.
    Was macht das für einen Sinn?
    Für mich ist das Aktionismus und keine vernünftige Politik.

  6. 58.

    Keine Ahnung. Entweder ich ziehe irgendwo aufs Land wo man noch normal fahren kann und das planmäßige Drangsalieren von Autofahrern nicht zur örtlichen Politik gehört oder ich sterbe in jungen Jahren an einem Schlaganfall...natürlich hinterm Steuer bei Tempo 30!

  7. 57.

    Ich würde ja gerne eine lesen aber sie präsentieren hier ja nur heiße Luft und Fake News. Also her mit den Studien!

    Es wäre doch das leichteste gewesen uns eine zu präsentieren um meine Worte Lügen zu strafen. Nur, sie werden keine seriöse Studie vorzeigen können. Verona joggt...

  8. 56.

    Wer keine Studien lesen kann, dem ist nicht zu helfen. Dann solte man aber auch bei solchen Themen ruhig bleiben.

  9. 55.

    Und nach der Wahl, wenn die richtige Partei am Ruder ist, schneit es wieder jeden Heiligabend und die Berliner Luft duftet nach Rosenwasser. Auja :-DDD

  10. 54.

    das ist doch wohl ein wWitz die Strecke von der Martin -Luther bis zur Motz str beginnend ab Lietzenburger. Die gesamte Martin - Luther Straße bis zum Rathaus ist 4 spurig und täglich stark befahren, erst ab Ecke Dominicuststraße sind es nur noch 2 Spuren. das sind doch mal wieder Prozentrechnungen mit Augenwischerei .

  11. 53.

    Und sie haben natürlich wieder einmal keine Quellenangaben. Kunststück, es gibt auch keine seriöse Quelle, die das belegen kann was sie schreiben.

    Tempo 30 muß flächendeckend eingeführt (bis auf wenige Ausfallstraßen)werden und Fr. Günther sollte nicht immer vor einer aggressiven Minderheit und deren mächtige Lobby einknicken.

    Diese hömöopatischen 100 Meter 30er Zonen bringen nichts.

  12. 52.

    Die nächste Wahl kommt. Das Kreuzchen wird dieser Regierung nicht gefallen. Hat die SPD doch schon einmal erlebt in den 70ern. Vielleicht macht sich Fr. Günter einmal Sachkundig.

  13. 51.

    wenn bestimmte Strassenabschnitte gesperrt sind und ich die nächste Querstrasse nutze um wieder auf die Hauptstrasse/belastete Strasse zu kommen- das soll dann besser für die Luft sein? Wirklich ein Treppenwitz. Oder hat die Senatorin noch nicht mitbekommen, das Luft/Luftströme sich nicht aufhalten lassen? Wann werden sich endlich Profis um das Thema Klima kümmern?

  14. 50.

    Nein, bei Leuten wie ihnen kann man halt nicht an die Vernunft appellieren, Leute wie sie muß man zwingen, leider.

    War beim Gurt anlegen genauso.

  15. 49.

    Sie haben an den Dorfpranger stellen vergessen. Und öffentlich auspeitschen. Ja, genau so mittelalterlich sind ihre Vorstellungen.

  16. 48.

    Wer mit modernen KfZ 30 km/h im 2. Gang fährt sollte den Führerschein wegen erwiesener Unfähigkeit selbiges zu führen abgeben.

  17. 47.

    Was machen Sie, wenn bald flächendeckend Tempo 30 in den Städten angeordnet wir zwecks Vermeidung von Unfallopfern? " In der Leonorenstraße würden die Werte auch ohne Durchfahrverbot erreicht werden." @rbb Wie denn? Ist dazu mehr bekannt?

  18. 46.

    Übrigens ergibt sich bei Tempo 30 eine Durchfließgeschwindigkeit von um 10. Also der Schadstoffausstoß wird noch höher (!) als der schon bei Tempo 30 ist. Das IST in Bezug auf umweltmäßig Irrsinn. Mich kann auch kein Mensch abends in eine kriminalitätsbelastete U-Bahn zwingen, geht gar nicht. Diese Leute wissen ja nicht, was sie tun.

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