Veranstaltungsabsagen - Kritik am Corona-Krisenmanagement des Senats
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, haben Bundesländer wie Bayern und NRW Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern inzwischen kategorisch untersagt. In Berlin gibt es nach wie vor keine einheitlichen Regelungen. Das führt zu Kritik.
Die Berliner CDU kritisiert das Krisenmanagement des Senats im Umgang mit dem Coronavirus. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher Tim-Christopher Zeelen forderte am Mittwoch im rbb eine Berlin-einheitliche Regelung für Veranstaltungsabsagen.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD) dürften die Verantwortung nicht "wegdelegieren" - weder an den Bund noch an die Gesundheitsämter der Bezirke. Berlin solle dem Beispiel Bayerns und Nordrhein-Westfalens folgen und Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern generell absagen, sagte Zeelen.
CDU: Alle Großveranstaltungen umgehend absagen
Weiter sagte Zeelen, er habe zunehmend Zweifel an der Aussage Kalaycis, das Berliner Gesundheitssystem sei gut gerüstet: "Ich habe großes Vertrauen in unsere Krankenhäuser, in unsere niedergelassenen Ärzte, in unser Pflegepersonal [...], aber da wo eben eine klare Richtung und Steuerung von politischer Seite gefordert sind, da mache ich mir zunehmend Sorgen."
Der Vorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, schloss sich in einer Pressemitteilung vom Mittwoch der Kritik seines Parteigenossen an. "Alle Berliner Großveranstaltungen sollten umgehend abgesagt werden. Das ist ein Gebot der Solidarität, gerade gegenüber den alten und chronisch kranken Mitbürgern, die besonders gefährdet sind", sagte er. Es müsse alles getan werden, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren. Die von Michael Müller eingeforderte bundeseinheitliche Linie gebe es in Form der Empfehlung der Bundesregierung und der Entscheidung anderer Bundesländer praktisch schon, so Wegner.
Grüne fordern sofortiges Handeln
Ein sofortiges Handeln forderte am Mittwoch auch die Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus. In einer Pressemitteilung sprach sie sich dafür aus, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern vorerst bis 19. April auszusetzen. Gleiches gelte für Versammlungen, Events und sonstige Formate ab 500 Menschen in geschlossenen, klimatisierten Räumen oder mit einem hohen Anteil von besonders gefährdeten Gruppen. Auch bei Veranstaltungen mit weniger Teilnehmern solle geprüft werden, ob diese verantwortet werden können. Diese Vorkehrungen sollen dazu dienen, die Infektionsketten zu unterbrechen.
"Der Blick nach Italien und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Coronavirus machen deutlich, dass wir uns auch in Berlin darauf einstellen müssen, dass die Zahl der Neuinfektionen mit dem Virus in den kommenden Wochen stark ansteigt", heißt es in der Mitteilung. Um die Bevölkerung zu schützen, müsse die Politik nun "alles daran zu setzen, die Coronavirus-Verbreitung zu verlangsamen und die Ansteckungsgefahr einzudämmen, damit eine gute medizinische Versorgung gesichert bleibt". Entsprechend trage man die Verantwortung, "auch unliebsame Entscheidungen zu treffen". "Uns ist bewusst, dass einige Maßnahmen für viele Menschen teils große Einschränkungen bedeuten. Doch diese sind wichtig, um die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere ältere und vorerkrankte, zu schützen – und Leben zu retten."
Kritik am zögerlichen Handeln des Regierenden Bürgermeisters kam auch von der FDP-Fraktion. Deren gesundheitspolitischer Sprecher, Florian Kluckert, bezeichnete die Entscheidung Lederers, Theater und Opernhäuser in der Hauptstadt vorerst zu schließen, als notwendig. Allerdings mache es den Anschein, dass der Senat mit der Situation überfordert sei. "Es muss von Seiten R2G alles Erdenkliche getan werden, um ein Ausbreiten des Virus in der Hauptstadt einzudämmen. Hier muss Politik endlich Führung zeigen und Verantwortung übernehmen. Was andere Länder schaffen, kann kein 'No-Go' für Berlin und diesen Senat sein", wird Kluckert in einer Mitteilung der FDP-Fraktion zitiert.
Keine Zuschauer bei Union
Müller hatte am Dienstagnachmittag via Twitter mitgeteilt, Berlin setze sich beim Umgang mit Großveranstaltungen für eine bundeseinheitliche Regelung ein. Am Abend entschied dann Kultursenator Klaus Lederer, Veranstaltungen in den großen Sälen der staatlichen Bühnen bis 19. April auszusetzen.
Eine Entscheidung über die Zuschauerbeteiligung beim Bundesligaspiel zwischen Union Berlin und dem FC Bayern München am Samstagabend gab es zunächst nicht. Noch am Dienstag hatte der Klub mitgeteilt, seitens des Bezirks gebe es keine Bedenken. Am Abend ruderte der Bezirk dann allerdings zurück. Erst am Mittwochmorgen erließ das Gesundheitsamt des Bezirks Treptow-Köpenick eine entsprechende Anordnung. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci teilte mit: "Das Coronavirus breitet sich weiter aus. Um die Verbreitung zu entschleunigen, müssen wir in solchen Zeiten verantwortungsbewusst entscheiden, was wichtig im Leben ist und was nicht. Meiner Meinung nach kann man auf Fußball-Bundesligaspiele mit Publikum derzeit verzichten. Der gesundheitliche Schutz der Bevölkerung ist wichtiger."
Kritik vom Bund und aus Bayern
Die ursprünglichen Plänen, das Spiel Union gegen Bayern München mit Zuschauerbeteiligung stattfinden zu lassen, hatten auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisiert. Spahn sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, er habe kein Verständnis dafür, dass das Union-Spiel vor Publikum ausgetragen werden soll. "Ich bin etwas verwundert, das will ich sagen, über das, was hier in Berlin mit diesem Fußballspiel passiert." Die Verantwortlichen hätten mit ihren Kommentaren dazu gezeigt, dass sie noch nicht abschließend verstanden hätten, worum es hier geht.
Söder mahnte vor diesem Hintergrund ein einheitliches Krisenmanagement in ganz Deutschland an, das in allen Bundesländern einheitlich angewandt werden müsse. "Sonst entsteht Verunsicherung in der Bevölkerung", so Söder.
Auch private Großveranstaltungen absagen
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, bezeichnete im rbb-Interview die Entscheidung von Kultursenator Lederer, die großen Säle der staatlichen Berliner Bühnen zu schließen, als richtig und verantwortungsvoll. Doch auch von seiner Seite kommt Kritik. Er fordert, auch private Großveranstaltungen in der Hauptstadt wegen der Corona-Gefahr abzusagen. Es brauche vernünftige Vorgaben - das Virus entscheide ja nicht zwischen privaten und staatlich geförderten Veranstaltungen, sagte er im Inforadio vom rbb. Zimmermann fordert außerdem einen Notfallfonds: Vor allem freiberufliche Künstler bräuchten jetzt finanzielle Hilfe.