Notbetrieb der Friedhofsverwaltungen - Trauerfeiern werden wegen Corona-Krise eingeschränkt

Mi 18.03.20 | 20:45 Uhr
Archivfoto: In einem Regal des Bestatters Gerd Müller steht am 20.10.2016 in Berlin eine Urne (Quelle: dpa / Sophia Kembowski).
Video: rbb|24 | 20.03.2020 | Video: Vanessa Klüber | Bild: dpa

Die Corona-Krise verändert auch den Abschied von Verstorbenen: Nur noch die engsten Angehörigen sollen zu Trauerfeiern kommen, auf manchen Friedhöfen sind die Kapellen und Feierhallen komplett gesperrt. Manche Urnenbeisetzungen werden verschoben.

Was Sie jetzt wissen müssen

Fragt man den Grabredner Marco Ammer, was sich bei Bestattungen durch die Corona-Krise auf den ersten Blick geändert hat, antwortet er: "Hand aufs Herz". Am Mittwochvormittag hat er noch eine Trauerfeier begleitet, erzählt Ammer rbb|24 am Telefon, und es sei auch für ihn zuerst ein trauriger Anblick gewesen: "Die Gäste haben immer eine Reihe Platz zwischen den Bänken gelassen, niemand hat sich umarmt, niemand die Hand gegeben." Stattdessen hätten sich die Angehörigen am Ende der Trauerrede verbeugt und sich eine Hand auf die Brust gelegt – Hand aufs Herz eben. "So haben sie sich auch voneinander verabschiedet. Es war irgendwie auch schön", sagt Ammer.

Die Bekämpfung des Coronavirus macht auch vor den gut 180 genutzten Friedhöfen in der Stadt nicht Halt: Am vergangenen Samstag hat der Berliner Senat alle Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern verboten, dazu zählen auch alle Trauerfeiern. Was ebenfalls auf allen Berliner Friedhöfen gilt: Die Anmelder müssen eine Liste mit Namen, Adressen und Telefonnummern der Gäste führen und sie mindestens vier Wochen lang für das Gesundheitsamt bereithalten. Die Bezirksverwaltungen bitten die Menschen, die Zahl der Trauergäste soweit es geht zu beschränken. So wird es seit Mittwoch auch am Stadtrand in Stahnsdorf gehandhabt, auf dem zweitgrößten Friedhof Deutschlands.

Höchstzahl von 50 Gästen könnte noch verringert werden

"Es kommen sichtlich weniger Leute zu den Beisetzungen, wenigstens im engsten Familienkreis bleibt die Trauerfeier gestattet. Ich finde es sehr wichtig, auch in diesen Zeiten zu ermöglichen, dass die Würde gewahrt bleibt", sagte Mark Cotta von "Fliegener Bestattungen" in Spandau am Mittwoch rbb|24.

Dass es bei der erlaubten Höchstzahl von 50 Gästen bleibt, bezweifeln mehrere Bezirksverwaltungen auf Anfrage von rbb|24. Der Bundesverband Deutscher Bestatter empfiehlt eine Größe von höchstens 25 Personen bei einer Trauerfeier, um das Risiko der Ansteckung mit dem Coronavirus zu verringern. "Andere Zusammenkünfte wie Hochzeiten sind in kleinen Standesamtsräumen bereits stärker begrenzt worden", sagt der zuständige Bezirksstadtrat von Lichtenberg, Martin Schaefer. In mehreren Standesämtern wurden die Trauungstermine komplett gestrichen - wann sie nachgeholt werden können, weiß keiner.

Höchstens 15 Minuten

Wie so oft in Berlin gibt es keine einheitliche Linie. Das erschwert Bestattern ihre Arbeit und hinterlässt Verwirrung bei den Angehörigen. "Das Problem ist, dass einige Friedhofsverwaltungen Regeln aufstellen, die noch darüber hinaus gehen. Hier darf man nicht in die Kapelle, dort schon – die Trauergäste wissen das nicht", sagte Fabian Lenzen, er ist Sprecher der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg.  Mehrere Friedhofsverwaltungen seien in den letzten Tagen telefonisch nicht oder nur selten erreichbar gewesen. Für persönliche Termine sind sie ohnehin wegen des Notbetriebes der Ämter geschlossen. Die nötigen Formulare zu bekommen, kostet die Bestatter und Angehörigen gerade mehr Zeit.

Die sogenannten Feierhallen sind auf den meisten Friedhöfen für Trauergäste entweder schon geschlossen oder werden es in den nächsten Tagen – die Angehörigen dürfen nur noch im Freien Abschied nehmen. In Treptow-Köpenick zum Beispiel sind nur noch "würdige Urnenübergaben am Grab möglich“, heißt es in einer Mitteilung des Bezirksamtes vom Mittwoch [berlin.de]. Diese Übergaben dürfen höchstens 15 Minuten dauern, der Beisetzende muss mindestens zwei Meter Abstand zur Trauergemeinde halten. Wie das Ganze mit einem Sarg funktionieren soll, kam in der Mitteilung nicht vor.

In Pankow wiederum bleiben die Feierhallen geöffnet – allerdings wird dafür die Teilnehmerzahl noch stärker beschränkt. Man orientiere sich an einer Richtgröße von circa zehn Trauergästen, sagte der Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn am Mittwoch auf Anfrage von rbb|24. "Die genaue Zahl ist abhängig davon, in welcher Trauerhalle die Trauerfeier stattfindet, und wird bei der Anmeldung mitgeteilt."

