"Abwarten kann Menschenleben kosten" - Berliner Amtsarzt fordert Einstellung des öffentlichen Lebens
Clubs und Bars schließen, sämtliche Veranstaltungen absagen: Das ist nach Einschätzung des Berliner Amtsarztes Patrick Larscheid notwendig, um die Corona-Krise noch in den Griff zu bekommen. Das habe der Senat offenbar aber noch nicht verstanden.
Der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid erwartet von der Regierung, dass das öffentliche Leben angesichts der Corona-Krise weitgehend eingestellt wird. Dies sei zum Schutz der Bevölkerung notwendig, sagte der Mediziner am Donnerstag im rbb-Inforadio. Larscheid ist einer von zwölf Amtsärzten der Hauptstadt, er vertritt den Bezirk Reinickendorf. Clubs und Bars müssten geschlossen werden und alle Veranstaltungen mit Publikum abgesagt werden, forderte Larscheid. "Sonst werden wir es nicht mehr kontrollieren."
"Auf ganz kleiner Ebene radikal handeln"
"Wir wissen mittlerweile sehr genau, dass wir in der jetzigen Phase der Pandemie praktisch alle sozialen Kontakte unterbinden müssen, wenn wir noch eine Chance haben wollen, die Zahl der Infizierten möglichst niedrig zu halten", erläuterte Larscheid. Es reiche nicht aus, Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen. "Das ist gar nicht relevant. Wir haben es zum Beispiel in den Clubs gesehen, wo wir jetzt mehrere Ausbruchsgeschehen in Berlin haben." Dort seien wenige Leute zusammengekommen, hätten aber intensiven Kontakt gehabt. "Das ist viel gefährlicher als wenn Leute in großen Massen zusammensitzen."
"Wir müssen jetzt auch auf der ganz kleinen Ebene radikal handeln", betonte Larscheid. "Sonst überrollt uns das ganze Geschehen, ähnlich wie wir es in Italien vielleicht erleben."
Kritik am Verhalten des Senats
Die zwölf Amtsärzte Berlins hätten die Macht, Clubs notfalls zu schließen, sagte Larscheid. "Natürlich können wir jetzt auch alle Einzelmaßnahmen beschließen, das werden wir zur Not auch tun. Wenn es denn kein anderer tut. Wir sind längst über den Punkt hinaus, wo wir noch die Hände in den Schoß legen können. Wir glauben, dass abzuwarten im Moment tatsächlich Menschenleben kosten kann."
Larscheid äußerte sich kritisch über das bisherige Krisenmanagement des Senats: "Wir haben noch immer die Hoffnung, dass sich die Stadt Berlin einen Ruck gibt und das versteht, was alle anderen um uns herum, was auch viele Menschen in der Stadt selber längst verstanden haben." Die Amtsärzte hätten einen Affront gegen die Regierung so lange wie möglich vermeiden wollen, seien nun aber "wild entschlossen".
Kalayci: Weitere Maßnahmen könnten folgen
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wies die Kritik zurück, wonach nicht genügend Veranstaltungen abgesagt werden. Im rbb-Inforadio betonte sie, dass weitere Maßnahmen folgen könnten, wenn sich die Lage ändere. Man stimme sich mit dem Robert-Koch-Institut und auch dem Bundesgesundheitsministerium ab. Die Amtsärzte der Bezirke könnten selbstständig entscheiden, beispielsweise Clubs zu schließen. Die Ärzte arbeiteten eigenverantworlich.
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