Archivbild: Eine Grabfigur auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf (Brandenburg) im Landkreis Potsdam-Mittelmark, aufgenommen am 05.11.2014 (Quelle: dpa / Patrick Pleul).
Nur noch im Notbetrieb: Der Friedhof Stahnsdorf vor den Toren der Stadt ist der zweitgrößte Deutschlands. Grabbesuche bleiben erlaubt, Trauerfeiern werden auch in Brandenburg auf höchstens 50 Menschen beschränkt. | Bild: dpa-Zentralbild

Blumenläden haben geschlossen

Die frischen Gräber werden in ein paar Tagen auch nicht mehr so üppig mit Blumen geschmückt werden können: Seit Mittwoch haben die Blumenläden in der Hauptstadt geschlossen, sie zählen nicht zu den für die Versorgung wichtigen Geschäften, die geöffnet bleiben dürfen. Das betrifft auch die Blumenhändler an den Friedhöfen. "Wir müssen uns nun in Baumärkten oder Supermärkten umsehen, das wird natürlich deutlich teurer als im Großhandel. Die Großhändler haben prinzipiell zwar noch offen, aber wenn ihnen kein Geschäft mehr die Blumen abnimmt, wird sich das auch ändern – die Ware hält sich ja nur wenige Tage", sagt Fabian Lenzen.

Keine Zeremonie mehr an der Grabstelle, Beisetzung ohne so manchen Angehörigen, der sonst auf jeden Fall dabei gewesen wäre: Die Hinterbliebenen scheinen diese zusätzliche Belastung tapfer wegzustecken, diesen Eindruck schildern mehrere Bestatter übereinstimmend, mit denen rbb|24 gesprochen hat. "Bisher gehen die Angehörigen bei den Trauerfeiern sehr verantwortungsvoll mit der Situation um. Sie sind sensibilisiert, halten Abstand, es kommen weniger Gäste. Niemand hat uns angemotzt, wenn wir auf die neuen Bestimmungen hingewiesen haben", sagt Fabian Lenzen.

Was ist, wenn man bis zum Herbst warten muss? Zum einen ist das trauerpsychologisch nicht sinnvoll, zum anderen wird es schwer, diese vielen übriggebliebenen Termine dann alle nachzuholen."

Fabian Lenzen, Sprecher der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg

Feuerbestattungen können verschoben werden

Angesichts dieser neuen Bestimmungen versuchten Kunden, die Beisetzung eines Angehörigen zu verschieben, sagen Bestatter. Vor-Ort-Termine auf den Friedhöfen, um eine Grabstelle auszusuchen, sind bei den Bezirksämtern noch immer möglich.

Der Spandauer Bestatter Mark Cotta erzählte, etwa 70 Prozent der Kunden entschieden sich für eine Feuerbestattung. "Der, wenn man so will, Vorteil in der jetzigen Situation ist, dass man mit der Beisetzung der Urnen noch warten kann. Aber momentan kann ja niemand absehen, wie lange die Lage so bleibt", sagte Cotta. Eine Erdbestattung dagegen müsse innerhalb von ein bis zwei Wochen geschehen. Solche Beisetzungen können notfalls von Amtswegen angesetzt werden – dann auch ohne Angehörige.

 "Natürlich kann man Urnenbeisetzungen prinzipiell länger verschieben. Aber was ist, wenn man bis zum Herbst warten muss? Zum einen ist das trauerpsychologisch nicht sinnvoll, zum anderen wird es schwer, diese vielen übriggebliebenen Termine dann alle nachzuholen", sagte Fabian Lenzen.

Trauerrede als E-Mail

Der Grabredner Marco Ammer erzählte, er denke gerade darüber nach, wie er und seine Kolleginnen und Kollegen den Trauernden in dieser Ausnahmesituation helfen könnten, ohne das Virus weiterzuverbreiten. "Andere sprechen frei, ich formuliere meine Grabreden alle aus. Bei der Trauerfeier mache ich ein Foto vom schönsten Kranz. Den Redetext und das Foto layoute ich dann als PDF-Dokument und schicke es der Familie. Dann kann sie es den Angehörigen weiterleiten, die nicht zur Trauerfeier kommen konnten", sagte er.

Ammer ist im Hauptberuf Synchronsprecher, er habe auch überlegt, die Grabrede auf Wunsch der Angehörigen einzusprechen, sagte er. "Aber es würde etwas fehlen. Meine Aufgabe ist es ja nicht, nur einen Text aufzusagen, sondern Trost zu spenden, durch die Zeremonie zu leiten, zu entlasten. Das kann eine aufgezeichnete Rede niemals ersetzen, egal ob als Video oder als Audio", sagt er. Eins sei ihm wichtig, fügt er zum Ende des Gesprächs hinzu: "Egal, was uns als Extraservice in diesen Zeiten einfällt: Wir dürfen dafür kein zusätzliches Geld verlangen und die Situation nicht ausnutzen. Es geht mir nur darum, über Rituale nachzudenken, die wir den Angehörigen abseits des Friedhofs anbieten können", sagte er.

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